Mittwoch, 25. März 2015

Medienschelte

Medienschelte ist opportun.
Medienschelte ist oft angebracht.
Medienschelte lässt uns besser aussehen.
Medienschelte - da simma dabei!

Ich bin auch oft "dabei". Und, wie ich finde, oft auch zu Recht. Aber gerade heute, einen Tag nach dem Absturz der Germanwings-Maschine, beobachte ich sie mit dem Gefühl einer Katze, die gegen den Strich gebürstet wird.

Gut. Wenn die Süddeutsche Zeitung sich über den Maischberger-Talk vom Vorabend echauffiert, der jeder noch so wilden Spekulation Raum gegeben habe, dabei aber selber einen Live-Ticker zur Katastrophe laufen lässt und soeben das Bild des demolierten Flugschreibers auf die Online-Titelseite gehievt hat, naja, dann lasse ich das mal unter "Ironie des Tages" und außer Konkurrenz mitlaufen.

Aber sonst geht online auch unter uns privaten Nachrichten-Endverbrauchern die Welle ab. Sei es in Kommentarspalten, sei es in Facebook-Postings, sei es in Blogbeiträgen; es ist überall der gleiche Tenor:

Die pösen, pösen Medien mit ihrer Sensationslust, die noch das kleinste Detail einer Katastrophe ausweiden, die sich auf die Angehörigen und Freunde der Opfer stürzen, die sich in wilden Spekulationen über den Auslöser der Tragödie ergehen, die sich fragen, was wohl den Opfern in ihren letzten Minuten durch den Kopf gegangen sein mag, und ob sie wohl ahnten, dass sie sterben würden, und... und... und...

...und all das müssen sie dann uns Zuschauern/Zuhörern/Lesern vorsetzen.

Und genau hier komme ich ins Grübeln.

WIR schauen hin. WIR schalten ein. WIR kaufen die Zeitung. Obwohl wir wissen, wie die Medien arbeiten.

Kann es nicht sein, dass wir uns aufregen WOLLEN, über die Medien?

Da kommentiert gerade jemand
"Das Ärgste sind die weinenden Gesichter der Angehörigen in Großaufnahme. So will sich niemand in der Zeitung sehen."
Sorry, aber das wüsste unser Jemand nicht, wenn er/sie nicht hingeschaut hätte. Oder?

Ist es nicht so, dass wir alle hier ein bisschen heuchlerisch vorgehen? Wir schauen hin, aber im Grunde wollen wir das gar nicht sehen - es sind nur die Medien Schuld, die uns ihren Thrash vorsetzen?

Setzen wir uns doch stattdessen einmal damit auseinander, was da in uns vorgeht, nachdem die Nachricht einer solchen Tragödie in den Alltag einbricht.

Erst mal der Schock. Was? Flugzeugabsturz? Und die Maschine war auf dem Weg nach Deutschland? Eine deutsche Fluglinie? Und die Leute teilweise hier aus der Umgegend? Nein!

Und genau dieses "Nein!" zeigt unser anfängliches Nicht-verstehen-können, unsere Unfähigkeit, eine solche Nachricht zu akzeptieren. Nicht hier! Nicht bei uns! Alle tot? Einfach so abgestürzt? Geht nicht!

Wir suchen Bestätigung "Ja, es ist tatsächlich passiert". Nachrichtensprecher, die vom Absturz berichten. Erste Fotos, und seien sie nur von einer anderen Maschine gleicher Bauart. Bilder und Worte, die uns klarmachen: Nein, es ist kein böser Traum.

Und dann wollen wir verstehen! (Und wie viel mehr noch wird es den Angehörigen der Opfer so gehen!) Wir können das nicht einfach so hinnehmen: Okay, der Flieger ist abgestürzt. Alle sind tot. Entsetzlich. Traurig. Schockierend. Und dann langsam damit beginnen, mit dem Unglück und seinen Folgen umzugehen. Nein! Um so fortzufahren, fehlt ein wichtiger Zwischenschritt:
"WIE konnte das passieren?

Und die Antwort hierauf erwarten wir uns von den Medien. Und weil wir eine Gesellschaft ohne Geduld geworden sind, erwarten wir sie sofort. Jetzt. Heute. Spätestens aber morgen.

Die Medien aber haben die Antwort nicht. Und werden sie vielleicht noch lange nicht haben. Was sollen sie also tun? Ihre Sendung beginnen mit den Worten:
"Wir haben zwar keine Ahnung, was passiert ist und können Ihnen heute auch überhaupt nichts neues sagen, aber bitte bleiben Sie dran!"
Seien wir realistisch: Wir würden schneller auf den nächsten Kanal schalten, als der Anchorman "Sch...!" sagen kann. Es geht um Quote, Quote, Quote - und nichts lässt die Quote besser steigen, als eine Katastrophe im eigenen Vorgarten, gemischt mit viel Herz und Schmerz und viel Gemenschel.

Die Medien verdienen dafür aber nicht alleine die Schelte. Wir sollten uns durchaus mal ans eigene Näslein packen (mich eingeschlossen).

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