Montag, 6. April 2015

Schlaflose Schreiberlinge zu Ostern

In unserer Rheinischen Post gab es in der Ausgabe zum langen Osterwochenende einen ganzseitigen Artikel zur österlichen Auferstehung mit dem Titel
ERWACHT

In der Zeitungsausgabe versehen mit Rembrandts "Die Auferstehung Christi", in der oben verlinkten Onlineausgabe immerhin noch mit einem hübschen Osterglockenfoto.

Laut Titelzeile handelt der Artikel also von der Auferstehung aus dem Grab und fragt "Ist das möglich?". Der Autor titelt weiter:
"Zu Ostern wird die kindliche Freude des Glaubens maximal gefordert. Wir sollten sie zulassen, denn das Erwachen als kleinste Erlösung vom Tod erleben wir selbst - jeden Morgen neu."
Okay, eine nette Metapher, und sicher ein guter Übergang zum eigentlichen Artikel über die Auferstehung Christi, die hier beleuchtet werden sollte. Vielleicht positiv, vielleicht negativ - ich war jedenfalls interessiert und vergrub mich in den 6spaltigen Artikel.

Ich erfahre, wie es ist, beim Aufwachen aus den Träumen gerissen zu werden, eine Erfahrung, die je nach Art des Traumes positiv oder negativ sein kann.

Ich erfahre, dass es Leute gibt, die nach dem Aufwachen ihrem Herrgott danken, weil es eben auch andere Leute gibt, denen dieses Glück nicht beschieden ist.

Gut, eine etwas sehr lange Einführung, aber jetzt kommen wir endlich zum Thema:

"Da soll einer nach einem todsicheren Tod am dritten Tag nicht mehr im Grab gelegen haben."
Und kurz darauf stellt der Autor Vermutungen an, wie ein solches Vorkommnis wohl heute von den Medien "aufgemacht" würde. Um dann festzustellen, dass Jesu Todesnachricht damals ja ein "bloßer optischer Befund von Laien" gewesen ist. Krisensichere Diagnostik war das nicht, und selbst jetzt gab es ja gerade den Fall einer "Toten", die beim Bestatter wieder zu sich kam.

Dann kommt der Autor aber doch endlich zur Sache: Es geht um den Glauben, schreibt er, um das Mysterium, um unser Glaubensbekenntnis. Eine Botschaft, die ein Wachmacher sein könnte, wenn nicht die Christen selbst sehr oft lieber weiterschlafen wollen, vorzugsweise sonntags.

Ein guter Ansatz. Hier hätte man anknüpfen können. Doch plötzlich findet der Leser sich bei den Schlafmedizinern und deren Ratschlägen über vernünftiges Schlafverhalten wieder.

Wir sind inzwischen in Spalte 3 von 6.

In den nächsten drei Spalten wird uns der Autor unterhalten mit Exkursen über "Schlafsünder" und "verkorkste Schlafarchitektur". Über Schlaflosigkeit und Schlafunterbrechungen. Über Schäfchenzählen, Tiefschlaf, Traumphase und Schlafkrankheit. Er wird uns über das Aufwachen am Morgen erzählen, über Insomniker, Narkoleptiker, Restless-Legs-Kranke und Nachtangst. Und er wird über die rechte Schlaftiefe fabulieren, uns auf Schlafapnoe hinweisen, und auf den Sekundenschlaf am Steuer.

Nach alledem muss der Autor kurz aufgewacht sein, denn in Spalte 6, kurz vor Artikelende, beginnt er
"Nun sind wir aber unösterlich abgeschweift..."

Kurz atme ich auf: Jetzt werden wir erfahren, zu welcher österlichen Erkenntnis der Autor uns führen wollte.

Der Autor schlägt tatsächlich jetzt einen interessanten Bogen:
Über Orkan Niklas und die Zeitumstellung, hin zu den Frühlingsblumen und Frank Wedekind. Über den Frost auf den Feldern und unserer biologischen Uhr hin zu der Aufforderung, der Leser möge nunmehr erwachen, dies als Feier des Lebens begrüßen und die Plagen der Nacht unters Bett zu packen.

Ich finde es immer wieder schön, einen guten Artikel zu christlichen Themen zu lesen.

Das war er nicht.

Aber vielleicht hat der Autor ja nur geträumt, er würde einen Artikel über Ostern schreiben?

1 Kommentar:

  1. Himmel... ich hab mir den Artikel eben angetan und staune tatsächlich, daß Journalistengeschwätz immer noch eine Stufe tiefer gehen kann.
    Vergessen hat der Schreiber natürlich noch einen Hinweis auf das Blatt der Zeugen Jehovas. Und auf Katzen (die mögliche Brücke wäre deren Fähigkeit gewesen, aus dem Tiefschlaf zu erwachen und sofort putzmunter zu sein).

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