Mittwoch, 13. April 2016

Böhmermann, oh Böhmermann!

Was denke ich eigentlich über Böhmermann, und über das Gedicht, das derzeit Deutschland und die Türkei bewegt?

Zuerst mal wird mir klar, dass ich vor "dem Gedicht" den Namen Böhmermann noch nie gehört hatte. Ob das vielen Deutschen so ergangen sein mag? Den Türken ganz sicher. Okay, als Eigenwerbung also sehr wirksam, dieser Coup. Aber inzwischen ist ihm wohl klar geworden, dass er in seiner Wirksamkeit am Ziel vorbeigeschossen ist.

Andererseits: Polizeischutz. Für den heutigen Satiriker wohl der Ritterschlag.

Und das Gedicht selbst? Eine Scheußlichkeit.

Satire ist eine Kunst, und Kunst kommt von Können, und nicht jeder kann.

Vieles, was heute als Satire verbreitet und bejubelt wird, verdeckt das eigene Nicht-Können durch Widerwärtigkeiten, Schläge unter die Gürtellinie, Vereinfachungen komplexer Themen und einer Haudrauf-Attitüde, die immer wieder auf die gleichen wohlfeilen "Gegner" eindrischt.

Muss man sowas schreiben/zeichnen/sagen/verbreiten? Nein.
Muss man sowas schreiben/zeichnen/sagen/verbreiten dürfen? Ja.

Aber was ist denn nun mit Böhmermann? Kann der Können, oder meint er nur, Müssen zu müssen? Und ist sein Gedicht nun strafwürdig, oder eben nicht?

Das Gedicht an sich, also ganz für sich allein stehend, ist eine so klare Beleidigung einer Person, dass es höchstwahrscheinlich strafwürdig wäre. Im Kontext seiner Präsentation ist es allerdings ein geschickt formuliertes "Lehrstück" darüber, was eben NICHT öffentlich über einen Menschen gesagt werden darf, eben WEIL es den Strafbestand einer Beleidigung aufmacht. Und da frage ich mich, ob Herr Böhmermann seine Lehrstunde nicht noch ein wenig weiter geführt hat, indem er uns gleichzeitig aufzeigte, was gute Satire, und was ein gutes Spottgedicht eben NICHT sind. Vielleicht könnte er besser, wenn er denn wollte? Wer weiß?

Herr Erdogan dagegen, so viel wissen wir, ist ein großer Freund von Pressefreiheit, freier Meinungsäußerung und Demonstrationsrechten. Tatsächlich liegen ihm die Protagonisten derselben so sehr am Herzen, dass er ihnen stets und überall ein großes Polizeiaufgebot schützend zur Seite stellt und vielen sogar Wohnrecht auf Staatskosten geradezu aufgezwungen hat.

Darf er sich also zu Recht durch Böhmermanns Gedicht verunglimpft fühlen? Naja, im obigen Kontext gesehen natürlich nicht, denn eigentlich hat sich Böhmermann ja durchaus schützend vor Erdogan stellen wollen, indem er seinen Kollegen aus der Satire-Branche einmal ganz klar vorgeführt hat, was sie über seinen Freund NICHT sagen dürfen. Aber wie das eben so ist: Deutsche Sprache - schwere Sprache. Wahrscheinlich hat Erdogan das einfach nicht verstanden. Da ist es schon gut, dass er jetzt einen Prozess gegen Böhmermann anstrengt, damit ein deutscher Richter ihm das einmal erklärt. Anschließend können die beiden sich ja bei einem türkischen Apfeltee mal so richtig ausschwätzen.

Zum Abschluss aber noch mein eigener Standpunkt:

Ich war nie "Je suis Charlie". Weil ich Charlie Hebdo für ein schlechtes Magazin halte, mit teils widerwärtigem Spott, der sich für Satire hält, und mit, was fast noch schlimmer ist, radikal mittelmäßigen bis schlechten Zeichnungen. Das kann jeder Peter 100fach besser.

Aber in Frankreich herrscht Pressefreiheit, und diese gibt den Leuten von Charlie Hebdo das Recht, ihr Magazin zu veröffentlichen. So wie auch in Deutschland Presse- und Meinungsfreiheit herrscht.

Und das ist auch verdammt gut so.

Was Kanzlerin Merkel mit alledem zu tun hat? Eigentlich nichts. Hoffe ich.

1 Kommentar:

  1. "... eigentlich hat sich Böhmermann ja durchaus schützend vor Erdogan stellen wollen, indem er seinen Kollegen aus der Satire-Branche einmal ganz klar vorgeführt hat, was sie über seinen Freund NICHT sagen dürfen." Herrlich, Heike! Du hast wirklich einen inneren Draht für Satire! Der Satz erinnert mich an meine Mutter. Wenn sie den Saft des Nachtischs aus dem Schüsselchen trank, anstatt in auszulöffeln, pflegte sie uns das so zu erklären: "Jetzt zeige ich euch mal, wie man es NICHT macht!"

    Im übrigen: siehe meinen Kommentar beim PAPSTTREUEN.

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