Samstag, 25. Juni 2016

Marmite, Marmalade & Mint Sauce. Ein Englandfan und der Brexit.

Ein Flug nach London war die erste Auslandsreise meines Lebens. Und ich habe mich in diese Stadt verliebt. Das immer wieder gerne beschworene Bild des Mit- und Nebeneinander der verschiedenen Gesellschaftsschichten habe ich damals, und später immer wieder, tatsächlich so erlebt. Da saß der Geschäftsmann in Anzug und Bowler neben dem Punk (ja, dieser erste Besuch ist lange her) mit grünen Haaren in der Underground, und niemand hob auch auch nur eine Augenbraue darüber.

Mein Vater arbeitete im hiesigen britischen Headquarter - inzwischen sind sie abgezogen, das Gelände verfällt vor sich hin - und da man damals noch ungehindert in den NAAFI-Läden einkaufen könnte, entwickelte ich eine Vorliebe für Marmite, bittere Orange Marmalade, Cadbury Dairy Milk Chocolate und Cheddar Cheese, die für die meisten Deutschen wohl nie so ganz nachvollziehbar sein wird.  Nur bei (Wild)Schwein mit Mintsoße halte ich es eher wie Obélix und sage "Die spinnen, die Briten."

Und nun hat mich der Brexit kalt erwischt. Ich war mir sicher: Dazu wird es nie im Leben kommen; alles nur Panikmache.

Ich hörte, dass zwei Stunden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses vermehrt innerhalb des UK bei Google die Anfrage "Was passiert bei einem Brexit?" aufgerufen wurde. Gut, natürlich kann man sagen, dass es sich hierbei auch um solche Menschen handeln kann, die Nein zum Brexit gewählt haben und nun herausfinden wollen, wie es weitergeht. So ganz glaube ich das nicht. Denn ich halte die - leider nur knappe - Hälfte der Wähler, die für den Verbleib in der EU stimmten, für die informiertere Seite. Die werden größtenteils verstanden haben, was ein Ausstieg aus der EU bedeutet.

Ich habe die Vermutung, dass ein Teil der "Nein zur EU"-Wähler gar nicht mit einem Sieg ihrer Seite gerechnet haben. Sie wollten mit ihrer Stimme der eigenen Regierung und, ja, auch der EU, eine kleine Breitseite, einen Denkzettel verpassen. Konsequenzen aber sollte das nicht haben.

Andere Brexit-Befürworter wiederum wollten natürlich, dass ihre Seite gewinnt. Sie waren so aufgepeitscht von der Meinungsmache eines Boris Johnson, und eines Nigel Farage, dass sie über deren Parolen nicht mehr hinausdenken konnten. Viele von ihnen werden bereits ein erstes böses Erwachen erleben:

Boris Johnson kümmert sich an einem solchen Tag lieber um sein Cricketspiel.

Und Nigel Farage gibt nur wenige Stunden nach dem Brexit zu, sein Versprechen, dass 350 Millionen Britische Pfund nach dem Brexit statt an die EU an das staatliche Gesundheitssystem gehen würden, ein FEHLER war und er dieses Versprechen also nicht würde einhalten können. Na, wenn das kein Wahlbetrug war, dann weiß ich es auch nicht.

Angesichts der Tatsache, dass dieses Versprechen einer DER Wahlkampfslogans für den Brexit war, ist das schon ein Grund für seine Anhänger, "not amused" zu sein.

Da mag es tatsächlich manchem Ja-Wähler flau werden, wenn er sich zum ersten Mal die Frage stellt "Was hab' ich getan?".

Es gibt bereits eine Online-Petition, mit der in diesem kurzen Zeitraum bereits über 1,5 Mio. Briten ein zweites Referendum fordern.

Selber schuld?

Ach, ich weiß nicht. Die Einpeitscher gegen die EU, die mit faulen Fakten und viel Hass auf andere (gepaart mit einer guten Portion Eigenliebe) daherkommen - die gibt es in jedem Land, und solche, die sich nach einem vereinfachten Weltbild sehnen und ihnen auf den Leim gehen, ebenso. Wie sagte doch Frau von Storch von der deutschen AfD gestern so schön: "Ich habe geweint vor Freude." Über den Brexit nämlich. Das sind die Leute, die bei den nächsten Wahlen in Deutschland auf Stimmenfang gehen werden, und die sie auch bekommen werden. Pfui Deibel.

Man möchte sie ja alle auf den Mond schießen. Aber der will sie bestimmt auch nicht. Außerdem würden neue Einpeitscher nachfolgen. Denn wie sagte Einstein doch so schön:
"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht sicher."

Sonntag, 19. Juni 2016

Im Hubschrabbschrabb über MG

Ein Frühstück in einer alten Mühle brachte mir die Frage ein, ob ich nicht in einem Hubschrauber über Mönchengladbach fliegen wollte. (Die Geschichte ist lang, aber irrelevant; also schenken wir uns das hier.)

Natürlich wollte ich.

Eine Rundflugaktion, die so in MG nur heute stattfand, die aber das Jahr über durch ganz Deutschland reist.

Kurz etwas zum Veranstalter: Die "Prime Promotion GmbH (www.facebook.de/hubschraubertag) führt dies zur Werbung für die Reiner Meutsch Stiftung Fly and Help durch. Bitte schaut euch die Seite einmal an - Spenden gehen 1:1 in den Aufbau von Schulen in Entwicklungsländern. Gerade wurde der Bau der 100. Schule (in Nepal) abgeschlossen. Und es zeigt wieder, dass auch ein einziger Mensch die Welt verbessern kann. Und dies ist kaum nachhaltiger möglich, als durch den Zugang zu Bildung!

Der Flug dauerte 20 Minuten, aber er verging... naja, wortwörtlich, wie im Fluge. Es war ein tolles Erlebnis. Jetzt aber zu meinen Fotos:











Anflug auf den Braunkohleabbau Garzweiler:















Und zurück zum Flüghafen Mönchengladbach:





Freitag, 17. Juni 2016

Kommentarspalten - der virtuelle Stammtisch der Vollpfosten und Menschenverachter

Kommentarspalten zu Online-Artikeln lese ich nur selten. Aus Gründen. Jetzt habe ich sie doch wieder einmal gelesen. Ein Anflug von Masochismus? Oder nur, um mich zu erinnern, dass ich Gründe hatte, sie nicht mehr zu lesen?

Schlimm ist, wenn Kommentare zu einem Artikel, der etwas - in meinen Augen - positives berichtet, den Sachverhalt verbal in den Dreck ziehen.

Schlimmer, viel schlimmer, aber ist es, wenn Kommentare zu einem Artikel, der ohnehin schon Widerliches beschreibt, diesen noch übertreffen.

Nehmen wir einen Artikel, der gestern in der Rheinischen Post erschien:
"Englische Fans demütigen bettelnde Kinder."
Eine ziemlich, naja, wie gesagt, widerliche Geschichte. Wie auch der Artikel richtig feststellt: So auch schon geschehen durch eine Gruppe niederländischer Fußballfans im letzten Jahr.

Es geht nicht um Briten oder Niederländer, ja, nicht einmal um Fußballfans. Ich bin sicher, solche Szenen gibt und gab es auch durch andere Gruppen Betrunkener, nur ist in Städten, die Austragungsort großer Fußballereignisse sind, die Medienpräsenz so hoch, dass solche (Un-)Taten  überhaupt in unseren Nachrichten landen können.

Was erwartet nun der naive Mensch (= ich) in der Kommentarspalte zu einem solchen Artikel zu lesen? Naja, das war leicht zu erraten:
"Typisch, die Engländer mal wieder - und natürlich besoffen."
"Die armen Kinder."
"Gemeinheit, sowas."
"Der Fußball ist an allem Schuld."
etc.

Was bin ich blöd! Oder auch: Wie wenig habe ich verstanden, welcher Abschaum sich heute in den Kloaken der Kommentarspalten suhlt!

Zitate gefällig? Hier, bitte:
..das ist alles nur Diebespack und für Demut oder gar etwa Mitleid ist da wirklich Null Platz! Dabei ist egal von dem die "Kinder" gesteuert werden. Und das mal die Engländer ihren Spass hatten ist ja eher die Ausnahme...meist lachen die Kinder wenn sie erfolgreich gezogen haben. Zero Toleranz... daher auch mitlachen...
 Man muss das Verhalten der englischen Hooligans nicht gut finden, aber überschäumendes Mitleid mit den armen, armen Kleinen ist völlig unangebracht.
Dabei kletten sich die Leute an Kulturen, in denen Wohlstand aus Arbeit entstanden ist, und nisten sich dort quasi parasitär ein. Sie selber, auf dem Hintergrund ihrer "Kultur", inmitten ihresgleichen, wären nicht überlebensfähig.
(was alles nicht das Verhalten britischer "Fans" entschuldigen soll).
so traurig das ganze ist, aber in der Tat bekommen das die Kids von Ihren Eltern beigebracht. Wer bettelt muss sich ein dickes Fell zulegen, sonst geht er daran zu Grunde, wie der Notarzt, der seine tagtäglichen Erlebnisse Momente mit ins Bett nimmt. Es gehört quasi zum Geschäft dazu. Die Kids könnten ja auch weggehen, aber ...
Frankreich.. Spanien.. Buntland.. usw.
Bettelkinder aus Rumänien halt überall !
Es spricht von großer Sachkenntnis des Verfassers, den Sachverhalt derart zu schildern. Eine Schlagzeile : "Rumänische Klaukids bestehlen britische Fußballfans" würde ja auch nicht annähernd in die politische Landschaft passen.
Wie immer eine Frage der persönlichen Sichtweise...mir gefällt´s. Dem Schreiber hingegen hätte es vermutlich umgekehrt (wobei die "Kinder" ja auch für andere Aktionen bekannt sind) besser gefallen...
Was für Menschen schicken eigentlich ihre Kinder zum betteln? Warum haben solche Menschen überhaupt Kinder? 
Nein, es sind nicht alle Kommentare so. Einige wenige ärgern sich durchaus über diese Aussagen. Andere kommentieren das Thema sachlich. Aber Fakt bleibt: Das Gros der Kommentierer regt sich auf - aber nicht über die Demütigung von Kindern durch betrunkene Großkotze, sondern über rumänische Klaukids und ihre Familien.

Und darüber rege ich mich auf.

Es ist besser, die Kloaken zu meiden.

Sonntag, 12. Juni 2016

Hornstein./.Rehder, die Flüchtlingsfrage - und die Fortsetzung

Ja, es hat etwas gedauert, mit der Fortsetzung zu meiner Verteidigung Hornsteins, aber schließlich ist "Blogger" ja auch nur mein Nebenberuf. Aber es "muss" sein, denn einerseits habe ich im ersten Teil nur Hornstein selbst gegen ein meiner Ansicht nach schlechtes "Contra" verteidigt, nicht etwa Hornsteins Beitrag an sich, und andererseits möchte ich mich mit seinen Thesen zur Flüchtlingskrise näher beschäftigen. Eine erste Meinung ist schnell gebildet, aber sein Beitrag lohnt es, sich etwas intensiver damit auseinanderzusetzen.

Er titelt mit:
"Der Christ und die Frage der Flüchtlinge: Wer ihnen Tür und Tor öffnen will und sich dabei auf die Bibel beruft, sollte in der Heiligen Schrift nochmals genauer hinschauen"
Ganz allgemein hat er da meine Zustimmung. Ich bin generell kein Freund davon, Antworten mit (Bibel-)Zitaten geben zu wollen. Es ist damit ein wenig wie mit dem Spruch
"Trau' keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast"
nur dass es hier heißen müsste
"Trau' keinem (Bibel-)Zitat, das du nicht selber aus dem Zusammenhang gerissen hast."
Naja, schauen wir mal...

Tür auf? Tür zu?

Mir missfällt seine "Anklage", das "Tür auf" werde hauptsächlich von Menschen gefordert, "die allesamt ihre Türen zuverlässig absperren, wenn sie ihr Haus verlassen". Solche Menschen gibt es sicher. Aber "hauptsächlich"? Das bezweifle ich. Es ähnelt mir zu sehr den hämischen Repliken aus gewissen Lagern, es möge doch bitte jeder Befürworter der Flüchtlingsaufnahme erst mal selber einen Flüchtling zu sich ins Haus nehmen. Erstens weiß ich durch eine Freundin, die hier tatsächlich aktiv wurde, welche Knüppel ihr dabei von deutschen Behörden zwischen die Beine geworfen wurden und immer noch werden. Und zweitens ist es möglich, sich mangels ausreichenden Wohnraums auch anderweitig in der "Flüchtlingsfrage" zu engagieren.

Zwei Welten - unvereinbar?

Weiter stößt mir dieser Satz schwer auf, über die zwei Welten, aus denen die Flüchtlinge und wir stammen:
"...dass die einen sehr produktiv sind und zugleich in einer hochkomplexen, ebenso „stressigen“ wie störungsanfälligen Welt leben, die anderen ungleich einfacher und in keinster Weise gebaut für ein Leben in der anderen Welt"
Das ist doch sehr herablassend, wie ich finde. Ja, viele dieser Menschen stammen aus einer Welt, die unserer so wenig gleicht, wie unsere heutige Welt jener an Bord eines Star-Trek-Raumschiffs des 24. Jahrhunderts. Aber haben sich Menschen nicht immer schon und immer wieder den größten Veränderungen ihrer Lebensumstände innerhalb weniger Jahre problemlos angepasst? Woher die Arroganz nehmen, den zu uns kommenden Flüchtlingen die hierzu nötige Intelligenz und das Lernvermögen abzusprechen?

Eine Einschränkung muss ich geben: Der Wille muss natürlich vorhanden sein! Ein Gast hat sich an die Regeln und Gebräuche der Gastgeber zu halten, nicht umgekehrt.

"Wer ist unser Nächster?"

Hornstein meint, diese Frage müssten wir uns erneut stellen, denn wir, also unser Land und seine Zukunft, seien in tödlicher Gefahr aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen.

Nein, ich will hier nicht völlig widersprechen. Wenn wir nicht lernen, die oben angeführte Einschränkung als "Gastgeber" strikt und ohne Gefühlsduselei durchzusetzen, wenn wir nicht erbitten sondern verlangen, dass die "Gäste" sich an unsere Gesetze halten und sich zu integrieren suchen, und wenn wir, wo das nicht geschieht,nicht ohne Wenn und Aber den "Gast" vor die Türe setzen - ja, dann sehe auch ich unser Land in großer Gefahr.

Aber was hat das mit der Frage zu tun, wer unser Nächster ist?

Statt auf seine eigene Frage zu antworten, schiebt Hornstein sie auf und stellt fest, dass die Menschen nicht gleich sind, auch nicht vor Gott. Jedenfalls stünde es so nicht in der Bibel.

Vor Gott sind nicht alle gleich?

Nein, ich werde das nicht ins Lächerliche ziehen. Hornstein hat sich ernsthaft mit dieser These auseinandergesetzt. Und er hat ja Recht: Die Menschen sind vor Gott nicht gleich - allerdings ist die Ungleichheit vor Gott eine ganz andere. Es ist die Ungleichheit z.B. des "Wie ist der Mensch?", des "Wie handelt er, wie lebt er, wie handelt er an seinem Nächsten?". Allerdings kommt Hornstein hier letztendlich zu einem für mich falschen Schluss: Die Botschaft sei "Du bist nicht der andere!" und die Lösung "Lebe du dein Leben..." und übertragen auf die Flüchtlinge "Du bist kein Deutscher. Also nicht: Werde Deutscher, dann geht es Dir gut." Dies liest er aus Bibelstellen wie den Geschichten um Adam und Eva, Kain und Abel, Josef und seine Brüder, Jakob und Esau oder dem Turmbau zu Babel.

Falsch. Er übersieht den Hauptaspekt all dieser Geschichten: Hier wollen Menschen entweder ihre Ungleichheit zum anderen, gefühlt oder real besser gestellten Mitmenschen, durch Gewalt am anderen "ausgleichen", oder sie wollen werden wie Gott selbst. Daraus folgert aber keinesfalls die Botschaft, dass der Mensch nicht seine Lebensumstände verbessern wollen darf. Der gesunde Ehrgeiz, ein besseres Leben zu wollen, bleibt davon völlig unberührt.

Hornstein vergleicht am Ende dieser Schlussfolgerung Deutschland mit dem Paradies, das ja ein Garten gewesen sei, der geschützt wird von einem Gebäude: Der Mauer. Ohne Mauer wächst keine Rose, schreibt Hornstein.

Hier mag sich jeder Leser seinen eigenen Teil denken - ich lasse es unkommentiert stehen.

Und noch einmal der Nächste

Hornstein führt uns jetzt jedenfalls wieder zurück zu der Frage, wer denn nun unser Nächster sei - oder besser, wie wir ihm helfen können/dürfen, und wie eben nicht.

Er führt das Beispiel Mutter Teresas an, die zwar Sterbende von den Straßenrändern aufgelesen und aufgenommen, die aber nie auf die Idee gekommen wäre, diese Menschen nun alle nach Europa zu bringen.

Nun ja. Das ist richtig, ja. Aber was bedeutet es für unsere Frage? Eigentlich: Nichts. Der Ausdruck vom Vergleich von Äpfeln und Birnen drängt sich mir auf.

Dann kommen wir natürlich zum Gleichnis schlechthin, wenn es um die Frage nach unserem Nächsten geht, und wie wir ihn zu behandeln haben: Der barmherzige Samariter.

Vieles von dem, was Hornstein nun schreibt, ist völlig richtig. Ja, die Geschichte zeigt uns, dass jeder von uns in die Situation kommen kann, helfen zu "müssen". Dass wir beten sollen, in einer solchen Lage nicht zu versagen.

Wieder aber ist es der Schluss, den Hornstein zieht, der mir ein wenig die Haare zu Berge stehen lässt.

Der Samariter habe dem Verletzten in jeder Weise geholfen, aber er habe ihn eben nicht letztendlich aufgefordert "Kommt nach Samarien, dort wird für euch alle gesorgt."

Warum hätte er das aber tun sollen? Der Mann war unter die Räuber geraten, vermutlich, während er, wie der Samariter auch, auf Reisen war. Er war - jedenfalls steht nichts davon in der Bibel - nicht aus seinem Heimatland geflohen, weil er dort verfolgt oder verjagt wurde. Es wird auch nichts davon gesagt, dass in seinem Land etwa eine Hungersnot herrschte und er deshalb fortging. Wenn dieser Mann, der Verletzte, gesundgepflegt wäre, würde er in sein Land und vielleicht - sehr wahrscheinlich sogar - zu seiner Familie zurückkehren und ein glückliches Leben führen können.

Helfen - immer und überall?

Hornstein sieht heute eine generelle Botschaft, immer und überall helfen zu müssen, sozusagen ein "immer dran"-sein. "Immer in Bereitschaft", nennt er es, und folgert, dass, wenn wir dieser Richtung folgten, wir kein eigenes Leben mehr führen dürften, denn "immer ist zu helfen".

Das zeigt mir, dass Hornstein die Geschichte um den barmherzigen Samariter spektakulär missverstanden hat: Nicht wir entscheiden, wer unser Nächster ist, sonder unser Nächster ist immer der, der unsere Hilfe braucht und dem wir aufgrund unserer eigenen Situation helfen können. Wir sollen und können unser Leben leben, aber wir dürfen gleichzeitig die Augen nicht verschließen, wenn wirklich - im übertragenen Sinne - unser Nächster an unsere Tür klopft und unsere Hilfe gefordert ist.

Der normale, einfache Mensch - denn wir sind nun einmal nicht alle Heilige wie eine Mutter Teresa - ist nicht verpflichtet, immer und überall und bis zur tödlichen Erschöpfung durch die Straßen zu laufen, um den Nächsten zu suchen, der seine Hilfe braucht. Er kann darauf vertrauen, dass Gott ihm immer wieder den einen oder anderen Nächsten direkt vor die Türe stellt, als Aufgabe: "Hilf! Hier! Jetzt!"

DANN darf er nicht versagen, so wie jene, die vor dem Samariter vorüberzogen und nicht sehen wollten.

Hornsteins weiteres Beispiel zur Heilung eines Lahmen muss ich nicht kommentieren, da es im Grunde nur eine Wiederholung der These ist, auf die ich oben bereits geantwortet habe.

Eine Zustimmung

Ich hatte schon in meinem ersten Beitrag geschrieben, dass es durchaus auch Aussagen Hornsteins gibt, denen ich zustimmen kann. Hier kommt eine solche Aussage, wo ich völlig seiner Meinung bin:
"Aber niemals verlängert er [Gott, Anm.] die Samaritersituation ins Unendliche. Wir sollen den Flüchtling schützen, wenn er Schutz braucht. Und wir sollen ihn gut behandeln. Wir sollen ihm auch helfen, wenn er in Not gerät. Aber wir haben keine Verpflichtung, einen Fremden in unser Haus aufzunehmen und ihn dort auf ewig wohnen zu lassen. Es ist unser Haus."

Wir kommen so langsam zum Ende von Hornsteins Beitrag. Und damit zu einer Stelle, die mir mindestens so suspekt ist, wie das eingangs erwähnte (Bibel)Zitieren zur Untermauerung eigener Thesen:

"Was hätte Jesus gesagt....?"

Wie schrecklich! Und wie doppelt schrecklich, einen solchen Satzbeginn in einer sachlichen Auseinandersetzung mit einem so ernsten Thema zu lesen!
"Den Reichen sagt er, sie sollten ihr Leben nicht auf den Reichtum bauen. Und arm und reich sollen auf Gott hoffen, von dem sie alles erwarten dürfen."
Nun ja. Ich habe mir fest vorgenommen, in diesem Beitrag jede Art von Polemik zu vermeiden, und ich werde durchhalten, so schwer es mir gerade auch fällt. Ich muss es also unkommentiert lassen - nachdem ich 10 Minuten vergeblich nach einer unpolemischen Replik gesucht habe. Möge der Leser sich seinen Teil denken.

Die Heimat verteidigen...

Nun jedoch kommt Hornsteins Satz, der mir von allen am sauersten aufstößt:
"Was uns das Recht gibt, unsere Heimat zu verteidigen, ja was es zu einer heiligen Pflicht macht, das zu tun, ist nicht das Geld. Es ist die Liebe zum Land und das Wissen, dass es ein Schatz ist, der uns nur anvertraut ist."
Es ist die Zeit der Fußball-EM, während ich dies schreibe. Die "Jugend" der "Grünen" hat sich gerade erst über das Schwenken der Deutschlandflagge unter den Fußballfans echauffiert. Und ich habe darauf geantwortet, wenn das der Nachwuchs der "Grünen" sei, wüsste ich also jetzt schon, dass ich diese Partei auch in Zukunft nicht würde wählen können. 

Hornstein aber beschreibt nicht eine Liebe zum Heimatland, die sich in einem harmlosen Fahnenschwenken während eines Fußballspiels äußert. Er spricht von einer "heiligen Pflicht", "unsere Heimat zu verteidigen", einem "Schatz", der "uns nur anvertraut ist". Das ist - und hier MUSS eine klare Aussage her - von einer Ungeheuerlichkeit, die bitter ist, wenn sie in einem mir ansonsten sehr ans Herz gewachsenen Magazin abgedruckt wird.

Nur in einem hat er Recht: Ja, unser Land ist ein Schatz, der uns nur anvertraut ist. Er gehört uns nicht.

Der rechte Umgang mit dem Schatz

Das große Aber zu Hornstein muss lauten: Dieser Schatz wurde uns nicht anvertraut mit der Aussage "genießt ihn und lasst es euch wohl ergehen". Ein anvertrauter Schatz ist im Gegenteil eine Aufgabe. Die Aufgabe, seine Stärken, seine Ressourcen, und seinen Reichtum verantwortungsvoll zum Nutzen und zur Hilfe aller einzusetzen.

"Verantwortungsvoll" ist dabei auch ein Stichwort. Natürlich ist es nicht Aufgabe eines Landes, sich so weit aufzureiben und aufzugeben, dass eben dieser Nutzen und diese Hilfe eines Tages nicht mehr möglich sind. Weil alle Ressourcen ausgenutzt und aufgebraucht wurden. Weil das Rechtssystem - auch ein Grund, weshalb man zu uns flieht - von Kräften, denen kein Einhalt geboten wurde, ausgehöhlt und abgeschafft wurde.

Aber dem entgegenzuwirken, ist keine heilige Pflicht, unsere Heimat vor "den anderen" zu schützen. Sondern es ist die schlichte und vernünftige Sachlichkeit, mit der ein Staat zu agieren hat, um weiterhin Schutz und Hilfe gewährleisten zu können. Nicht nur für uns, sondern eben auch für "die anderen", die derzeit zu uns kommen.

Kein Deutschland mehr?

Das traue ich unserem deutschen Staat zu. Trotz aller Probleme. Und trotz aller Fehler, die durchaus gemacht wurden und noch immer werden. Auch in der Politik, auch in der Regierung sitzen Menschen. Und da mache ich mir auch nicht die Sorgen Hornsteins, dass
"Wenn sich aber die afrikanische Platte über die europäische schiebt, dann gibt es Deutschland und dann gibt es Europa nicht mehr.
Letztlich folgert Hornstein, dass die Grenzen zugehen müssen, damit wir weiterhin helfen und weltoffen bleiben können. Helfen - das heißt für ihn, helfen in den armen Ländern.

Sicher, auch in den Ländern selbst muss geholfen werden, die Verhältnisse zu verbessern, so dass es den Flüchtlingen möglich ist, dorthin zurückzukehren, und um überhaupt den jetzt noch dort verbleibenden Menschen den Grund zu "nehmen", ihr Land verlassen zu müssen. Doch was nützt es den Menschen, die JETZT vor Tod und Verfolgung fliehen, wenn wir sie auf eine gute und friedliche Zukunft in 5-10 Jahren vertrösten?

Wir haben uns im Kreis gedreht - allerdings im positiven Sinne, denn wir sind wieder bei der schon getroffenen Feststellung gelandet:

JETZT helfen. Hier. In Deutschland. Und zwar allen, es sei denn, sie sind gekommen sind, unseren Rechtsstaat zu unterlaufen oder unsere Sozialsysteme auszunutzen.

JETZT helfen. In den betroffenen Ländern. Nicht nur von Deutschland aus. Hier werden sich hoffentlich - die Hoffnung ist ja christlich - bald auch andere Staaten mehr in die Pflicht genommen sehen. Die betroffenen Länder wieder zu friedlichen und lebenswerten Orten machen.

DANN die Flüchtlinge zurückschicken. Als Gäste, die nun wieder nach Hause gehen können und müssen.

Ist das gutmenschlich gedacht? Blauäugig? Möglich.

Es ist im Vertrauen geschrieben. In dem Vertrauen, dass am Ende alles gut wird. In der Sicherheit, dass Hornstein irrt. Und aus dem Glauben heraus.

Abschließend einen rheinischen Freund zitierend:
"Isso."

Sonntag, 5. Juni 2016

Können wir nicht einfach alle katholisch sein?

Nein, die Frage richtet sich natürlich nicht an die "Evangelen", oder an überhaupt andere Religionen. Sie ist ausschließlich an uns "Katholen" gerichtet.

Nun mag man sich wundern: Kann denn ein "Kathole" anders sein als katholisch?

Ach.

Manchmal könnte man verzweifeln.

Da gibt es solche, die jede Äußerung des Papstes zum Anlass nehmen, um sich - im besten Falle - über ihn lustig zu machen. In ihren Augen kann der arme Mann nichts richtig machen. Sie geifern und posten und verachten und posten und lästern und posten, dass es eine reine "Freude" ist. Es sind ja nur die dummen, einfachen Massen, die sich für ihn erwärmen. Sie selbst wissen es besser.

Da gibt es andere, denen sogar dieser Papst eine Enttäuschung ist, in ihrem Wunsch nach einem Katholizismus, der gleich jeden Laien zum Priester und jeden Priester zum Laien machen möchte.

Da gibt es jene, die nur einen Katholizmus als "wahr" erkennen, der alle Wahrheiten fahren lässt und sich nicht mehr in der Bewahrung und Weitergabe des "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" versteht.

Da gibt es die einen, für die wöchentliche Beichte das einzig echte Katholischsein bedeutet, und die anderen, welche die Beichte gleich ganz abschaffen wollen, weil sie diese als Anmaßung der Kirche sehen.

Da gibt es die Anhänger der "alten" oder der "neuen" Messe, von denen einige gerne die jeweils andere Gruppe mit Spott und Häme belegen, statt sich zu freuen, wenn ein Mensch sich in einer Messfeier "zu Hause" fühlt, egal, in welcher.

Und da gibt es Menschen, deren Ansichten darüber, was "wahrhaft katholisch" ist, einen sprachlos werden lassen. Heute z.B. schrieb eine Frau zum Thema Frauenpriestertum, es sei eine Folge der Emanzipation, wenn Frauen sich heutzutage nicht mehr in ihre Rolle einfügen wollten, die da wäre - wie eine andere zuvor erklärt hatte - sich dem Mann unterzuordnen und in der Gemeinde zu schweigen. Selbstverständlich sei es ihr Verlobter, dem es letztendlich zukäme, die Entscheidungen zu treffen.

Ich gebe zu, dass ich darauf die wenig sensible Frage stellte, was man ihr am Morgen in den Kaffee gäbe, und ob es nicht Zeit wäre, im 21. Jahrhundert anzukommen. Ich sehe ein, dass dies für eine Diskussion... nun ja... wenig zuträglich ist. Man mag mir nachsehen, dass meine Fassungslosigkeit und auch das Fremdschämen hier kurz die Oberhand hatten.

Darauf hingewiesen zu werden, hätte ich mittragen können. Oder eine Bitte um mehr Sachlichkeit. Doch die erste Antwort - diesmal eines Mannes - war, es möge doch still sein, wer keine Ahnung hat.

Hier liegt das eigentliche Problem. Nicht, dass es so viele Arten des Katholischseins gibt, wie es Katholen gibt. Das muss man (er)tragen. Aber eine Diskussion findet nicht statt. Eine andere Ansicht will nicht gehört werden. Sie wird zum Schweigen aufgefordert. Denn: Die Wahrheit habe immer nur ich selber. Und der andere ist der Dumme, der Feind, der Irrende.

Und so sprechen wir einander das Katholischsein ab.

Öffentlich. Lautstark. Oftmals hahnebüchen.

Oh, es gibt auch andere. Menschen, mit denen es eine Freude ist, über verschiedene Meinungen zu diskutieren. Die es im Verlaufe einer solchen Diskussion vielleicht sogar schaffen, MEINE Ansicht über etwas zu ändern. Weil wir einander zuhören.

Aber es sind die Schreier, die Rechtgläubigen, die Leichtgläubigen, die alles und gar nichts-Gläubigen, die sich auf der großen Bühne lautstark ihres Publikums versichern.

Und ich sitze irgendwo ganz unten, auf dem Sperrsitz, das Gesicht in den Händen verborgen, und möchte verzweifeln.

"Seht, wie sie einander lieben."

Ach.

Freitag, 3. Juni 2016

Hornstein./.Rehder, die Flüchtlingsfrage, und eine unerwartete Verteidigung.

Im April wurde unter dem Oberbegriff
Wie viele Migranten verträgt das Land?
ein Contra von Felix Hornstein zum Helfen ohne Wenn und Aber veröffentlicht. Man kann es hier nachlesen.

Vieles von dem, was ich las, hielt einem genaueren Nachdenken meiner Meinung nach nicht stand. Also war ich gespannt auf das für den Mai angekündigte Pro, welches von Stefan Rehder vorgelegt wurde. Man kann es hier nachlesen.


Ich war enttäuscht. Man mag mit Herrn Hornstein nicht einer Meinung sein, aber er hat sich ernsthaft, überlegt, sachlich und auf gutem Niveau mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich erwarte von einer Gegenrede, dass ein solches Niveau eingehalten wird. Und so finde ich mich - völlig unerwartet - dazu aufgefordert, ausgerechnet den zu verteidigen, den ich eigentlich widerlegt sehen wollte. Nicht, weil ich nun doch seiner Meinung wäre, sondern weil mich der Stil ärgert, wie diese "widerlegt" werden soll.

Schon gleich die ersten Sätze machen unwillig: Kein Katholik, dem an Orthodoxie und Orthopraxie seines Glaubens auch nur irgendetwas liegt, könne Hornsteins Standpunkt teilen. Damit spricht Rehder gleich zu Beginn jedem das wahre Katholischsein ab, der nicht wie er Hornsteins Ansichten rundheraus ablehnt.

Nun ja, es ist beliebte Praxis geworden, sich gegenseitig das Katholischsein abzusprechen. Allerdings eher in emotional aufgeladenen Internetforen, und weniger in einer sachlichen Gegenrede, publiziert in einem angesehenen Magazin.

Ärgerlich finde ich auch wiederholte Wendungen à la "Herr Hornstein, den wir uns als aufrechten mit lauteren Absichten vorstellen" oder "einen aufrechten Mann wie Herrn Hornstein, dem wir – das wiederholen wir gerne – nur die besten Absichten unterstellen". Es muss klar sein - sicher auch für Rehder - dass solche Einschübe dem Leser unterschwellig den Zweifel an genau diesen Aussagen über Hornstein vermitteln. Im besten Falle jedoch sind sie herablassend.

Es wird ferner behauptet, Hornstein missioniere "uns", bestimmte Dinge anzunehmen. Auch das ist herablassend, wenn auch diesmal dem Leser gegenüber, dem nicht zugetraut wird, einen Standpunkt zu überdenken und eventuell als falsch oder zumindest teilweise falsch einzuschätzen.

Hornstein würde behaupten, nur der lebe die christliche Nächstenliebe recht, "der sie kühl abwägend, kalkuliert und vernünftlerlisch lebe".

Erstens entnehme ich das Hornsteins Essay absolut nicht. Zweitens sehe ich keinen Grund zu der unterschwelligen Behauptung, der christliche Glaube sei mit Vernunft nicht in Einklang zu bringen.

"Vernünftlerisch"! Rehder ist geradezu verliebt in seine Wortschöpfung. So sehr, dass er sie in einem einzigen Absatz gleich 6x wiederholt. Und dann dieser Satz:
"Denn das Vernünftlerische durchtränkt seinen gesamten Text derart, dass man beim Umblättern einer jeden Seite fürchtet, es müsse augenblicklich aus dieser heraustreten und sich auf einen legen."
Großes Kino!

Wenn allerdings Rehder den nächsten Abschnitt mit
"Da wir es nun einmal unternommen haben, öffentlich mit Herrn Hornstein zu streiten..."
beginnt, gibt mir sein "wir" doch etwas zu denken: Ist das nun tatsächlich ein Pluralis Majestatis, oder nur die Annahme, seiner gesamte Leserschaft sei wie ihm an einem öffentlichen Streit mit Hornstein gelegen?

Die Ansichten und Vorschläge Hornsteins nennt er einen kalten, tödlichen Eisberg, und er fragt, was denn der sich unter der Wasseroberfläche verbergende Großteil dieses Eisberges ausmacht.

Eine interessante Frage. Ja, ernsthaft. Allerdings lässt die Einleitung der Antwort kein gutes Gefühl bei mir aufkommen:
"Die Antwort ist einfach."
Das ist sie selten. Und wenn sie als solche bezeichnet wird, schon einmal gleich gar nicht. 
"Bei dem gewaltigen Berg, der sich unter der Wasseroberfläche verbirgt, handelt es sich um die weitverbreitete Ansicht, es müsse möglich sein, die christliche Nächstenliebe so zu leben, dass sie einen selbst keine Opfer koste oder zumindest keine, die diesen Namen tatsächlich verdienen.Das aber ist – mit Verlaub gesagt – Unsinn."
Damit hat Rehder vollkommen recht. Eine solche Nächstenliebe ohne Opfer ist Unsinn. Unsinn ist aber auch, Hornstein eine solche Aussage zu unterstellen. Und: "weitverbreitet"? Wirklich? Dass wahre Nächstenliebe oft nicht mehr gelebt wird, darin stimme ich zu. Aber wir sollten Ursache und Wirkung erwägen:

Wird Nächstenliebe nicht vielleicht nur deshalb immer seltener gelebt, eben weil wir uns bewusst sind, dass sie uns Opfer abverlangt? Opfer, die zu geben wir nicht bereit sind?

Rehder führt dies im Folgenden noch detailliert aus. Ich übergehe das hier, denn es läuft im Grundzug auf die obige Unterscheidung hinaus: Während nach Rehders Meinung heute die Einsicht fehlt, dass Nächstenliebe nicht ohne Opfer gelebt werden kann, sehe ich im Gegensatz zu ihm gerade diese Einsicht als den Grund an, weshalb Nächstenliebe nicht mehr gelebt werden will.

Das nächste Ärgernis - und es ist ein großes - in Rehders Gegenrede ist dieses:
"Wir wissen nicht, wie Herr Hornstein seinen Glauben praktiziert. Und es geht uns auch nichts an. Das kann und soll Herrn Hornsteins private Angelegenheit bleiben. Eine, die er nur mit Gott, seinem Gewissen und seinem Beichtvater zu verhandeln braucht."
Ich fühle mich erinnert an die uralte Werbung für eine Schmerztablette, die immer diesen Satz enthielt:
"Wir wissen nicht, was dieser freundliche Tankwart empfiehlt - Bei Kopfschmerzen empfehlen WIR: ..."
Der "Tankwart" war austauschbar; es konnte auch ein Gärtner sein, oder die Parfumverkäuferin. Impliziert wurde immer:
"Wir wissen nicht, was dieser Mensch empfiehlt, der ja weder Doktor noch Apotheker ist, aber WIR von der Pharmaindustrie, WIR empfehlen..."
Ungefähr so wird es wohl Rehder auch gemeint haben, und der Seitenhieb auf den Beichtvater ist in diesem Zusammenhang schon - entschuldigung - verdammt starker Tobak!

Ich will Rehder unterstellen - im positiven Sinne - dass er wütend war, als er seine Erwiderung schrieb. Gegen aufrechte Wut ist nichts einzuwenden. Leider verleitet sie oft auch dazu, sich unsachlich und der eigenen Stimme schädlich zu einer Ausdrucksweise hinreißen zu lassen, die der Sache abträglich ist. Diese "Sache" bestand hier (oder besser: würde bestanden haben) in einer niveauvollen Replik auf einen Standpunkt, den auch ich so nicht teilen (aber auch nicht völlig ablehnen) kann.

Vieles in Rehders Antwort auf Hornstein ist lesenswert. Es ist nicht unbedingt immer themenbezogen - man sucht oft vergeblich nach der Verbindung zu Hornsteins Äußerungen oder zum Flüchtlingsthema überhaupt - aber es bleibt lesenswert.

Und so ganz nebenbei, zum Abschluss: Ein bisschen weniger Bildsprache hätte dem Ganzen gut getan:
"Staat und Vaterland sind Güter, die Christen schätzen sollten, aber sie sind historische Gebilde und keine metaphysischen. Wer ihnen einen solchen Charakter zuweist, begibt sich in völkische Gewässer und läuft Gefahr, in ihren Untiefen in Seenot zu geraten."

PS: Eine genauere Auseinandersetzung mit Hornstein - sachlich und mit "Vernünftlichkeit" - soll folgen.