Das Spiel "Farmville" dürfte jedem Facebook-Nutzer ein Begriff sein. Auch wenn er/sie/es noch nie "Farmville" gespielt hat und sich nicht einmal etwas rechtes darunter vorstellen kann - zumindest den Namen hat sicher jeder schon gelesen, und sei es nur als Werbeeinblendung auf seiner Wall, oder weil Freunde es spielen.
Ich oute mich hiermit jedenfalls heute als "Farmville II"-Spieler. Das ist die noch süßere, noch zuckrigere, noch herzigere Nachfolgeversion vom Originalspiel. Darin haben Farmer und Tiere laufen gelernt. Soll natürlich heißen: Das bis dahin sehr statische Spiel wurde hochgradig animiert.
Eine Weile macht das Spaß. Das ist alles so nett. Und so vorhersehbar. Die Erdbeeren sind in 24 Stunden reif, der Roggen schon in 60 Minuten. Frischwasser gibt es alles 4 Stunden neu, und gelegentliche "Challenges" wie Wettbacken, Wettnähen oder Entenrennen sorgen für...
Ja, wofür eigentlich? Für "Spannung, Spaß und Spiel", wie es mal in einer Schokowerbung hieß?
Nö, nicht wirklich.
Also was ist los? Warum finde ich das Spiel inzwischen nur noch stinklangweilig? Es hat doch alles, was man sich im wirklichen Leben wünscht, aber nicht bekommt:
- eine stetige Schönwetterzone
- glückliche Tiere, die nie einen Schlachter sehen, sondern nur auf einer entfernten Wiese ausgesondert werden, sobald sie nutzlos geworden sind
- glubschäugige und pausbäckige Kinder, die schon im zartesten Alter fleissig mitarbeiten und denen das süße Lächeln ins Gesicht gemeißelt steht.
Und wer sich anstrengt, wird auf jeden Fall mit Erfolg, Geld und noch mehr Land belohnt.
Toll ist das. Und sowas von *gähn* langweilig.
In letzter Zeit ertappe ich mich immer öfter dabei, dass ich die Story umschreiben möchte. Ganz böse bin ich dabei, wenn ich mir Sachen überlege wie
- Eine Dürre lässt die Erdbeeren auf dem Feld verdorren. Die Ernte ist hin.
- Ein Sturm entwurzelt die Hälfte aller Bäume. Der Bauer muss einen Kredit aufnehmen und neue Bäume kaufen.
- Der Bauer fällt über einen liegengebliebenen Ast und bricht sich das Bein. Nun muss er Erntehelfer aus Polen anwerben, die seine Arbeit tun.
- Die Bäuerin bandelt mit einem der knackigen Erntehelfer an...
Ich könnte noch eine Weile so weitermachen, aber zuviel Einsicht in die Abgründe meiner Seele will ich nun auch wieder nicht geben.
Bin ich nun aber wirklich so ein schlechter Mensch, wenn ich den glubschäugigen Farmville-Farmersleuten so übel mitspielen möchte - und das nur, weil ich mich langweile?
Aber sind diese Leutchen denn wirklich glücklich? Anders gefragt: Kann ein Mensch wirklich glücklich sein, oder nennen wir es "erfüllt", wenn er in einem zu 100% verlässlichen Universum - also eigentlich der Erfüllung all unserer Sehnsüchte - lebt? Oder wird mein kleiner Farmer irgendwann vor lauter Süße und Verlässlichkeit und mangels jeder echten Lebens-"Challenge" zu einem wahnsinnigen Gremlin mutieren, den man bei strahlendem Sonnenschein ins Wasser geschubst und anschließend noch einen Mitternachtssnack verpasst hat?
Wir wachsen an den "Challenges", also den Herausforderungen in unserem Leben. Und dabei rede ich nicht von einem Backwettbewerb oder "wer verkauft 50 Tupperwaredosen in 3 Tagen?", sondern ich meine jene Dinge, die uns meist erst mal einen heftigen Fluch entlocken. Weil WIEDER mal nichts so läuft, wie wir es geplant haben. Weil die Grippe mal WIEDER den besten Zeitpunkt erwischt hat. Weil auch größter Einsatz nicht immer auch Erfolg verheißt. Weil eben immer tausend Dinge schiefgehen können. Weil... Weil... Weil...
Weil wir - zusammengefasst gesagt - gefühlt dreimal täglich heftig (Entschuldigung) auf die Schnauze fallen.
Vielleicht mag man da mal von der heilen Farmville-Welt träumen. Aber nur eine Weile. Dann wirds langweilig. Sogar virtuell.
Schwierigkeiten, Probleme, Rückschläge, Hinfallen und sogar Ungerechtigkeiten gehören nicht nur zum Leben. Sie sind sogar der Motor, der uns (um)treibt. Entscheidend ist wohl nur, wie wir letztlich damit umgehen.
Was aber nicht bedeutet, dass ich beim nächsten Mal nicht auch wieder herzhaft fluchen werde. Um mich anschließend aufzuraffen und weiterzumachen.
Es ist schon komisch, dieses wahre Leben.
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