Samstag, 25. Juni 2016

Marmite, Marmalade & Mint Sauce. Ein Englandfan und der Brexit.

Ein Flug nach London war die erste Auslandsreise meines Lebens. Und ich habe mich in diese Stadt verliebt. Das immer wieder gerne beschworene Bild des Mit- und Nebeneinander der verschiedenen Gesellschaftsschichten habe ich damals, und später immer wieder, tatsächlich so erlebt. Da saß der Geschäftsmann in Anzug und Bowler neben dem Punk (ja, dieser erste Besuch ist lange her) mit grünen Haaren in der Underground, und niemand hob auch auch nur eine Augenbraue darüber.

Mein Vater arbeitete im hiesigen britischen Headquarter - inzwischen sind sie abgezogen, das Gelände verfällt vor sich hin - und da man damals noch ungehindert in den NAAFI-Läden einkaufen könnte, entwickelte ich eine Vorliebe für Marmite, bittere Orange Marmalade, Cadbury Dairy Milk Chocolate und Cheddar Cheese, die für die meisten Deutschen wohl nie so ganz nachvollziehbar sein wird.  Nur bei (Wild)Schwein mit Mintsoße halte ich es eher wie Obélix und sage "Die spinnen, die Briten."

Und nun hat mich der Brexit kalt erwischt. Ich war mir sicher: Dazu wird es nie im Leben kommen; alles nur Panikmache.

Ich hörte, dass zwei Stunden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses vermehrt innerhalb des UK bei Google die Anfrage "Was passiert bei einem Brexit?" aufgerufen wurde. Gut, natürlich kann man sagen, dass es sich hierbei auch um solche Menschen handeln kann, die Nein zum Brexit gewählt haben und nun herausfinden wollen, wie es weitergeht. So ganz glaube ich das nicht. Denn ich halte die - leider nur knappe - Hälfte der Wähler, die für den Verbleib in der EU stimmten, für die informiertere Seite. Die werden größtenteils verstanden haben, was ein Ausstieg aus der EU bedeutet.

Ich habe die Vermutung, dass ein Teil der "Nein zur EU"-Wähler gar nicht mit einem Sieg ihrer Seite gerechnet haben. Sie wollten mit ihrer Stimme der eigenen Regierung und, ja, auch der EU, eine kleine Breitseite, einen Denkzettel verpassen. Konsequenzen aber sollte das nicht haben.

Andere Brexit-Befürworter wiederum wollten natürlich, dass ihre Seite gewinnt. Sie waren so aufgepeitscht von der Meinungsmache eines Boris Johnson, und eines Nigel Farage, dass sie über deren Parolen nicht mehr hinausdenken konnten. Viele von ihnen werden bereits ein erstes böses Erwachen erleben:

Boris Johnson kümmert sich an einem solchen Tag lieber um sein Cricketspiel.

Und Nigel Farage gibt nur wenige Stunden nach dem Brexit zu, sein Versprechen, dass 350 Millionen Britische Pfund nach dem Brexit statt an die EU an das staatliche Gesundheitssystem gehen würden, ein FEHLER war und er dieses Versprechen also nicht würde einhalten können. Na, wenn das kein Wahlbetrug war, dann weiß ich es auch nicht.

Angesichts der Tatsache, dass dieses Versprechen einer DER Wahlkampfslogans für den Brexit war, ist das schon ein Grund für seine Anhänger, "not amused" zu sein.

Da mag es tatsächlich manchem Ja-Wähler flau werden, wenn er sich zum ersten Mal die Frage stellt "Was hab' ich getan?".

Es gibt bereits eine Online-Petition, mit der in diesem kurzen Zeitraum bereits über 1,5 Mio. Briten ein zweites Referendum fordern.

Selber schuld?

Ach, ich weiß nicht. Die Einpeitscher gegen die EU, die mit faulen Fakten und viel Hass auf andere (gepaart mit einer guten Portion Eigenliebe) daherkommen - die gibt es in jedem Land, und solche, die sich nach einem vereinfachten Weltbild sehnen und ihnen auf den Leim gehen, ebenso. Wie sagte doch Frau von Storch von der deutschen AfD gestern so schön: "Ich habe geweint vor Freude." Über den Brexit nämlich. Das sind die Leute, die bei den nächsten Wahlen in Deutschland auf Stimmenfang gehen werden, und die sie auch bekommen werden. Pfui Deibel.

Man möchte sie ja alle auf den Mond schießen. Aber der will sie bestimmt auch nicht. Außerdem würden neue Einpeitscher nachfolgen. Denn wie sagte Einstein doch so schön:
"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht sicher."

3 Kommentare:

  1. Das schönste englische Wort, dass ich kenne heißt "pay attention". Wem dies zu mühsam und zu anstrengend ist, der zahlt ein Vielfaches drauf. Davon bin ich felsenfest überzeugt. "Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde!" beten wir in jeder hl. Messe. Wir sollten da auf Turbo schalten, nicht nur auf Bezug auf den Brexit....

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  2. "... und solche, die sich nach einem vereinfachten Weltbild sehnen"
    sehen sich durch diesen 'post' doch bestens bedient.
    (also sorry jetzt)

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