Sonntag, 26. April 2015

Ein Tuch in Turin - Annäherungsversuche

Das Grabtuch wird derzeit wieder ausgestellt (19.04. - 24.06.2015), und "man" rechnet mit Millionen von Besuchern, die in dieser Zeit nach Turin strömen werden, um einen Blick auf das wohl berühmteste Stück Stoff der Welt zu werfen.

Ich habe bewusst von "Besuchern" gesprochen und nicht etwa von Pilgern, denn sicherlich werden sich auch viele Neugierige, Zweifler und Eventhascher unter ihnen befinden. Das finde ich weder schlimm noch schade, denn zumindest hinter Neugier und Zweifel steckt ja doch zumindest auch Interesse. Und wer kann wissen, mit welchen neuen Eindrücken und Gedanken jemand nach Hause fährt, der sich eigentlich nur wegen des "Ich war dabei" auf den Weg gemacht hatte.

Und was ist das Tuch in Turin für mich?

Ich bin grenzenlos neugierig. Und grenzenlos frustriert.

Original oder Fälschung?

Als zweifelnder Thomas suche ich denjenigen, der mir zweifelsfrei beweist:
"Das Tuch ist das echte Grabtuch Christi."
Oder eben:
"Das Tuch ist eine Fälschung."
Bücher, wissenschaftliche Abhandlungen, Veröffentlichungen im Internet etc. gibt es in fast unendlicher Zahl. Aber widerlegbar sind die "Ergebnisse" samt und sonders - egal, ob Pro oder Contra Echtheit, und teils wurden sie es auch schon.

Ich habe trotzdem intensiv nachgelesen. Frei nach Luther (so er das denn wirklich jemals gesagt hat): Hier stehe ich; ich kann nicht anders.

In allem Für und Wider gibt es zwei Hauptprobleme:

1. Aufrichtige Befangenheit und geheuchelte Neutralität
Es scheint unmöglich zu sein, eine Veröffentlichung zu finden, deren Verfasser sich dem Thema in wirklicher Neutralität genähert hätte.

Viele sind durchaus ehrlich; sie geben klar zu, von der Echtheit/Fälschung des Tuches überzeugt zu sein und dies mit ihrer Arbeit nachweisen zu wollen. Dagegen ist nichts zu sagen.

Doch es ist auch viel Heuchelei unterwegs. Da wird gerne behauptet, man wolle der Wahrheit auf den Grund gehen und völlig unvoreingenommen nur die klaren Fakten auf den Tisch bringen. Das Urteil möge sich der Leser dann selbst bilden. Doch immer trifft man auf die eine oder andere verräterische Wortwahl oder Satzstellung, die klar aufzeigt: Hier hat jemand in Wirklichkeit seine Entscheidung zur Thematik längst gefällt. Trotzdem verkauft er uns seinen Artikel als neutralen "Faktencheck".

2. Die Endlichkeit jedes endgültigen wissenschaftlichen Beweises
Nichts gegen die Wissenschaft, nur wird leider immer wieder vergessen - oft auch von ihren klügsten Kindern - dass jede noch so schlüssig klingende wissenschaftliche Beweisführung und Aussage stets dem Wissensstand und den technischen Möglichkeiten ihres Zeugungsmomentes unterliegt.

Soll heißen: Was uns die Wissenschaft heute einwandfrei und schlüssig "beweist", kann am nächsten Tag durch eine neue Erkenntnis oder eine labortechnische Neuerung widerlegt werden.

Trotzdem wurde uns in den letzten Jahrzehnten nach jeder Untersuchung des Tuches  anschließend ein "Jetzt haben wir endgültig die Wahrheit herausgefunden"-Ergebnis vorgelegt. Die meisten dieser "endgültigen Ergebnise" wurden seitdem widerlegt oder doch wenigstens durch neuere Untersuchungsverfahren in Zweifel gezogen.

Ist das berühmte "Grabtuch von Turin" denn nun also wirklich das echte Grabtuch Jesu, oder ist es ein wie auch immer bemaltes Stück Stoff aus dem 13. Jahrhundert?

Ich sage gleich vorab: Diese Frage werde auch ich nicht beantworten können. Vielleicht habe ich mir bis zum Abschluss meiner "Nachforschungen" eine Meinung gebildet. Mehr aber ist nicht möglich.

Es gibt eine durchaus hochinteressante Arbeit aus dem Jahr 2014 von Charles Freeman zu meinem Thema:
http://www.historytoday.com/charles-freeman/origins-shroud-turin

Seine geschichtlichen Kenntnisse sind hochinteressant, und seine diversen Fachkenntnisse haben seinen Artikel zu einer der interessantesten Arbeiten gemacht, auf die ich bei meiner Suche gestoßen bin.

Freeman kommt zu dem Schluss, das Grabtuch sei von Menschenhand gemalt und stamme aus dem Mittelalter.

Aber - und hier wird es "lustig" - mir fiel beim Lesen auf, dass man jeder seiner Aussagen, so logisch sie auch klingen oder so wissenschaftlich belegt sie auch sein mag, auch als kleiner Laie widersprechen könnte. Und genau diesen Spaß mache ich mir jetzt auszugsweise:

Darstellungen des Tuches aus dem Mittelalter

Freeman erwähnt die verschiedenen bis heute erhaltenen Darstellungen des Grabtuches, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert angefertigt wurden, und zwar jeweils aus Anlass einer Ausstellung des Tuches. Er greift einen Stich heraus, dessen Künstler für seine Detailgenauigkeit bekannt war. Und er führt aus, dass zu dieser Zeit die Figur auf dem Tuch weitaus deutlicher erkennbar gewesen sein muss als heute, denn wie sonst hätte der Künstler figürliche Einzelheiten verarbeiten können, die heute mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar sind?

Er zieht daraus den Schluss, das Tuch habe im 16. und 17. Jahrhundert völlig anders ausgesehen als heute. Also doch nur eine durch Licht und Luft langsam verblassende Malerei?

Das ist möglich.

Auch möglich ist, dass die damaligen Künstler das, was sie mit bloßem Auge erkennen konnten, in ihren Werken intensiviert darstellen mussten, denn wer sich das Tuch heute ansieht, dem ist klar, dass ansonsten eine realistische Wiedergabe damals nur ein Tuch mit Brandflecken und einigen nebulösen Schatten gezeigt hätte.

Kein Grabtuch vor 1355

Vor seinem Auftauchen in der Kapelle von Lirey im Jahre 1355 habe niemand einen signifikanten Beweis für die Existenz des Tuches gefunden.

Ja, das lässt den Gedanken aufkommen, das Tuch stamme eben doch aus dem Mittelalter.

Das ist möglich.

Tutanchamuns Grab wurde 1922 entdeckt. Bis dahin hatte es keinerlei Beweis für seine Existenz gegeben.

Auch stellt sich mir die Frage: Welche (nach Freemans Meinung) NICHT signifikanten Beweise wurden denn gefunden? Schade, dass er sie uns "unterschlägt".

Blutige Spuren

Der Mensch auf dem Tuch weist die blutigen Spuren und Verletzungen einer Kreuzigung und vorheriger Folter auf.

In den Zeiten vor "Auffindung" des Tuches, so führt Freeman an, habe es nur "unblutige" Darstellungen des Gekreuzigten gegeben. Erst später - ausgelöst durch Kreuzigungsvisionen von Heiligen der damaligen Zeit, sowie einem erneuertem Studium der Passionsdarstellungen in den Evangelien - habe sich dies geändert. Und diese neue Ikonographie habe der Maler des Tuches übernommen.

Das ist möglich.

Auch möglich ist die umgekehrte Variante: Die Auffindung des Tuches, seine Ausstellung und die vielfältige Wiedergabe dessen, was darauf zu erkennen ist, haben eben genau diese neue Ikonographie erst ausgelöst.

Stoffproben

Ja, die diversen Untersuchungen des Stoffes selber - ein sich inzwischen über viele Jahrzehnte spannendes Feld.  Hierzu hat Freeman mannigfaltige Details zusammengetragen. Vereinfacht: Man habe Farbpigmente auf den untersuchten Stoffproben gefunden. Man habe keinen Hinweis auf Blutbestandteile auf den Proben gefunden. Man habe im Radiocarbontest von 1988 festgestellt, dass die untersuchte Probe aus dem Mittelalter stammen müsse. Es handele sich bei dem Stoff um eine Webart, wie man sie aus der Antike sonst nicht kennt, und die eher im Mittelalter verankert sei. Und Spuren von Baumwollfasern im Stoff wiesen ebenfalls eher auf eine Herstellung im Mittelalter hin.

Das sind harte Fakten. Und insbesondere einen bestimmten Widerspruch möchte er gleich vorweg ausgeschlossen sehen: Dass nämlich jener Teil des Tuches, aus dem die Proben genommen wurden, "verunreinigt" gewesen sein könnten, bzw. nicht wirklich Teil des ursprünglichen Tuches gewesen seien. Darauf gebe es keine schlüssigen Hinweise.

Gut, hier muss mein eigener Widerspruch aus Mangel an Fachwissen schweigen. Aber:

Es gibt ja wissenschaftlichen Widerspruch zu seinen Thesen. Hier einige Beispiele (ich habe übrigens bewusst nur säkulare Medien herangezogen, denen eben nicht zu unterstellen ist, unbedingt etwas "beweisen" zu wollen):

Da haben wir einmal 
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/chemische-analyse-turiner-grabtuch-koennte-echt-sein-a-338776.html
(ein zugegeben schon etwas älterer Artikel)

http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-17203-2014-02-12.html
(aus dem Jahr 2014)

http://www.n24.de/n24/Wissen/History/d/4270866/das-grabtuch-von-turin-koennte-echt-sein.html
(auch aus 2014)

Der Sinn der Malerei

Ein wie ich fand hochinteressanter Aspekt bei Freeman ist die Frage nach dem SINN eines solcherart bemalten Tuches. Das Wort "Fälschung" wird ja gerne in den Ring geworfen, aber so wirklich erklären, weshalb sich damals jemand die Mühe einer so "raffinierten" Fälschung gemacht haben sollte, darauf hat (zumindest bei meiner Recherche) niemand auch nur den Versuch einer Antwort geleistet.

(Und dass mir niemand hier etwas von "der bösen Kirche" sage, denn genau dort saßen zu Anfang die schärfsten Gegner einer Tuchverehrung, und bis heute ist die offizielle Haltung der kath. Kirche, das Grabtuch von Turin als "verehrungswürdige Ikone" zu bezeichnen.)

Freeman dagegen zaubert eine hochinteressante Erklärung aus dem Ärmel: Es habe zur damaligen Zeit, und lange darüber hinaus, den Brauch gegeben, zu Ostern in den Kirchen eine "Inszenierung" der Auffindung des leeren Grabes zu gestalten, während derer auch ein solches (bemaltes) Grabtuch vor den Gläubigen gezeigt und ausgebreitet wurde.

Und um ein solches "Grabtuch" handele es sich auch bei dem Tuch in Turin.

Keine böswillige Fälschung also, sondern eine für die Osterfeier angefertigte Malerei, die in späteren Jahrhunderten misinterpretiert wurde.

Ich gebe zu: Damit hätte er mich fast überzeugt. Und dann regte sich doch auch hier wieder mein Widerspruch.

Eine Malerei für die Osterzelebration. Ja. Gut. Klar. Und natürlich gibt es Künstler und KÜNSTLER, also solche, die nur eine sehr grobe Darstellung des Gekreuzigten zustande brachten, und solche, die in der Lage waren, ein wahres Kunstwerk zu schaffen. Und hier war eben ein KÜNSTLER am Werk.

Nein. Tut mir leid, aber einen Sinn ergibt das nicht: Weshalb sollte ein Künstler, der den Auftrag hat, ein Tuch für diesen kirchlichen Anlass herzustellen - also für die Zurschaustellung vor dem Kirchenvolk - warum sollte dieser Künstler ein Bild malen, das erst als Fotonegativ seine wahre und klare Gestalt annimmt? Und das Jahrhunderte vor der Erfindung der Fotografie?

Das ergibt nun wirklich keinen Sinn.

Widerspruch, nicht Widerlegung

Hier will ich mit meinen Widersprüchen aufhören. Und etwas erklären:

Es ist mir wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es Widersprüche sind - keine Widerlegungen. Der Unterschied ist wesentlich: Ein Widerspruch sagt
"So könnte es aber AUCH sein."

während eine Widerlegung sagt
"Nein - nur SO kann es sein."

Freeman kann mit allem, was er sagt, völlig richtig liegen. Doch meine eigenen und die weit wichtigeren Widersprüche von Fachleuten sollen zeigen: Es muss aber nicht notwendig so sein.

Abschließende Fragen

Nachdem ich hier geschrieben und zahllose Internetseiten besucht habe, geht mir die Frage nicht aus dem Kopf, weshalb sich dieses Stück Stoff so vehement einer endgültigen und klaren Aussage über seine Natur widersetzt. Es ist im wahrsten Wortsinn un-fassbar.

Und eine zweite Frage beschäftigt mich: Weshalb bin ich bei meiner Internetrecherche auf unzählige Seiten gestoßen (die ich hier nicht verlinken werde), in denen ein solcher Hass auf das Tuch in Turin vorherrscht, dass einem "ganz anders" wird. Zweifel - ja. Ablehnung - ja. Spott - meinetwegen auch das. Aber woher dieser abgrundtiefe Hass - sowohl auf das Tuch als auch auf all jene, die an seine Echtheit glauben?

Jemand meinte kürzlich in einem anderen Zusammenhang zu mir: Hass generiert sich oft aus Angst.

Dieser Hass, den es bei manchen Gruppen auslöst, und jene Un-fasslichkeit, mit dem es sich dem menschlichen Verständnis entzieht - es mag seltsam klingen, aber tatsächlich erscheinen mir diese beiden Dinge als die besseren Hinweise auf eine mögliche Echtheit des Grabtuchs von Turin als alle wissenschaftlichen Erklärungsversuche.


Leseempfehlung
Wer sich ein wenig genauer informieren möchte, findet bei der Uni Köln interessanten Lesestoff.
http://www.ikp.uni-koeln.de/user/endres/shroudofturin/index.php?content=legende

Und wen es nicht stört, es hier mit einem absoluten Verfechter der Echtheit des Tuches zu tun zu haben, der mag sich einmal von Paul Badde das Buch
"Das Grabtuch von Turin"
kaufen. Es ist allemale interessant, seiner "Beweisführung" zu folgen, und seine - von ihm selbst stammenden - Bilder sind hervorragend.
 




Mittwoch, 15. April 2015

Farmville - und das wahre Leben

Das Spiel "Farmville" dürfte jedem Facebook-Nutzer ein Begriff sein. Auch wenn er/sie/es noch nie "Farmville" gespielt hat und sich nicht einmal etwas rechtes darunter vorstellen kann - zumindest den Namen hat sicher jeder schon gelesen, und sei es nur als Werbeeinblendung auf seiner Wall, oder weil Freunde es spielen.

Ich oute mich hiermit jedenfalls heute als "Farmville II"-Spieler. Das ist die noch süßere, noch zuckrigere, noch herzigere Nachfolgeversion vom Originalspiel. Darin haben Farmer und Tiere laufen gelernt. Soll natürlich heißen: Das bis dahin sehr statische Spiel wurde hochgradig animiert.

Eine Weile macht das Spaß. Das ist alles so nett. Und so vorhersehbar. Die Erdbeeren sind in 24 Stunden reif, der Roggen schon in 60 Minuten. Frischwasser gibt es alles 4 Stunden neu, und gelegentliche "Challenges" wie Wettbacken, Wettnähen oder Entenrennen sorgen für...

Ja, wofür eigentlich? Für "Spannung, Spaß und Spiel", wie es mal in einer Schokowerbung hieß?

Nö, nicht wirklich.

Also was ist los? Warum finde ich das Spiel inzwischen nur noch stinklangweilig? Es hat doch alles, was man sich im wirklichen Leben wünscht, aber nicht bekommt:

- eine stetige Schönwetterzone
- glückliche Tiere, die nie einen Schlachter sehen, sondern nur auf einer entfernten Wiese ausgesondert werden, sobald sie nutzlos geworden sind
- glubschäugige und pausbäckige Kinder, die schon im zartesten Alter fleissig mitarbeiten und denen das süße Lächeln ins Gesicht gemeißelt steht.

Und wer sich anstrengt, wird auf jeden Fall mit Erfolg, Geld und noch mehr Land belohnt.

Toll ist das. Und sowas von *gähn* langweilig.

In letzter Zeit ertappe ich mich immer öfter dabei, dass ich die Story umschreiben möchte. Ganz böse bin ich dabei, wenn ich mir Sachen überlege wie

- Eine Dürre lässt die Erdbeeren auf dem Feld verdorren. Die Ernte ist hin.
- Ein Sturm entwurzelt die Hälfte aller Bäume. Der Bauer muss einen Kredit aufnehmen und neue Bäume kaufen.
- Der Bauer fällt über einen liegengebliebenen Ast und bricht sich das Bein. Nun muss er Erntehelfer aus Polen anwerben, die seine Arbeit tun.
- Die Bäuerin bandelt mit einem der knackigen Erntehelfer an...

Ich könnte noch eine Weile so weitermachen, aber zuviel Einsicht in die Abgründe meiner Seele will ich nun auch wieder nicht geben.

Bin ich nun aber wirklich so ein schlechter Mensch, wenn ich den glubschäugigen Farmville-Farmersleuten so übel mitspielen möchte - und das nur, weil ich mich langweile?

Aber sind diese Leutchen denn wirklich glücklich? Anders gefragt: Kann ein Mensch wirklich glücklich sein, oder nennen wir es "erfüllt", wenn er in einem zu 100% verlässlichen Universum - also eigentlich der Erfüllung all unserer Sehnsüchte - lebt? Oder wird mein kleiner Farmer irgendwann vor lauter Süße und Verlässlichkeit und mangels jeder echten Lebens-"Challenge" zu einem wahnsinnigen Gremlin mutieren, den man bei strahlendem Sonnenschein ins Wasser geschubst und anschließend noch einen Mitternachtssnack verpasst hat?

Wir wachsen an den "Challenges", also den Herausforderungen in unserem Leben. Und dabei rede ich nicht von einem Backwettbewerb oder "wer verkauft 50 Tupperwaredosen in 3 Tagen?", sondern ich meine jene Dinge, die uns meist erst mal einen heftigen Fluch entlocken. Weil WIEDER mal nichts so läuft, wie wir es geplant haben. Weil die Grippe mal WIEDER den besten Zeitpunkt erwischt hat. Weil auch größter Einsatz nicht immer auch Erfolg verheißt. Weil eben immer tausend Dinge schiefgehen können. Weil... Weil... Weil...

Weil wir - zusammengefasst gesagt - gefühlt dreimal täglich heftig (Entschuldigung) auf die Schnauze fallen.

Vielleicht mag man da mal von der heilen Farmville-Welt träumen. Aber nur eine Weile. Dann wirds langweilig. Sogar virtuell.

Schwierigkeiten, Probleme, Rückschläge, Hinfallen und sogar Ungerechtigkeiten gehören nicht nur zum Leben. Sie sind sogar der Motor, der uns (um)treibt. Entscheidend ist wohl nur, wie wir letztlich damit umgehen.

Was aber nicht bedeutet, dass ich beim nächsten Mal nicht auch wieder herzhaft fluchen werde. Um mich anschließend aufzuraffen und weiterzumachen.

Es ist schon komisch, dieses wahre Leben.

Freitag, 10. April 2015

Hitler - Vorbild für die Jugend

Nein, ich bin nicht verrückt geworden. Allerdings habe ich eine Wut im Bauch wie schon sehr lange nicht mehr. Und um ehrlich zu sein: Ich bin nicht mal sicher, ob es nur Wut ist.

Eben ging ich durch die Stadt. Vor mir gingen einige Jugendliche, irgendwo zwischen 14 und 16 Jahre alt.

Das darf man ja eigentlich nicht sagen, heute, und in Deutschland, aber ich beschreibe die Jugendlichen jetzt einfach mal als "Südländer".

Sie sprachen über Hitler. Warum? Ich weiß es nicht.

Jugendlicher Nr. 1 war wohl nicht so ganz überzeugt von Hitlers Vorbildcharakter. Daraufhin sagte Jugendlicher Nr. 2 zu ihm:
"Aber der wollte die Juden töten, und das hat er auch geschafft."
Um das klarzustellen:
Er sagte nicht
"Aber der wollte die Juden töten, und das hat er auch getan"
sondern er sagte geschafft, und zwar im bewundernden Tonfall.

Jugendlicher Nr. 1 wandte noch ein:
"Aber der hat doch auch Kranke und so..."
was dann von Jugendlichem Nr. 2 mit einem
"Ja, ok, aber, naja..."
und einem Achselzucken abgetan wurde. Kolleratalschäden sozusagen. Hauptsache, er hat es geschafft, die Juden zu töten. So, wie er es sich vorgenommen hatte.

Mehr habe ich vom Gespräch nicht mehr mitbekommen. War wohl besser so.

In Deutschland. Hier in der Stadt. Auf offener Straße.

Und nicht etwa von einigen wilden Salafisten.

Sondern von durchaus integriert wirkenden Jugendlichen, die akzentfreies Deutsch sprachen.

Woher kommen die zu einer solchen Einstellung?

Sicher lernen sie es nicht in der Schule. Auch wenn die am Gesprächsthema "Schuld" sein könnte, denn vom Alter her wäre es zumindest möglich, dass man in ihrer Klasse gerade den Nationalsozialismus "durchnimmt".

Aber die Einstellung, Hitler und seine "Judenlösung" mit Bewunderung zu betrachten (und wahrscheinlich auch nachahmenswert zu finden), die stand wohl eher nicht im Lehrstoff.

Also, woher?

Familie?
Moschee?
Internet?

Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine Mischung aus allen dreien handelt, dürfte hoch sein.

Bin ich islamophob?

Noch würde ich verneinen. Aber man kann es werden, nach solchen Erlebnissen.

Und vielleicht ist es ja auch ein subjektiver Wahrnehmungsfehler, wenn ich anschließend das Gefühl habe, mehr halb- und vollverschleierte Frauen und Mädchen im Straßenbild wahrzunehmen als je zuvor.

Irgendwie hab' ich gerade ein wenig die Schnauze voll. Übrigens auch von den Deutschen. Es sind ja die gleichen Wetterfähnchen, die noch bis vor 10 Jahren eifrig darauf bedacht waren, den tatsächlichen oder erfundenen jüdischen Vorfahren in ihrem Familienstammbaum zu erwähnen, um sich so von der Schuld des Tätervolks zu befreien, die heute palästinenserfähnchenschwingend in den Straßen die Vernichtung Israels herbeizuschreien suchen.

"Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen möchte." - Wer immer das gesagt hat, heute verstehe ich ihn.

Donnerstag, 9. April 2015

Leidartikel - oder: Och nöööö...

Ein Leitartikel soll und darf die Beiträge zum Tagesgeschehen kommentieren. Nur mag man manchmal doch anraten, vor dem Niederschreiben des Kommentars folgende vier Punkte abzuhaken:

  1. Beitrag lesen
  2. Beitrag noch mal lesen
  3. Über Beitrag nachdenken
  4. Eigene Denk- und Gefühlsautomatismen einer Prüfung unterziehen.
Ansonsten riskiert man, dem abgeneigten Leser einen solchen *** vorzusetzen:

Unser Leidartikelverfasser fühlt sich zur Verteidigung unschuldiger Lufthansa-Uniformen aufgerufen. Denn gemäß seiner Lesart des Beitrags zur anstehenden zentralen Trauerfeier für den Germanwings-Absturz erfahren diese unschuldigen Uniformen Ächtung und Diskriminierung.

Ächtung, weil sie auf der Trauerfeier im Kölner Dom nicht geduldet werden.
Diskriminierung, weil gleichzeitig Uniformen von Polizisten und Feuerwehrmännern ausdrücklich erlaubt seien.

(Kleiner Einschub: Es gibt übrigens auch FeuerwehrFRAUEN, lieber Herr Leidartikelschreiber - wenn wir denn schon die Diskriminierungskeule aus dem Schrank holen wollen!)

Und natürlich weitet unser Verfasser Ächtung und Diskriminierung auf die Lufthansa-Mitarbeiter aus. Wenn man sich schon zum Verteidiger der Verfolgten und Entrechteten aufschwingt, muss schon mehr als nur ein Stückerl Stoff dahinterstehen.

Fein. Man KÖNNTE jetzt natürlich sagen: Recht hat er! Das geht ja wirklich gar nicht!

Man KÖNNTE auch den von ihm kommentieren Beitrag einfach noch mal in Ruhe lesen und schauen, ob wir da nicht vielleicht mal die heiße Luft ablassen können:

Schauen wir mal:
  1. Die Lufthansa-Uniformen werden durchaus geduldet (und verboten werden sie schon mal gleich gar nicht). Es handelt sich stattdessen um eine EMPFEHLUNG der Staatskanzlei.
  2. Zu dieser EMPFEHLUNG hatten Psychologen geraten, die sich Sorgen um die trauernden Angehörigen machen, da sie befürchten, die Uniformen des Flugpersonals könnte für diese eine zusätzliche nervliche Belastung sein.
  3. Ein solches Problem sieht man bei anderen Uniformen (Polizei oder Feuerwehr) verständlicherweise nicht. 
Punkt. Das ist alles.

Der Verfasser unseres Leidartikels sieht in diesem Vorgehen eine unzumutbare Diskrimierung, eine Ächtung der Lufthansa- und Germanwingsmitarbeiter, eine Verurteilung Unschuldiger.

Ich sehe darin nur die Empfehlung an jene Mitarbeiter von Lufthansa und Germanwings, welche die Trauerfeier besuchen möchten, ihre Uniformen zu Hause zu lassen, und zwar mit Rücksicht auf die trauernden Angehörigen, für die dieser Anblick noch eine zusätzliche und schmerzliche Erinnerung sein könnte.

Der Sturm im Wasserglas, den unser Verfasser daraus macht, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Aber über irgendwas muss man sich ja heute aufregen. Und "Diskrimierung" klingt als Schlagwort immer gut.



Montag, 6. April 2015

Schlaflose Schreiberlinge zu Ostern

In unserer Rheinischen Post gab es in der Ausgabe zum langen Osterwochenende einen ganzseitigen Artikel zur österlichen Auferstehung mit dem Titel
ERWACHT

In der Zeitungsausgabe versehen mit Rembrandts "Die Auferstehung Christi", in der oben verlinkten Onlineausgabe immerhin noch mit einem hübschen Osterglockenfoto.

Laut Titelzeile handelt der Artikel also von der Auferstehung aus dem Grab und fragt "Ist das möglich?". Der Autor titelt weiter:
"Zu Ostern wird die kindliche Freude des Glaubens maximal gefordert. Wir sollten sie zulassen, denn das Erwachen als kleinste Erlösung vom Tod erleben wir selbst - jeden Morgen neu."
Okay, eine nette Metapher, und sicher ein guter Übergang zum eigentlichen Artikel über die Auferstehung Christi, die hier beleuchtet werden sollte. Vielleicht positiv, vielleicht negativ - ich war jedenfalls interessiert und vergrub mich in den 6spaltigen Artikel.

Ich erfahre, wie es ist, beim Aufwachen aus den Träumen gerissen zu werden, eine Erfahrung, die je nach Art des Traumes positiv oder negativ sein kann.

Ich erfahre, dass es Leute gibt, die nach dem Aufwachen ihrem Herrgott danken, weil es eben auch andere Leute gibt, denen dieses Glück nicht beschieden ist.

Gut, eine etwas sehr lange Einführung, aber jetzt kommen wir endlich zum Thema:

"Da soll einer nach einem todsicheren Tod am dritten Tag nicht mehr im Grab gelegen haben."
Und kurz darauf stellt der Autor Vermutungen an, wie ein solches Vorkommnis wohl heute von den Medien "aufgemacht" würde. Um dann festzustellen, dass Jesu Todesnachricht damals ja ein "bloßer optischer Befund von Laien" gewesen ist. Krisensichere Diagnostik war das nicht, und selbst jetzt gab es ja gerade den Fall einer "Toten", die beim Bestatter wieder zu sich kam.

Dann kommt der Autor aber doch endlich zur Sache: Es geht um den Glauben, schreibt er, um das Mysterium, um unser Glaubensbekenntnis. Eine Botschaft, die ein Wachmacher sein könnte, wenn nicht die Christen selbst sehr oft lieber weiterschlafen wollen, vorzugsweise sonntags.

Ein guter Ansatz. Hier hätte man anknüpfen können. Doch plötzlich findet der Leser sich bei den Schlafmedizinern und deren Ratschlägen über vernünftiges Schlafverhalten wieder.

Wir sind inzwischen in Spalte 3 von 6.

In den nächsten drei Spalten wird uns der Autor unterhalten mit Exkursen über "Schlafsünder" und "verkorkste Schlafarchitektur". Über Schlaflosigkeit und Schlafunterbrechungen. Über Schäfchenzählen, Tiefschlaf, Traumphase und Schlafkrankheit. Er wird uns über das Aufwachen am Morgen erzählen, über Insomniker, Narkoleptiker, Restless-Legs-Kranke und Nachtangst. Und er wird über die rechte Schlaftiefe fabulieren, uns auf Schlafapnoe hinweisen, und auf den Sekundenschlaf am Steuer.

Nach alledem muss der Autor kurz aufgewacht sein, denn in Spalte 6, kurz vor Artikelende, beginnt er
"Nun sind wir aber unösterlich abgeschweift..."

Kurz atme ich auf: Jetzt werden wir erfahren, zu welcher österlichen Erkenntnis der Autor uns führen wollte.

Der Autor schlägt tatsächlich jetzt einen interessanten Bogen:
Über Orkan Niklas und die Zeitumstellung, hin zu den Frühlingsblumen und Frank Wedekind. Über den Frost auf den Feldern und unserer biologischen Uhr hin zu der Aufforderung, der Leser möge nunmehr erwachen, dies als Feier des Lebens begrüßen und die Plagen der Nacht unters Bett zu packen.

Ich finde es immer wieder schön, einen guten Artikel zu christlichen Themen zu lesen.

Das war er nicht.

Aber vielleicht hat der Autor ja nur geträumt, er würde einen Artikel über Ostern schreiben?

Sonntag, 5. April 2015

Die zweigeteilte Betroffenheitsskala

Es fällt auf, heute in der Tageszeitung:

Da haben wir die Seite zu den Auslandsnachrichten. Ein großer, mehrspaltiger Artikel zu Obamas Kritikern und ihrer Reaktion auf den Atomdeal mit dem Iran.

Ein Dreispalter über 70.000 Gastarbeiter in Kanada, die aufgrund der dortigen Arbeitssituation vielleicht bald das Land verlassen müssen.

Ein Zweispalter immerhin noch zu Nordkoreas "großem Führer" Kim, wie er sich als Pilot feiern lässt. Kim der Unfehlbare halt.

Und ein größerer Artikel zu Premier Cameron und den anstehenden Wahlen der Briten.

Ja, und dann ist da noch der verschämte kleine, einspaltige Artikel. Er steht am linken, unteren Seitenrand, also dem Seitenteil, den erwiesenermaßen der Zeitungsleserblick am ehesten übersieht.

Dieser kleine Beitrag berichtet vom Massaker an einer kenianischen Universität. 147 tote Studenten. Christliche Studenten. Gezielt ausgewählt, denn es gbt sowohl Muslime als auch Christen an dieser Uni. Es war nicht der Amoklauf eines Irren. Es war ein Anschlag der somalischen Islamistengruppe "Al Schabaab".

Gut, nun kommen natürlich wieder jene Stimmen, die mir sagen werden "Wir können doch nicht über alle Toten auf dieser Welt in Tränen ausbrechen." Das klingt logisch. Auf den ersten Blick. Aber...

147. Fast die gleiche Opferzahl gab es beim Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine. Wie viele dieser Menschen kannten wir persönlich? Trotzdem hingen wir an den Lippen der Berichterstatter und Talkshow-Leute.

Kann man nicht vergleichen? Wieso nicht? Weil es hier Deutsche betrifft, und ein deutsches Flugzeug, und eine deutsche Fluglinie?

Okay, dann ein anderes Beispiel:

Der Anschlag auf den Boston Marathon 2013. 3 Tote, über 200 teils Schwerverletzte.

Kann man das vergleichen? Ja, ich denke schon.

Nur die Reaktion - die kann man nicht vergleichen. Der Boston-Anschlag dominierte die Medien tagelang. Das Mitgefühl mit den Opfern war immens. Im Westen eine Stimmung à la "Je suis Charlie". Und der Kenia-Anschlag?

Anderer Vergleich:

Stellen wir uns für einen Moment eine Schule vor, irgendwo in Deutschland, oder irgendwo in den USA, oder meinetwegen auch irgendwo in England, oder Frankreich.

Und stellen wir uns vor, eine Horde islamistischer Terroristen stürmt diese Schule und entführt 270 Mädchen. Einfach so. Man geht als sicher davon aus, dass die Mädchen zwangskonvertiert wurden, teils als Unterpfand gehalten werden, teils verkauft (!) oder verheiratet wurden.

So geschehen in Nigeria vor einem Jahr. Wäre unser angenommener "Fall" ein Jahr später ebenso in Vergessenheit geraten?

Wer erinnert sich heute noch an "#Bringbackourgirls"?

Es ist eine seltsame Zweiteilung auf dieser Welt, die nichts mit tatsächlicher Distanz zu tun hat: Da ist die eine Hälfte unserer Welt, der sogenannte "Westen", was immer das auch heißen mag. Was dort geschieht, und sei es noch so weit entfernt, löst bei uns große und nachhaltige Betroffenheit aus und regt unsere Empathie an. Gleiche oder ähnliche Ereignisse in Afrika, oder in Ländern wie Syrien, dem Irak oder meinetwegen auch Indien oder Pakistan, landen dagegen recht weit unten auf unserer Betroffenheitsskala.

Glaubt ihr nicht?

Denkt euch mal ein Fähre voller europäischer Touristen, die vom italienischen Festland aus einen Inselausflug nach Lampedusa machen. Die Fähre geht mit Mann und Maus unter.

Und nun denkt euch ein Flüchtlingsboot, das vom afrikanischen Festland aus auf dem Weg nach Lampedusa ist. Das Flüchtlingsboot geht mit Mann und Maus unter.

Die Berichterstattung zum zweiten Fall kennen wir. Die Berichterstattung zum ersten Fall können wir uns vorstellen.

Der Tod des einen ist nachrichtenträchtiger als der Tod des anderen.

Damit könnte ich leben.

Ich fürchte nur, es bedeutet gleichzeitig, dass auch das Leben des einen wertvoller angesehen wird als das Leben des anderen.

Freitag, 3. April 2015

Der Tanz um Karfreitag

Ein Tag im Jahr. Ein einziger Tag im Jahr ist Karfreitag. Ein Tag der Stille für Christen. Ein Tag, an dem Christen trauern. Wenn auch weiß Gott nicht mehr das Gros unter ihnen.

Und noch ist der Staat wenigstens hier auf "ihrer Seite". Ruhe ist geboten. Ruhe, anstelle von lauter Musik, Tanz und Party.

Ein Tag im Jahr.

Aber es geht nicht.

Die Kirche will uns etwas verbieten? "Nein!", schreien sie, und selbst, wenn sie das ganze restliche Jahr niemals den Weg auf eine Tanzfläche finden - heute muss er her, der Tanzprotest.

Aber warum?

Was tut die Kirche ihnen denn an?

Gebietet die Kirche ihnen, an der Karfreitagstrauer teilzunehmen?

Nein. Das könnte sie gar nicht. Und Schauspieler braucht die Kirche nicht.

Sie bzw. der Staat weisen stattdessen darauf hin, dass heute, an diesem einen Tag im Jahr, ein Teil der Christen im Lande die Stille und die Trauer des Karfreitags leben wollen, und dass es hierzu die Rücksicht der anderen braucht.

Aber die Rücksicht, und die Empathie - sie werden heute mehr und mehr überdeckt von einem rigorosen Selbstverwirklichungswahn. Irgendwann hat man begonnen, sich einzureden, dass ein tanz- und partyfreier Tag im Jahr dieser Selbstverwirklichung im Wege steht - nein: Dass es die Kirche, dass es die Christen sind, die sich dieser Selbstverwirklichung in den Weg stellen.

Wir alle feiern das Leben. Auch die Christen. Und das ist richtig.

Aber die Christen gedenken auch des Todes. Damit werden viele heute nicht mehr fertig.

Eine traurige Entwicklung. Und ein Denken, das am Ende nicht trägt.