Samstag, 16. Januar 2016

Ach, Peter!

Da ich mehrere Freunde namens Peter habe, sollte ich wohl vorausschicken: Niemand von euch ist angesprochen. Ich hätte auch "Ach, Horst!" schreiben können, oder "Ach, Sophie-Luise!". Aber es ist nun mal ein Peter (so es denn sein echter Name ist), der seit längerem auf meinem Blog die Schublade "Unveröffentlichte Kommentare" füllt.

Soll ich Kommentare veröffentlichen, die klar aufzeigen, dass hier ein Mensch schreibt, der meinen Blog zwar liest, aber nichts von dem, was ich schreibe, verstehen kann oder will? Wo ist der Sinn?

Im vorliegenden Fall hatte ich in den letzten beiden Blogbeiträgen zu der völlig falsch und lügnerisch wiedergegebenen Predigt eines spanischen Bischofs geschrieben. Ich hatte die echte Predigt in meinem Blog verlinkt. Ich hatte den relevanten Teil daraus ins Deutsche übersetzt. Danach war klar: Alles Lüge! (Wer es nicht glaubt, darf es gerne in den beiden vorangegangenen Blogbeiträgen nachprüfen.)

Und nun wieder der Peter. Sein heutiger Kommentar begann so hoffnungsvoll:
"Heuchlerisch, jetzt auf dem Erzbischof rumzuhacken."
Doch dann fuhr er fort:
"Er spricht nur in anerkennenswerter Ehrlichkeit aus, was die katholische Kirche an dem Punkt immer gedacht und gelehrt hat. [...] Da nützen auch keine winkeladvokatorischen hermeneutischen Klimmzüge, dass man das doch irgendwie anders, "differenzierter" verstehen müsse."
Man möchte verzweifeln an solchen Zeitgenossen. Sollte ich irgendwann einmal einen Beitrag posten, der aus lauter süßen Katzenbildern besteht, finde ich wahrscheinlich in seinem Kommentar eine Abhandlung darüber, wie Katzen "im finsteren Mittelalter™" als angebliche Begleiter der Hexen von Kirchens verfolgt wurden.

Gibt es diese Hasser erst, seit es Social Media gibt, oder war man vorher einfach nur in der glücklichen Lage, sich seltener mit ihnen herumschlagen zu müssen?

Sie hassen eine bestimmte Institution - gerne die Kirche, allgemein, oder auch nur die katholische - oder eine bestimmte Menschengruppe, oder eine politische Richtung...

Nun ja, Hass ist nicht immer logisch. Ich z.B. habe eine tiefempfundene Abneigung gegen Spinnen. Mir ist bewusst, dass dies unlogisch ist, denn Spinnen - zumindest unsere westeuropäischen Varianten - sind völlig harmlos. Trotzdem werden wir wohl nie Freunde werden.

Bei diesen Menschen hat ihr Hass jedoch eine pathologische Sonderform angenommen, die sich in einer extremen Wahrnehmungsstörung ausdrückt:

Jede Meldung, jeder Einwand, jede Bemerkung, die der eigenen, vorgefassten und im Hirn felsenfest verankerten Meinung zuwiderläuft, wird entweder ausgeblendet oder in ihr Gegenteil verkehrt. Eine Diskussion ist auf diese Weise mit dem Erkrankten unmöglich geworden. So geduldig und ausführlich man auch versuchen mag, ihn auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen, mit so viel Vehemenz wird sein Hirn ihn dazu bringen, sich die Ohren zuzuhalten und bei fest geschlossenen Augen laut gegen die Stimme der Vernunft anzuträllern.

Einer ganzen Herde dieser Spezies begegne ich derzeit in der Kommentarspalte des *hüstel* Humanistischen Pressedienstes, der seine Lügengeschichte über den Bischof weiterhin online stellt. Dort wimmelt es von Kotzsmileys und mehr oder weniger fantasievollen Anregungen, wie mit dem "Kinderficker" verfahren werden sollte. (Dass alle Bischöfe selbstverständlich Kinderficker sind, wird hier wohl einfach schon vorausgesetzt.) Mehrfach gab es Zwischenrufe (auch von mir), dass es sich hier um eine Lügengeschichte handelt, mit anhängigen Beweisen (Link zur Predigt, Link zu Übersetzungen etc.). Doch es ist, als wären diese kurzen Einschübe der Wahrheit und Vernunft für unsere wahrnehmungsgestörten Hasser unsichtbar. Ihnen wird nicht einmal widersprochen. Sie sind sozusagen einfach nicht passiert: 
Weil«, so schließt er messerscharf,
»nicht sein kann, was nicht sein darf.«

Freitag, 15. Januar 2016

Vernichtende Worte

Nachdem ich am späten gestrigen Abend diesen Beitrag online gestellt hatte, ging ich zu Bett. Aber ich lag noch lange wach.

Ich dachte über die Vernichtungskraft böswilliger Worte nach, die auf den Wellen der Empörungskultur reitend rasante Verbreitung finden, unterstützt von Medien, die ihre Pflicht zu eingehender Recherche vergessen und mit dieser Trägheit den Zerstörungsfeldzug der Schandmäuler unterstützen.

Und ich dachte an einen spanischen Bischof, von dem ich bis gestern noch nie im Leben gehört hatte und dem nun mein ganzes Mitleid galt, da ihn die Medien seit Tagen verächtlich machen und er in den diversen Kommentarspalten auf das übelste beschimpft wird.

Ein Bischof hält zu einem katholischen Hochfest eine Predigt. Und weil es das Fest der Heiligen Familie ist, macht er die Familie zu ihrem zentralen Thema. Er spricht auch ein Problem an, das derzeit sein Heimatland, Spanien, sehr beschäftigt: Gewalt bis hin zu Mord an Frauen, durch ihre eigenen Ehemänner. Es sei gut, sagt er, dass die Frauen heute offen über diese Gewalt sprechen können, ebenso wie es gut sei, dass es Gesetze und Schutzmaßnahmen gäbe, um ihnen beizustehen. Er fürchte aber, dass dies alles zu kurz greift - das Innere der Männer müsse sich ändern, denn als Auslöser für die Gewalt gegen ihre Frauen beschreibt der Bischof ein "Machotum", das die Frau nicht als gleichwertigen Menschen akzeptiert und es nicht erträgt, wenn sie die Trennung wünscht und diese auch durchsetzt. Eine wahre Ehe, so der Bischof, beruhe jedoch auf gegenseitiger Liebe, Respekt und Vertrauen.

Diese Worte wurden in diversen Medien zu "Zitaten" umgemünzt, in denen der Bischof "sagt", Frauen müssten ihren nur Männern gehorchen, dann setze es auch keine Schläge.

Dumm gelaufen? Ein Übersetzungs- bzw. Interpretationsfehler, der in Zeiten einer rasanten Verbreitung durch das Internet eine Eigendynamik erhielt, die nicht mehr aufzuhalten war?

Wohl eher nicht.

Was hier geschah - und immer noch geschieht - zeigt uns im Gegenteil, wie leicht und schnell heutzutage ein Mensch "unmöglich" gemacht werden kann.

Ein aus dem Kontext gerissener Satz, hämisch zitiert und mit einigen Lügen ausgeschmückt, wird unter das Volk geworfen. Und das Volk reagiert wie gewünscht: Es schluckt die Geschichte wie der Frosch die Fliege.

Dem Internet nicht vertrauen zu können, ist das eine. Viele von uns haben das inzwischen begriffen.  Eine ganz andere Brisanz erhält ein solcher Vorgang jedoch, wenn er auch von professionellen Medien aufgegriffen wird, die ihn ebenfalls unhinterfragt verbreiten. Wenn eine solche Verleumdungskampagne - denn etwas anderes ist es ja nicht - von Zeitungen wie der "Welt" und sogar von kirchlichen Medien 1:1 übernommen wird, ohne dass wenigstens hier einmal die Frage aufkäme "Hat eigentlich mal jemand überprüft, ob diese Story WAHR ist?", dann ist das schon sehr starker Tobak.

Wie mächtig ist das Wort.

Es mag ja gut sein, sich dessen zu erinnern und das Gewicht auch der eigenen Worte nicht zu unterschätzen.

Doch was nützt das, wenn meine Worte verdreht und ihnen Lügen hinzugefügt werden, und mir die daraus entstehenden "Fakten" anschließend um die Ohren fliegen?

Verleumderische Worte sind eine furchtbare Waffe, denn eine Gegenwehr ist fast unmöglich.

Stoppen können wir solche Kampagnen nur, wenn wir uns nicht zu ihren Werkzeugen machen lassen.

Ich weiß, das ist nicht einfach. So manche Empörung und/oder Häme verbreitende Nachricht scheint ja geradezu um Verbreitung zu betteln. Wir sollten nur eines nicht vergessen:

Wenn man Scheiße in den Ventilator wirft, ist die Verbreitung zwar optimal, aber man selber steht anschließend auch nicht gut da.

Donnerstag, 14. Januar 2016

Freigeister? ....oder Lügengeister?


Es geistert eine Geschichte durch die Online-Medien:

Ein spanischer Erzbischof habe gepredigt, Frauen seien selbst Schuld an häuslicher Gewalt:
"Nach Ansicht des Erzbischofs von Toledo, Braulio Rodriguez Plaza, sind Frauen selbst schuld, wenn sie von ihren Männern körperlich misshandelt werden. Häusliche Gewalt habe ihren Ursprung darin, dass Frauen ihren Männern nicht gehorchten oder gar um eine Scheidung bäten."
Die QUELLE nennt sich "hpd" ("humanistischer Pressedienst") und behauptet von sich selbst:
"Der hpd ist heute mit mehreren Millionen Seitenaufrufen im Jahr das wichtigste Online-Medium der freigeistig-humanistischen Szene im deutschsprachigen Raum."
Die Autorin ist - ich habe es nicht überprüft, will es aber einfach mal glauben - "studierte Philosophin, Theologin und Germanistin".

Nun ja. Ich bin ein netter, wohlmeinender und gutgläubiger Mensch. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Dame sich in ihrer Interpretation von fehlenden Spanischkenntnissen leiten ließ, gepaart mit dem Wunsch, ihr präexistentes Bild von Vertretern der katholischen Kirche bestätigt zu sehen.

Wobei ich - mea culpa - zugeben muss, dass auch ich erst einmal vor Empörung schnaubte, ob des von ihr verfassten Berichtes über diese unglaublichen Worte eines Erzbischofs. Bis... ja, bis ein Freund den spanischen Originaltext der Predigt ausgrub:

hier klicken


So, was haben wir hier also?

Die Rahmenbedingung: Es handelt sich um eine Predigt gehalten am Festtag der Heiligen Familie, also am 27. Dezember 2015.

Er spricht über die Bedeutung der Familie als Kern der Gesellschaft. Über die Geschichte im Evangelium, die davon berichtet, wie das Kind Jesus auf der Rückkehr von der Pilgerreise nach Jerusalem verlorenging. Dass eben auch Jesus in eine Familie hineingeboren war, und dass es auch heute noch die Aufgabe einer christlichen Familie sei, Jesus bei sich aufzunehmen, in der Person der Kinder, des Ehemanns, der Ehefrau, der Großeltern....

Ich stelle diesen Teil seiner Predigt sehr zusammengefasst dar, und nur, um den Kontext aufzuzeigen in dem sie gehalten wurde.

Und nun werde ich mir die Mühe machen, den Teil der Predigt zu übersetzen, welcher jene Sätze enthält, die den Sturm auslösten. Lesen wir sie also einmal im Zusammenhang:

Wenn auch gute Gesetze existieren oder von unseren Parlamenten verabschiedet werden, so ist der Mensch im Wesen doch Innerlichkeit, und wenig kann getan werden, wenn er sich nicht aus dem Inneren ändert. Jesus sagte: [Anm. ich: hier zitiert der Bischof das Markusevangelium, das ich der Einfachheit halber jetzt mal als der Einheitsübersetzung abkopiere]
"
Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. [...] Seht ihr nicht ein, dass das, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann?  [...]Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft."
(Mk 7, 14-15, 20-22)
Können positive Gesetze ein solches Herz wirklich ändern? Ehrlich gesagt, ich glaube das nicht; allenfalls wird es einige von ihren mörderischen Vorhaben abhalten. 

Den meisten Ehefrauen, die getötet werden, geschieht so durch die Hand ihrer Ehemänner, die ihre Ehefrauen nicht akzeptieren, oder die ihre Frauen ablehnen, weil die Ehemänner ihre Willenskraft nicht akzeptieren. Oder sie sterben durch die Hand ihres Expartners, oder auch durch den, der mit ihnen zusammenlebte; oft hat die sexistische Reaktion ihren Ursprung darin, dass die Frauen die Trennung wünschten. Es ist großartig, dass diese gefährdeten Frauen sich melden können und es die Möglichkeit gibt, die Verbrechen mit neuen Alarmmechanismen zu verhindern. Aber das wahre Problem wurzelt darin, dass in diesen Partnerschaften keine wahre Ehe bestand. 

Und er führt aus, dass er damit keineswegs nur die kirchliche Ehe sondern auch die Zivilehe meint. Er spricht von Vertrauen, Respekt und Liebe, dem gegenseitigen Dank für das, was man füreinander tut, und auch von dem gegenseitigen "Vergib mir" unter Eheleuten, dem schwierigen Wort, das aber verhindern kann, dass kleine Brüche zu tiefen Gräben werden.

Und er spricht davon, dass auch heute noch viele Familien eine gute Ehe leben, mit all ihren Schwierigkeiten, den guten und schlechten Zeiten....

Die ganze Predigt ist eine einzige Hymne an die Familie, und an die Ehe. Einer Ehe, die auf Gegenseitigkeit beruht, was Liebe, Vertrauen, Respekt (!), Dank etc. betrifft. In dem Einschub, den ich möglichst wörtlich zu übersetzen versucht habe, zeigt er das Gegenteil auf: Männer, die ihre Frauen nicht als gleichwertig akzeptieren können. Männer, die in einem Machotum gefangen sind und nicht akzeptieren - ja, vielleicht nicht einmal verstehen können - dass "ihre" Frau es wagen kann, sich von ihnen zu trennen, oder ihnen auch nur zu widersprechen. Der Bischof legt dar, wie dieses Rollenverständnis tickt - aber weder entschuldigt er es, noch legt er den Frauen nahe, sich dem anzupassen.

Diese Worte legten - und legen - ihm andere in den Mund.

Übel.

Sonntag, 10. Januar 2016

Köln - die falschen Fragen, und ein anderer Terror

Ja, so hatte ich diesen Beitrag begonnen, ehe mich eine Grippe kurzfristig aus dem Verkehr gezogen hat. Und nun höre ich heute: Oha, es hat sie ja doch jemand gestellt, die Fragen, die mich seit Tagen umtreiben.

Aber kurz zur Vorgeschichte:
Welche Fragen waren es denn, die in den letzten Tagen immer wieder gestellt wurden? Es waren die "Warums":
Warum...
... haben die Medien so spät berichtet?
... hat die Polizei nicht stärker durchgegriffen?
... sprachen die ersten Polizeiberichte von einer ruhigen Silvesternacht?
... kamen die Fakten über die Herkunft der Verbrecher erst tröpfchenweise ans Licht?
Es fehlte die "Wies":
Wie ...
... konnten sich Verbrecher zu hunderten an neuralgischen Orten versammeln?
... war kam dies zeitgleich in -zig deutschen Städten und auch in unseren Nachbarländern zustande?
Es war fast, als hätte man sich - wieder einmal - darauf geeignet, lieber nicht mehr wissen zu wollen, aus Angst, man könnte Dinge erfahren, die man so genau eigentlich gar nicht wissen wollte.

Heute höre ich jedoch im Radio, dass sich Bundesjustizminister Heiko Maas diesen Fragen nun offenbar stellt (stellen muss?):
"Wenn sich eine solche Horde trifft, um Straftaten zu begehen, scheint das in irgendeiner Form geplant worden zu sein", sagte Maas der "Bild am Sonntag". "Niemand kann mir erzählen, dass das nicht abgestimmt oder vorbereitet wurde."
Auch einen Zusammenhang zwischen den Attacken auf Frauen in mehreren deutschen Städten schließt Maas nicht aus. Alle Verbindungen müssten sehr sorgfältig geprüft werden, sagte der Minister der Zeitung. "Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein bestimmtes Datum und zu erwartende Menschenmengen herausgesucht wurden. Das hätte dann noch einmal eine andere Dimension."
Schriftquelle R.P.
Dies würde auch den Zettel "erklären", den man bei zwei Verhafteten (und inzwischen wieder freigelassenen) "Verdächtigen" sicherstellte, und auf dem sich die Übersetzungen sexueller Beleidigungen und Drohungen ins Deutsche befanden.

Wenn es so ist (und ich habe wenig Zweifel daran), dass es sich um eine konzertierte Aktion einer oder mehrerer Gruppen handelt, dann haben wir es hier mit einer anderen Art von Terror zu tun - und zwar einem Terror, der mir fast effektiver zu sein scheint als Selbstmordattentäter und Schüsse auf Cafés.

Wieso das?

Nun, wie sahen bisher die Reaktionen auf einen Terroranschlag aus? Sie bestanden aus einem trotzigen "Jetzt erst recht!" der gesamten Bevölkerung, die sich nicht einschüchtern lassen wollte. Man wird weiter in Cafés und Restaurants gehen, in Urlaub fliegen, Konzerte besuchen.

Aber nun ist "nur" die Hälfte der Bevölkerung betroffen, die weibliche Hälfte. Für jede Frau, ganz gleich, ob sie ähnliches schon selbst erlebt hat oder nicht, ist das, was den Frauen in Köln und anderswo angetan wurde, eine alptraumhafte Vorstellung. Widerlich, abscheulich. Hier geht es nicht um die Bedrohung des Lebens, sondern - darf ich sagen: schlimmer? - um die Wegnahme der Würde. Hier wird ein Mensch, eine Frau, in aller Öffentlichkeit, teils unter unter den Augen der Polizei, die sicher helfen wollte, es aber oft nicht konnte, zu einem Stück Fleisch degradiert, das man beleidigen, betatschen und sogar vergewaltigen darf - einfach, weil sie eine Frau ist. Ohne Rechte. Ohne Würde.

Mit diesen Verbrechen der Silvesternacht wurde zum ersten Mal erreicht, was zahllose Terrorakte der Vergangenheit nicht vermochten: Es macht sich unter einer Hälfte der Bevölkerung ein Gefühl der Verunsicherung und der Angst breit, das diese dazu bringen könnte, sich nun die eigene Freiheit zu beschneiden. Schon jetzt gibt es viele Stimmen (unter den Frauen), die sagen "Karneval? Ja, wollt' ich eigentlich, aber jetzt trau' ich mich nicht mehr." oder "Bahnhöfe? Konzerte? Großveranstaltungen? - nein, lieber nicht.".

Was ist das Fazit der Silvesternacht? Es gibt mehrere:

Die Medien werden in den nächsten Tagen weiter berichten, und die diversen Talkshows das Thema bis zur Ermüdung durchkauen. Letztendlich werden sie zur nächsten Kuh übergehen, die durchs Dorf getrieben werden will.

Der Staat wird seine Ohnmacht mit markigen Reden und Versprechungen schönreden. Glauben wird es kaum jemand. Vor den nächsten Wahlen darf man Angst haben.

Die rechte Keule wird weiterhin ein guter Maulkorb sein.

Die echten Flüchtlinge - also jene, die aus wirklicher Gefahr zu uns kommen, und mit dem ehrlichen Willen, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden - werden zu leiden haben unter der sich jetzt breitmachenden allgemeinen Ablehnung.

Und die Angst der Frauen wird bleiben. 

Dienstag, 5. Januar 2016

Köln, und kein Ende

Eigentlich mag ich gar nicht über Köln schreiben.

"Dann halt' doch einfach die Klappe!", mag man mir antworten.

Muss ich zu jedem Thema etwas zu sagen haben, nur weil es gerade die Medien beherrscht? Nein, sicher nicht.

Aber ich bin verwirrt, und zugleich zornig, traurig, und ja, auch verängstigt über das, was seit zwei Tagen mehr und mehr über die Geschehnisse in der Silvesternacht in Köln und anderen deutschen Großstädten zutage tritt.

Ich lese die Berichte, schaue die Nachrichten, höre die Augenzeugen, und nehme die Stürme der Entrüstung wahr, die über die Medienlandschaft fegen. Ich kann es nicht fassen. Aber ich will nicht einstimmen in die schnellen Be- und Verurteilungen. Ich will nicht teilnehmen am Geschrei der Massen.

Schweigen aber geht auch nicht.

Ich frage mich stattdessen zum Beispiel: Wie geht es mir als Frau dabei?

In den Berichten heißt es, einzelne Frauen seien von Männergruppen eingeschlossen, im schlimmsten Maße sexuell belästigt, begrapscht und erniedrigt worden, und anschließend habe man sie beraubt. Geld, Handtasche, Handy - alles sei anschließend weg gewesen.

Einschließlich ihrer Würde. Die hat man ihnen als erstes genommen.

Ich will nicht nach einem Aufschrei rufen. Aber ich zweifle doch arg am Verstand Frau Rekers, die uns Frauen nahelegt, wir sollten in solchen Situationen "eine Armeslänge" Abstand zu "Fremden" halten.

Ich könnte jetzt eine Wutrede darüber halten, welche Arten von Kleidungs- und Verhaltensmaßregeln uns Frauen in der Vergangenheit schon mit auf den Weg gegeben wurden - immer auch mit dem darüber schwebenden, unausgesprochenen "selber Schuld", wenn eben doch etwas "passiert" war. Stattdessen möchte ich eine Frage stellen: Ist es richtig, einem potentiellen Opfer sexueller Gewalt präventive Verhaltensmaßregeln geben zu wollen? Denn: Wenn es sich nicht daran hält, verringert dies dann die Schuld des Täters?

Bezeichnend finde ich in diesem Zusammenhang, dass es anfangs nur wenige Anzeigen waren, die erst jetzt, nach Tagen, auf 90 Stück angewachsen sind. Warum? Hatten die Frauen zuviel Angst, sich zu melden? Oder war es einfach nur so, dass sie sich aus frührer Erfahrung sagten "Bringt doch eh nichts."?

Ich könnte auch in die Schreie "Flüchtlinge raus!" einstimmen. Das wäre zwar Blödsinn, aber genügend Leute werden es tun, und tun es auch jetzt schon. Dass es sich bei der organisierten Kriminalität der Silvesternacht um - wie es bisher den Anschein hat - schon länger in Deutschland befindliche Asylbewerber aus Nordafrika handelt (die, angesichts der dortigen politischen Lage, wohl eher nicht vor Verfolgung und Tod geflohen sind), und nicht um gerade erst in Deutschland angekommene Kriegsflüchtlinge aus Syrien, nun ja, wen juckt schon so ein feiner Unterschied.

Also müsste ich - wie es ebenfalls jetzt zuhauf geschieht - zu einer glühenden Verteidigungsrede aller im Land befindlichen Flüchtlinge und Asylbewerber ansetzen. Weil, naja, so wegen der rechten Keule, die man sonst so schnell im Nacken fühlt. Aber warum sollte ich? Unter den Flüchtlingen und unter den Asylbewerbern gibt es auch Verbrecher. Und es gibt auch solche darunter, die das deutsche Sozialsystem ausnutzen wollen. Die nicht gewillt sind, ihr importiertes Manns-Bild der deutschen Gleichberechtigung unterzuordnen. Und wenn solche Leute Straftaten wie in der Silvesternacht verüben, dann müssen sie gehen. Schnellstens. Punkt. Das ist keine Ausländerfeindlichkeit, sondern das ist angewandter Rechtsstaat.

Deutsche, die sich so benehmen, gehören ins Gefängnis.
Gäste, die sich so benehmen, wirft man aus dem Haus.

Meine Fragen nach dem Wieso sind damit aber nicht beantwortet. Ich stehe fassungslos vor einer hundertfach auftretenden und gewälttätigen Frauenverachtung, die mir körperliche Übelkeit bereitet. Ich kämpfe mit meiner Wut. Es wird noch ein langer Kampf werden.