Sonntag, 15. Juni 2014

"Schützenfest - ich hab' gedacht, dann wäre die Kirche mal voll."

So meinte heute Morgen nach der Messe eine Dame neben mir zu ihrem Mann.

Das war sie bis vor wenigen Jahren auch. Wenigstens dann. Weihnachten, Ostern, Schützenfest - die drei Male, an denen man unsere Gemeindekirche bis auf den letzten Platz belegt sehen konnte.

Heute, zugegeben, hat es sogar mich überrascht: Vom "einmarschierenden" Schützenvolk mal abgesehen, waren vielleicht noch 20-30 weitere Messbesucher anwesend.

Das alles innerhalb nur einiger weniger Jahre. (Denn vor einigen Jahren war es tatsächlich noch so, dass man heute sehr früh hätte eintreffen müssen, um nicht die Messe im wahrsten Wortsinne durch-stehen zu müssen.) Wie geht das?

Dass in den wenigen letzten Jahren die Hälfte unserer Gemeinde vom Glauben abgefallen ist, also, das glaube nun wieder ich nicht.

Wie man eine lebendige Kirchengemeinde kaputtmacht, in mehreren Kurzlektionen:

Erst einmal schließe man diese Gemeinde mit zwei weiteren zu einer GDG (Gemeinschaft Der Gemeinden) zusammen. Das ist an sich ja noch nichts schlimmes, sondern leider meist unvermeidbar.

Dann setze man jedoch einen recht autokratisch agierenden Pfarrer als Leiter der GDG ein. Vorzugsweise nehme man einen Mann, der vorher noch nie einen Fuß in die zu zerstörende Gemeinde gesetzt hat, auf dass er nicht durch Kenntnisse der Eigenheiten vor Ort oder etwa persönlicher Freundschaften in seinen Entscheidungen beeinflusst werde.

Dem aus Altersgründen scheidenden Pfarrer der zuvor selbstständigen Gemeinde (der vor Ort wohnhaft bleibt) bedeute man, er werde für den Messdienst nicht mehr benötigt; er solle seinen Ruhestand genießen.

Dem Pater eines umliegenden Klosters, der oft und gerne als Urlaubs- und Krankenvertretung bei der Messfeier eingesprungen war (und der bei den Menschen der Gemeinde geradezu unangenehm beliebt war), sage man klipp und klar, er werde nicht mehr gebraucht.

Bei den Sonntagsmessen verfahre man sehr gewitzt: Erst teile man die Messen und Wortgottesdienste abwechselnd auf die drei Kirchen auf. Nach und nach ziehe man mehr und mehr Sonntagsmessen auf die eigene Kirche. Gleichzeitig rühme man die Qualität der Wortgottesdienste der anderen Kirchen. Weil dort aber der Besuch desselben trotz der vielgelobten Quoalität immer weiter abnimmt (komisch: scheint, als wollten die Leute eben doch sonntags gerne eine Messe?), schränke man auch die Zahl der Wortgottesdienste immer weiter ein. Stellt man es klug an, ist man im Jahre 2014 so weit, dass sich selbst an Christi Himmelfahrt oder Pfingsten (fast) niemand mehr verwundert die Augen reibt, wenn er feststellt, dass in besagter Gemeindekirche an diesen Hochfesten die Kirche geschlossen bleibt, wegen Isnich.

Zwischendurch "schasst" man den Kirchenchor der kleinen Gemeinde, indem man beim Bistum Aachen dessen Auflösung betreibt. "Das Tischtuch ist zerschnitten", sagte hierzu der Pfarrer, der dem Chor dann auch gleich ein Auftrittsverbot erteilt. (Ein Jahr vor der jetzt stattfindenden Heiligtumsfahrt unter dem Titel "Du deckst mir den Tisch" schon wieder so eine unerkannte Ironie.) Und das gute Bistum ließ sich dann auch tatsächlich überreden, einem Kirchenchor, der im gleichen Jahr sein 90jähriges Bestehen feierte, die Selbstauflösung zu befehlen. Das Jubiläumskonzert zur 90-Jahrfeier musste der Chor in einer Turnhalle geben, weil ihnen nicht einmal hierzu die Kirche offenstand.

Aber einen Chor braucht die Gemeinde natürlich. Da sei man klug und unterstütze stattdessen den noch recht neuen Gospelchor. Der singt dann - wie heute geschehen - bei der Kommunion "We are the world" (ich beiße immer noch in die Tischkante, wenn ich nur daran denke) mit Musik aus der Konserve. Und begleitet auch sonst die Messe mit mehr oder weniger schlecht gemachten englischen Pseudogospelgesängen. Der perfekte Coup: Die älteren Leute verstehen kein Wort, weil sie kein Englisch sprechen. Jene mit einem Rest von Stilgefühl beißen in die Tischkante. Jene, die schon mal echten Gospel gehört haben, erst recht. Und der Rest sitzt da und wundert sich.

Ach so, ja, die Messe anlässlich eines solchen Schützenfestes lasse man ruhig den Altpfarrer feiern. Man sorge nur vorher dafür, dass er auf die Gestaltung keinen Einfluss nehmen darf. Am besten so, dass er, der Altpfarrer, sogar während der Messe mehrmals die ihn Umstehenden fragen muss, was denn als nächstes vorgesehen sei.

Nächsten Sonntag nach der Messe (natürlich wieder in der Kirche des GDG-Pfarrers) ist eine Gemeindeversammlung angesetzt. Es soll eine neue Gottesdienstregelung vorgestellt werden. Unser Altpfarrer wies hierauf heute am Schluss der Messe hin ("Verdammt, war der nicht gebrieft?"), und sein Aufruf, sich dort doch bitte aktiv einzubringen, hatte schon etwas flehentliches. Das lässt mich Arges befürchten.

Ja, so wird eine lebendige Gemeinde innerhalb weniger Jahre kaputtgemacht.


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