Mittwoch, 16. Juli 2014

Hmpf.

Ja, ich weiß - *hmpf* ist kein besonders aussagekräftiger Titel für einen Blogbeitrag. Aber er fasst so schön zusammen, was ich gerade über einige meiner Mitmenschen denke.

Während ich hier sitze, läuft im Hintergrund das Radio. Das Thema? Das gleiche wie derzeit überall: Der pöse, pöse "Gauchotanz" der deutschen Nationalmannschaft anlässlich der gestrigen Weltmeisterschaftsfeier in Berlin.

Da schreiben doch wirklich einige unserer Medien:
"Die Siegesfeier am Brandenburger Tor wird zum gigantischen Eigentor. Mit einer üblen Persiflage auf ihren Finalgegner verspielen die deutschen Weltmeister das Image der weltoffenen, toleranten Nation."
Aber sonst geht's noch?

Das war ein Scherz, ihr lieben Leute, und zwar einer der gaaaanz harmlosen Sorte.

Ich habe mal ein wenig in die ausländischen Medien geschaut: Da wird die ausgelassene und verrückte Feier gelobt, die so gänzlich "un-deutsche" Lockerheit - Aufregungen über eventuelle "Verhöhungen eines geschlagenen Gegners" sucht man da vergebens.

Und was das Image der deutschen Mannschaft im Austragungsland Brasilien angeht, hierzu einige ins Englische übersetzte Texte der dortigen Medien:

"The Germans arrived in Brasil 6 months ago. They constructed a hotel, a health center, a football pitch, a road; they did not bring german employees, but contracted the locals. During their stay they socialized with the locals, they participated in the local celebrations, they visited the indigenous and donated an ambulance; they put on the shirt of the local team (Bahía) and sang the team's hymn. After the 7-1 victory against Brazil they apologized for the beating, they sent messages of support through Twitter and Facebook encouraging the Brazilians and thanking them for their hospitality. And now that they are coming home they leave all they constructed to the local community; their installations will be transformed into a school for the poor. Now that's what I call champions!"
So sie sie denn gelesen/gehört haben, werden solche Lobeshymnen natürlich manchen Leuten arg an die Nerven gegangen sein.

Welche Leute ich meine? Ich meine die "Ich-kann-ohne-das-Haar-in-der-Suppe-nicht-leben"-Fraktion. Ich meine jene, die es einfach nicht ertragen können, wenn ein anderer sich freut, und die wie aus einem Automatismus heraus mit einem "ja, aber..." daherkommen.

Ein Beispiel von heute Morgen:

Da postete jemand bei Facebook einige Urlaubsfotos - wunderschöne Aufnahmen von Hallstatt. Ich freu' mich immer, wenn ich auf solch schöne Bilder treffe. Und wünsche demjenigen in Gedanken noch schöne Urlaubstage. Doch jemand hat die Bilder wie folgt kommentiert:
"Ich war auch schon auf dem " Krippenstein ". Dort oben hörte ich von dem Schrecklichen, das einer Schulklasse aus Heilbronn an einem Karfreitag vor vielen Jahren widerfahren ist: Die Kinder mit ihrem Lehrer gerieten in einen furchtbaren Schneesturm, konnten nichts mehr sehen, verloren die Orientierung und erfroren schließlich alle - unmittelbar vor dem Ziel. Wie können Lehrer nur so leichtsinnig sein und die dringenden Warnungen Einheimischer in den Wind schlagen? Ich war so deprimiert und konnte mich gar nicht so recht über den schönen Ausflugstag freuen. Aber dennoch... Hallstatt ist ein romantischer Ort."
Da denke ich mir: Ja, genau, das ist exakt die Information, die ich jemandem geben würde, der mir mitteilt, dass er dort gerade seinen Urlaub genießt. Und das auch noch mit dem Eingeständnis, wie deprimiert ich selber damals war, als ich von diesem Ereignis hörte, und wie sehr es mir die Freude am Ausflugstag genommen hat.

Ihr findet, diese beiden Dinge (Fußball-Feier und Urlaubsfotos) gehen nicht zusammen? Ich finde, doch:

Beides zeigt uns Menschen, die sich nicht für andere und mit anderen freuen können, ohne auf tatsächliche oder eingebildete Schattenseiten hinzuweisen und so den/dem anderen die unschuldige Freude zu zerstören.

So, nachdem ich das geschrieben habe, bin ich gar nicht mehr "sauer" auf diese Leute. Mich ergreift gerade tiefes Mitleid. Es muss furchtbar sein, jede noch so unschuldige Freude (auch die eigene) erst mal auf ihre Daseinsberechtigung analysieren zu müssen.





4 Kommentare:

  1. Als Keineahnungvonfußballhaber mußte ich natürlich erst mal recherchieren, worum es überhaupt geht. (Also, daß Deutschland diesmal Weltmeister ist, hab ich schon mitgekriegt, aber das mit dem Gauchotanz noch nicht.) Hab mir ein Video mit diesem herrlich albernen Tänzchen angeschaut und gedacht: Menno, und darüber regt sich die halbe deutschsprachige Welt auf? Gehts noch?
    Wenn "Sieg" immer nur bedeuten würde "Man nimmt den Gegner ein bissel auf die Schippe, aber bitte freundlich, und im übrigen stellt man klar, daß man im Gastland freundlich und hilfsbereit ist, daß unterlegene Gegner auch mal getröstet werden dürfen und daß man sich freuen darf" - was wär es für eine schöne Welt!

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  2. Im Fussball nennt man das NACHTRETEN und das weise Wikipedia weiss dazu:

    "Im erweiterten Sinn der Begriffsbedeutung ist Nachtreten ein fortgesetzter Angriff (körperlich oder verbal) auf einen Gegner oder Diskussionpartner, der nicht mehr verteidigungsfähig ist oder keine Gegenargumente mehr hat. Solch ein fortgesetzter Angriff wird in der Regel als Verletzung allgemeiner Fairness-Regeln angesehen und entsprechend verurteilt."

    Wenn Christen so "auf die Schippe genommen werden", dann beklagen die sich wegen "Blasphemie" wahlweise auch wegen "Christenverfolgung".

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    1. Liebe(r) F.M. - gerne hätte ich gewusst, mit wem ich es zu tun habe, aber Ihr Blog-Profil ist leer, und Beiträge gibt es auch keine, obwohl Sie offensichtlich seit 2011 angemeldet sind. Sie bleiben anonym und - zumindest im eigenen Blog - schweigsam.

      Dies sagt natürlich in sich schon einiges aus. Hinzu kommt, dass Sie es in Ihrem Kommentar zu einem Blogbeitrag, der mit Kirche, Christentum oder Religion nichts/niente/nada/nothing zu tun hat, gerade mal drei Sätze lang durchhalten, ehe Sie zeigen, woher der Wind weht: Die Christen sind an allem Schuld.

      Ich werde gar nicht erst versuchen, Ihren Kommentar im Zusammenhang mit meinem Blogbeitrag verstehen zu wollen. Ich werde ihn stattdessen hier belassen, als leuchtendes Beispiel für die typische kognitive Verzerrung, wie sie leider wächst, und wächst, und wächst...

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  3. Diese Aufregung über den albernen kleinen Tanz ist deutscher als Bastian Schweinsteiger in Lederhosen. Während die ganze Welt gerade überrascht feststellt, dass die Deutschen tatsächlich auch lachen und feiern können.

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