Montag, 29. Februar 2016

Ein scharfer Heiliger

zumindest dem Namen nach: Oswald von Worcester

(Wer je, wie mir einst passiert, die Flasche Sojasoße mit der Worcestersauce verwechselt hat, weiß, was ich meine.)

Oswald starb am 29. Februar 992, als Bischof von Worcester. Ein Schaltjahr-Heiliger also.

Er war Däne, unser Bischof Oswald. Er verbrachte einige Zeit in Frankreich, ehe er nach England zurückkehrte und sich daran machte, französische (Kloster-)Regeln auch dort einzuführen.

Es ist spaßig, dazu bei den verschiedenen Quellen nachzulesen. Man schreibt von einander ab, was ja in Ordnung ist. Interessant wird es, wenn beim x-ten Abschreiben aus den "ehelosen Gemeinschaften" irgendwann die "eher losen Gemeinschaften" geworden sind. Nun, jedenfalls hat Oswald von Worcester diese Gemeinschaften in Klöster nach  dem Vorbild des franzöischen Fleury umgewandelt, und ob nun ehelos, oder doch eher lose, es hat den Gemeinschaften sicherlich gut getan.

Er war als großherzig bekannt, als mildtätig und bescheiden, und er führte u.a. tägliche Fußwaschungen an Armen während der Fastenzeit ein und ging selbst mit gutem Beispiel voran. Mehreren Quellen zufolge verstarb er nach einer solchen Fußwaschung.

Die von ihm erbauten Kirchen bestehen nicht mehr, aber eine wunderbare Verbindung in seine Zeit und sein Leben verschafft uns ein für ihn handgeschriebener und reich verzierter Psalter, der von der British Library digitalisiert und öffentlich zugänglich gemacht wurde! Ein längerer Blick lohnt sich:

http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=harley_ms_2904_fs001r

(Bitte beachten: die ersten weißen Seiten überblättern, und dann weiterblättern bis zur Kreuzigungsszene. Danach erst beginnt der eigentliche Psalter. )

Sonntag, 28. Februar 2016

Ach du heiliger...

...Lupizin?

Da kennt ihn heute ohnehin kaum noch jemand, und nun muss sich unser Heiliger auch noch den Gedenktag mit seinem Bruder teilen, in dessen Schatten er offensichtlich auch zu Lebzeiten ständig gestanden hat. In meinem Kalender stehen sie nämlich beide auf dem heutigen Tag erwähnt: Der hl. Roman, und sein Bruder, der hl. Lupizin, obwohl dieser ei-gent-lich seinen eigenen Gedenktag hätte, nämlich den 21. März.

Lupizin. Na, er dürfte sich vor 1.600 Jahren auch das eine oder andere Mal gefragt haben, was seine Eltern sich bei diesem Namen wohl gedacht hatten, während er neidisch auf den Bruder schaute. Kein Wunder, dass man unserem Lupizin nachsagt, er habe im Gegensatz zum sanften Wesen des Bruders eine eher rauhe Natur gehabt.

Nachgefolgt ist er dem Bruder dann aber trotzdem. Ins fromme Leben der Einsiedelei. Und später in das von ihnen errichtete Kloster. Im zweiten Kloster wurde unser Lupizin dann sogar Abt.

In den "neueren" Heiligenlegendchen wird recht großer Wert auf Romans Bescheidenheit gelegt, mit der er jede Verehrung ablehnte, und auf die Strenge der Ordensregeln, die er seinen Brüdern vorlebte. Andere Quellen dagegen "wissen", Lupizin habe eine zu große Milde des Bruders als den Grund für fehlende klösterliche Zucht erkannt.

In einem Buch über die Heiligen der Merowinger finde ich den Bericht, Roman habe den Wunsch des Bruders nach einer im Voraus vereinbarten gemeinsamen Grabstätte im Kloster abgelehnt, weil dort ja keine Frauen Zugang zum Grab gehabt hätten, und schließlich sei doch erwarten, dass zur Grabstätte eines so berühmten Wundertäters nach dessen Tod viele Wallfahrten führen würden.

So nett es ja heutzutage erscheint, wie er hier - weit seiner Zeit voraus - die Rechte der Frauen im Auge hatte, so sehr möchte man doch zweifeln, dass Lupizins Bruder sich wirklich zu einer solchen Eitelkeit verstiegen hat.

Lupizin, der wohl ca. 20 Jahre nach seinem Bruder starb, wurde jedenfalls wirklich in der Klosterkirche bestattet, während der Bruder außerhalb, auf einem kleinen Berg, begraben liegt, auf dem später eine Kirche errichtet wurde. Aber auch heute noch wird Lupizin immer wieder in den Schatten seines Bruders gestellt: Während mehrere Quellen davon berichten, wie die Brüder auf einer Reise zwei Aussätzige von ihrer Krankheit heilten, tauschen jüngere Quellen unseren Lupizin in dieser Wundergeschichte gegen einen "Jünger namens Palladius" aus.

Eine sehr schöne Geschichte über Lupizin und Luzifer gibt es in der "Neuesten Weltkunde" von 1830: Hiernach soll Luzifer sich in einem Wasserkrug versteckt haben, in der Hoffnung, dass unser Heiliger das Wasser trinken und damit den Teufel in sich aufnehmen würde. Lupizin "roch den Braten" und deckte den Krug mit einem schweren Stein ab. Seinen Durst stillte er stattdessen an einem guten Tropfen Wein. Na, so einen Heiligen lob' ich mir doch!

In diesem Sinne: Auf dein Wohl, Lupizin!

Donnerstag, 11. Februar 2016

Ein Rheinländer in Hamburg

Wenn ein Rheinländer nach Hamburg fährt.....

....dann macht er erst mal einen Spaziergang an der Alster...


...und wenn er von dort mit einem Hamburger telefoniert und auf die Frage "Wo bist du?" mit "An der Alster." antwortet, dann muss unser armer Rheinländer mit der Frage "An welcher?" rechnen! "Wie jetzt, ihr habt zwei davon?", fragt er verwirrt, um dann über Außen- und Binnenalster aufgeklärt zu werden.

Vom Alsterufer (der AUSSENalster) wird unser Rheinländer dann gleich mal die schöne Fassade des berühmtesten Hotels von Hamburg bewundern...


...dessen Innhof auch nicht von Pappe ist...


Alle wussten, dass das Kempinski die Dauer-Bleibe von "uns Udo" ist. 
Alle. Mit einer Ausnahme: Unser Rheinländer hatte keine Ahnung.


Das Atlantic ist schon eine Klasse für sich.  Es bietet z.B. einen abendlichen Service: Jemand kommt ins Zimmer und verstaut Tagesdecken- und Kissen, deckt das Bett auf, legt Hausschuhe und Pyjama zurecht, macht das Bad bereit und singt dem Gast noch ein Wiegenlied vor. (Ok, das Wiegenlied ist meine Erfindung.) Nur den Namen dieses Service, so möchte man anraten, sollte man überdenken: "Abdeck-Service" *grins*

 Dem Michel nähert man sich am besten aus der Ferne...


...denn ansonsten ist der Turm nur etappenweise aufs Bild zu bekommen:



Im Inneren erlebt unser Rheinländer eine katholische Vesper mit viel (kirchlicher) Prominenz, zum Ende der Ansgar-Woche. Der Michel ist übrigens eine evangelische Kirche, und der hl. Ansgar ein Heiliger, der auch von den Evangelen verehrt wird.

Schöne Häuser gibt es in der Stadt zuhauf:

Den Jungfernstieg besieht sich unser Rheinländer erst einmal "von oben", nämlich bei einer Tasse Tee in der Europa Passage. Im Februar ist das eine gute Idee.


Das Rathaus ist wirklich einer der schönsten Bauten der Stadt:



Zwar von Polizei bewacht, aber Touristen sind trotzdem Willkommen, sogar dann, wenn sie aus dem Rheinland kommen:



Ginge man an diesem Schild vorbei die Treppe hoch, käme man 
u.a. zur AFD-Fraktion Hamburgs. Aber das muss ja nun nicht sein.


Nicht DIESE Treppen!



Innenhof des Rathauses:


Die Trostbrücke mit dem hl. Ansgar darauf kann unser Rheinländer zu diesem Zeitpunkt gut gebrauchen...



...denn kurz darauf wird er mit der Skulptur "Prüfung" von Edith Breckwoldt konfrontiert, die sich an den Mauerresten der ehemaligen Hauptkirche St. Nikolai befindet. Mauerreste und der Turm wurden als Mahnmal erhalten, der Turm ist derzeit eingerüstet, da die Bausubstanz gesichert werden muss.




Wahrscheinlich wurden hier Annodunnemal tatsächlich auch "Heilkräuter" verkauft, aber die "Eilkräuter" passen vielleicht doch besser in unsere heutige Zeit?


Ja, und an dieser Brücke verschlägt es unseren Rheinländer nun in die "Speicherstadt". Dass man dort unbedingt hin muss, wenn man Hamburg besucht, hatte man ihm gesagt. Ehemalige Lagerhäuser? Nee, echt jetzt? Na gut, mal sehen, was es damit jetzt auf sich hat.


Noch ein kurzer Blick zurück auf eine schöne Häuserzeile:



Ja, aber... aber... aber hier steht ja alles unter Wasser! Kanäle, die nur per Bötchen befahren werden können. Wie? Man sagt hier nicht "Kanäle", sondern "Fleete"? ("Und es sind trotzdem Kanäle", murmelt unser Rheinländer leise vor sich hin.)



Aber die Speicherstadt hat unserem Rheinländer dann doch sehr gefallen. Trotz der vielen Kanäle... äh... Fleete. Es gibt hier vom Teppichhändler über diverse Museen, einer riesigen Modellbahnanlage (dem Miniatur Wunderland), Restaurants etc. sehr viel zu sehen und zu erleben. Unser Rheinländer, der leider nur wenige Tage in Hamburg ist, beschließt "Ja, da lohnt das Wiederkommen.".


Die Speicherstadt gehört zur HafenCity, wie auch dieser Teil:


Die nächsten Bilder nimmt unser Rheinländer auf, um das wohl unglaublichste seiner Hamburgreise festzuhalten: Blauer Himmel. Sonnenschein. Hatte man ihn doch gewarnt "Du fährst nach Hamburg? Im Februar? In Hamburg regnet es ständig, nie scheint dort die Sonne." Sogar die Hamburger glauben dieses Ammenmärchen. For the record: Unser Rheinländer hat in 3 Tagen nicht 1x mal einen Regenschirm gebraucht. (Geregnet hat es, wenn überhaupt, nur nachts.)




Irgendwann findet unser Rheinländer dann auch die "Lange Reihe", DIE Einkaufs- und Ausgehstraße im Viertel St. Georg. Er entdeckt einen Teeladen, den er gerne mit nach Hause nähme, das "Hamburger Kaufhaus", diverse Bioläden, Second-Hand-Läden, auch Klangschalen könnte man hier bekommen, Räucherstäbchen sowieso... und dann steht unser kleiner Rheinländer vor einem großen, exponierten Eckladen. Er schaut. Und wundert sich. Und schaut noch mal. Und plötzlich fällt es ihm ein: St. Georg! Hatte er nicht irgendwo gelesen, das sei DER Schwulen-Stadtteil Hamburgs? Nun, das erklärte zumindst die Angebotsbandbreite des betreffenden Ladens. Grinsend geht unser Rheinländer weiter.


Im nahegelegenen Mariendom macht er noch dieses Foto:


Und ein Bild der Rickmer Rickmers darf in seinem Album natürlich auch nicht fehlen:


Am Abreisetag noch rasch ein bisschen Alsterstimmung eingefangen:





Und vor der Abreise zu "Schweinske" im obersten Stockwerk des Wandelgangs im Hamburger Bahnhof - sehr zu empfehlen, mit selbstgebackenen Brötchen und uriger Gemütlichkeit. Da fühlt sich auch der Rheinländer gleich wie zu Hause.



Dienstag, 9. Februar 2016

Liebe Deutsche Bahn,

während ich dies schreibe, sitze ich in deinem Bordbistro im IC 2213, der Hamburg um 14:46 Richtung Düsseldorf verlassen hat. Ich sitze in deinem Bistro, aber ich werde nicht bedient. Nun wirst du sagen "in unseren Bord-Bistros wird nicht bedient". Also werde ich die Vorgeschichte erzählen...

Ich bin nämlich im Besitz eines 1.-Klasse Tickets. Damit stünde mir eigentlich eine Bedienung am Platz zu. Aus der Erfahrung der Hinfahrt weiß ich jedoch, dass mich diese Bedienung in den 3 1/2 Stunden Fahrtzeit nie erreichen wird. Also habe ich mich Richtung Bord-Bistro aufgemacht.

Nebenher habe ich dabei festgestellt, dass du, liebe DB, sehr wohl 1.-Klasse Wagen besitzt, die diesen Namen auch verdienen. Mein Wagen dagegen stammt mindestens aus den 1980ern. Von Komfort keine Spur.

Ferner gibt es technische Probleme: Die  Beleuchtung hat die Strahlkraft einer 20-Watt-Birne. Aufgrund kurzfristig geänderter Wagenreihung habt ihr das Pferd von hinten aufgezäumt und so dafür gesorgt, dass 90% der Fahrgäste in unserem Wagen zu stundenlangem Rückwärtsfahren verdammt sind.

Zudem frage ich mich, ob unser Wagen überhaupt eingesetzt hätte werden dürfen: Alle Türen, vorne wie hinten, rechts wie links, sind außer Betrieb! Ein Verlassen des Zugs ist also nur über einen anderen Wagen möglich. Einen Brand oder anderen Notfall mag ich mir da gar nicht vorstellen.

Nun ja, ich ging also zum Bistro und nahm Platz. Nachdem die Servicekraft vom Bedienen im angrenzenden Abteil zurückkam, bat ich sie um einen Kaffee. Und dabei entspann sich der folgende Dialog:

- Bedienung leider nur in der 1. Klasse.
- Ich komme aus der 1. Klasse, allerdings zwei Wagen von hier.
- Ja, bis dahin war ich noch nicht.
- Sehen Sie, und deshalb komme ich Ihnen ja entgegen.
- Ich darf aber nur 1. Klasse bedienen.
- Ich zeige Ihnen gerne mein Ticket als Beweis.
- Ich darf Sie aber nur IN der 1. Klasse bedienen. Gehen Sie doch kurz nach nebenan und setzen Sie sich dorthin.
- Auf anderer Leute Platz? Warum?
- Weil ich Sie nur da als 1.Klasse-Verkauf buchen kann.
- Und dann darf ich mit meinem Kaffee wieder ins Bistro kommen?
- Was Sie dann mit dem Kaffee machen, ist ja Ihre Sache.
- Sie verkaufen aber doch gegen bar, oder?
- Ja, sicher.
- Also, warum bringen Sie mir dann nicht einfach einen Kaffee hierher, wo es für Sie nur zwei Schritte zu laufen wären, und buchen den Verkauf auf einen beliebigen Platz der 1. Klasse?
- Ich diskutier' das jetzt nicht weiter.

Und damit ging die Dame fort, und ich werde seitdem ignoriert.

Gut, ich brauche den Kaffee jetzt nicht so dringend; es war mir ja mehr um einen bequemen Sitz, in Fahrtrichtung und bei guter Beleuchtung zu tun. Von daher bin ich guter Dinge, die letzten 1 1/2 Stunden der Fahrt noch problemlos ohne die überteuerte schwarze Plörre der DB zu überstehen. Aber ich bin, wie man bei uns im Rheinland sagt, im Moment extrem "sickig" auf dich, liebe DB. So geht man nicht mit Fahrgästen um, die einen guten Aufpreis auf eure ohnehin ständig steigenden Preise bezahlen, um sich eine lange Bahnfahrt etwas angenehmer zu gestalten!

Nur mal so am Rande, liebe DB, empfehle ich dir, deiner Geschäftsleitung einmal eine Fahrt 1. Klasse im Thalys zu spendieren. Teurer als ihr sind die nicht, aber der Service ist eher der einer erstklassigen Airline: Getränke aller Art werden am Platz serviert, dazu Frühstück, Mittagessen, Snacks für zwischendurch. Und weißt du was, liebe DB: Das ist alles im Ticketpreis inbegriffen. Bei dir dagegen warte ich darauf, eines Tages sogar den Toilettengang bezahlen zu müssen. Aber ich bringe dich nur auf Ideen, daher schließe ich meinen kleinen Rant jetzt besser.

Nur noch eines: Wenn du zusätzlich zu den Thalys-Tickets für deine Geschäftsleitung noch ein wenig Geld in die Hand nehmen möchtest, dann empfehle ich einen Grundkurs in Freundlichkeit und Service für deine Angestellten.

Mit verärgerten Grüßen

deine Heike

Donnerstag, 4. Februar 2016

Ans Kreuz mit...

Ich gebe zu: Mit dieser Bibelstelle hatte ich als Gutmensch immer so meine Probleme. Da sollte eine Menschenmenge "Ans Kreuz mit ihm!" geschrieen haben, wegen eines Mannes, der keinem von ihnen etwas angetan hatte und den viele sicher nicht einmal kannten? Gut, die Zeiten waren damals weniger zivilisiert als heute, aber trotzdem: An eine solche Meute wollte ich nicht recht glauben.

Warum?

Weil ich ein Gutmensch bin. Ein Naivling, der erst einmal posituv von seinen Mitmenschen denken muss.

Aber heute erschallen die Rufe "Ans Kreuz mit...!" auch in Hinblick auf die Gutmenschen. Denn sie sind schuld. Woran? Egal. An irgendwas halt, an der Flüchtlingskrise sowieso, und am derzeit schlechten Wetter mit Sicherheit auch.

"Ans Kreuz mit..." - natürlich benutzt (fast) niemand mehr diese Worte. Aber Menschen an den öffentlichen Pranger zu schlagen,  das ist heute so leicht wie nie zuvor, bis hin zu einer klaren Aufforderung zur Gewalt gegen eine Person(engruppe).  Die Rechtfertigung wird meist gleich mitgeliefert, und sie lautet  immer gleich: Wer nicht mit uns ist, der ist unser Feind.

Die linke Szene ist da natürlich besonders gut im Rennen; hier ist der Einsatz von Gewalt ja schon seit Jahrzehnten ein probates Mittel. Und die Logik lautet "Bist du nicht meiner Meining, dann bist du rechts. Und bist du rechts, darf ich dich totschlagen."

"Ans Kreuz mit dir!"

Konservative Christen = Nazis. Allesamt. Ohne Ausnahme. Rechte. Pegidanahe.

"Ans Kreuz mit ihnen!"

Flüchtlinge = Terroristen. Kriminelle. Sozialschmarotzer. Vergewaltiger. Allesamt. Ohne Ausnahme.

"An Kreuz mit euch!"

Kanzlerin Merkel = Sie allein ist schuld an der weltweiten Flüchtlingskrise, an der Klimakrise, am Untergang des Abendlandes und überhaupt.

"Ans Kreuz mit ihr!"

Putinversteher.
Besorgte Bürger.
Selbsternannte Lebensschützer.
Lügenpresse.

"Ans Kreuz mit ihnen!"

Christen.
Juden.
Muslime.

"Ans Kreuz mit euch!"

Letztendlich ist es egal, was der einzelne Mensch denkt, was ihn bewegt, wer er ist, was seine Person ausmacht. Die Mühe, das herauszufinden, will sich heute kaum noch jemand machen. Es gilt nur einzuteilen in die jeweiligen Feindbilder. Dazu sind Stereotypen so gut geeignet wie Lianen, an denen man von Palme zu Palme schwingt.

Wir haben den Menschen aus dem Blick verloren. Die Person. Unser Gegenüber. Die Achtung, den Respekt, das Verständnis, mit dem jedem Menschen begegnet werden sollte. Nein, wir müssen nicht jeden Menschen mögen. Wir müssen nicht seine Meinung teilen. Aber wir sollten uns mit ihm auseinandersetzen - statt ihn nur in einem beliebigen Etikett zu versehen und "Kreuzigt ihn!" zu kreischen.

Ich fürchte, ich bleibe ein unerträglicher Gutmensch.

Ans Kreuz mit ihr?

Samstag, 16. Januar 2016

Ach, Peter!

Da ich mehrere Freunde namens Peter habe, sollte ich wohl vorausschicken: Niemand von euch ist angesprochen. Ich hätte auch "Ach, Horst!" schreiben können, oder "Ach, Sophie-Luise!". Aber es ist nun mal ein Peter (so es denn sein echter Name ist), der seit längerem auf meinem Blog die Schublade "Unveröffentlichte Kommentare" füllt.

Soll ich Kommentare veröffentlichen, die klar aufzeigen, dass hier ein Mensch schreibt, der meinen Blog zwar liest, aber nichts von dem, was ich schreibe, verstehen kann oder will? Wo ist der Sinn?

Im vorliegenden Fall hatte ich in den letzten beiden Blogbeiträgen zu der völlig falsch und lügnerisch wiedergegebenen Predigt eines spanischen Bischofs geschrieben. Ich hatte die echte Predigt in meinem Blog verlinkt. Ich hatte den relevanten Teil daraus ins Deutsche übersetzt. Danach war klar: Alles Lüge! (Wer es nicht glaubt, darf es gerne in den beiden vorangegangenen Blogbeiträgen nachprüfen.)

Und nun wieder der Peter. Sein heutiger Kommentar begann so hoffnungsvoll:
"Heuchlerisch, jetzt auf dem Erzbischof rumzuhacken."
Doch dann fuhr er fort:
"Er spricht nur in anerkennenswerter Ehrlichkeit aus, was die katholische Kirche an dem Punkt immer gedacht und gelehrt hat. [...] Da nützen auch keine winkeladvokatorischen hermeneutischen Klimmzüge, dass man das doch irgendwie anders, "differenzierter" verstehen müsse."
Man möchte verzweifeln an solchen Zeitgenossen. Sollte ich irgendwann einmal einen Beitrag posten, der aus lauter süßen Katzenbildern besteht, finde ich wahrscheinlich in seinem Kommentar eine Abhandlung darüber, wie Katzen "im finsteren Mittelalter™" als angebliche Begleiter der Hexen von Kirchens verfolgt wurden.

Gibt es diese Hasser erst, seit es Social Media gibt, oder war man vorher einfach nur in der glücklichen Lage, sich seltener mit ihnen herumschlagen zu müssen?

Sie hassen eine bestimmte Institution - gerne die Kirche, allgemein, oder auch nur die katholische - oder eine bestimmte Menschengruppe, oder eine politische Richtung...

Nun ja, Hass ist nicht immer logisch. Ich z.B. habe eine tiefempfundene Abneigung gegen Spinnen. Mir ist bewusst, dass dies unlogisch ist, denn Spinnen - zumindest unsere westeuropäischen Varianten - sind völlig harmlos. Trotzdem werden wir wohl nie Freunde werden.

Bei diesen Menschen hat ihr Hass jedoch eine pathologische Sonderform angenommen, die sich in einer extremen Wahrnehmungsstörung ausdrückt:

Jede Meldung, jeder Einwand, jede Bemerkung, die der eigenen, vorgefassten und im Hirn felsenfest verankerten Meinung zuwiderläuft, wird entweder ausgeblendet oder in ihr Gegenteil verkehrt. Eine Diskussion ist auf diese Weise mit dem Erkrankten unmöglich geworden. So geduldig und ausführlich man auch versuchen mag, ihn auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen, mit so viel Vehemenz wird sein Hirn ihn dazu bringen, sich die Ohren zuzuhalten und bei fest geschlossenen Augen laut gegen die Stimme der Vernunft anzuträllern.

Einer ganzen Herde dieser Spezies begegne ich derzeit in der Kommentarspalte des *hüstel* Humanistischen Pressedienstes, der seine Lügengeschichte über den Bischof weiterhin online stellt. Dort wimmelt es von Kotzsmileys und mehr oder weniger fantasievollen Anregungen, wie mit dem "Kinderficker" verfahren werden sollte. (Dass alle Bischöfe selbstverständlich Kinderficker sind, wird hier wohl einfach schon vorausgesetzt.) Mehrfach gab es Zwischenrufe (auch von mir), dass es sich hier um eine Lügengeschichte handelt, mit anhängigen Beweisen (Link zur Predigt, Link zu Übersetzungen etc.). Doch es ist, als wären diese kurzen Einschübe der Wahrheit und Vernunft für unsere wahrnehmungsgestörten Hasser unsichtbar. Ihnen wird nicht einmal widersprochen. Sie sind sozusagen einfach nicht passiert: 
Weil«, so schließt er messerscharf,
»nicht sein kann, was nicht sein darf.«

Freitag, 15. Januar 2016

Vernichtende Worte

Nachdem ich am späten gestrigen Abend diesen Beitrag online gestellt hatte, ging ich zu Bett. Aber ich lag noch lange wach.

Ich dachte über die Vernichtungskraft böswilliger Worte nach, die auf den Wellen der Empörungskultur reitend rasante Verbreitung finden, unterstützt von Medien, die ihre Pflicht zu eingehender Recherche vergessen und mit dieser Trägheit den Zerstörungsfeldzug der Schandmäuler unterstützen.

Und ich dachte an einen spanischen Bischof, von dem ich bis gestern noch nie im Leben gehört hatte und dem nun mein ganzes Mitleid galt, da ihn die Medien seit Tagen verächtlich machen und er in den diversen Kommentarspalten auf das übelste beschimpft wird.

Ein Bischof hält zu einem katholischen Hochfest eine Predigt. Und weil es das Fest der Heiligen Familie ist, macht er die Familie zu ihrem zentralen Thema. Er spricht auch ein Problem an, das derzeit sein Heimatland, Spanien, sehr beschäftigt: Gewalt bis hin zu Mord an Frauen, durch ihre eigenen Ehemänner. Es sei gut, sagt er, dass die Frauen heute offen über diese Gewalt sprechen können, ebenso wie es gut sei, dass es Gesetze und Schutzmaßnahmen gäbe, um ihnen beizustehen. Er fürchte aber, dass dies alles zu kurz greift - das Innere der Männer müsse sich ändern, denn als Auslöser für die Gewalt gegen ihre Frauen beschreibt der Bischof ein "Machotum", das die Frau nicht als gleichwertigen Menschen akzeptiert und es nicht erträgt, wenn sie die Trennung wünscht und diese auch durchsetzt. Eine wahre Ehe, so der Bischof, beruhe jedoch auf gegenseitiger Liebe, Respekt und Vertrauen.

Diese Worte wurden in diversen Medien zu "Zitaten" umgemünzt, in denen der Bischof "sagt", Frauen müssten ihren nur Männern gehorchen, dann setze es auch keine Schläge.

Dumm gelaufen? Ein Übersetzungs- bzw. Interpretationsfehler, der in Zeiten einer rasanten Verbreitung durch das Internet eine Eigendynamik erhielt, die nicht mehr aufzuhalten war?

Wohl eher nicht.

Was hier geschah - und immer noch geschieht - zeigt uns im Gegenteil, wie leicht und schnell heutzutage ein Mensch "unmöglich" gemacht werden kann.

Ein aus dem Kontext gerissener Satz, hämisch zitiert und mit einigen Lügen ausgeschmückt, wird unter das Volk geworfen. Und das Volk reagiert wie gewünscht: Es schluckt die Geschichte wie der Frosch die Fliege.

Dem Internet nicht vertrauen zu können, ist das eine. Viele von uns haben das inzwischen begriffen.  Eine ganz andere Brisanz erhält ein solcher Vorgang jedoch, wenn er auch von professionellen Medien aufgegriffen wird, die ihn ebenfalls unhinterfragt verbreiten. Wenn eine solche Verleumdungskampagne - denn etwas anderes ist es ja nicht - von Zeitungen wie der "Welt" und sogar von kirchlichen Medien 1:1 übernommen wird, ohne dass wenigstens hier einmal die Frage aufkäme "Hat eigentlich mal jemand überprüft, ob diese Story WAHR ist?", dann ist das schon sehr starker Tobak.

Wie mächtig ist das Wort.

Es mag ja gut sein, sich dessen zu erinnern und das Gewicht auch der eigenen Worte nicht zu unterschätzen.

Doch was nützt das, wenn meine Worte verdreht und ihnen Lügen hinzugefügt werden, und mir die daraus entstehenden "Fakten" anschließend um die Ohren fliegen?

Verleumderische Worte sind eine furchtbare Waffe, denn eine Gegenwehr ist fast unmöglich.

Stoppen können wir solche Kampagnen nur, wenn wir uns nicht zu ihren Werkzeugen machen lassen.

Ich weiß, das ist nicht einfach. So manche Empörung und/oder Häme verbreitende Nachricht scheint ja geradezu um Verbreitung zu betteln. Wir sollten nur eines nicht vergessen:

Wenn man Scheiße in den Ventilator wirft, ist die Verbreitung zwar optimal, aber man selber steht anschließend auch nicht gut da.