Montag, 4. März 2019

Greta



Greta Thunberg polarisiert.

Unter meinen Freunden und Bekannten, und auch in der Blase der sozialen Netzwerke - überall steht man einander unversöhnlich gegenüber:

Sagst du in der falschen Umgebung etwas contra Greta, bist du unten durch.
Sagst du in der falschen Umgebung etwas pro Greta, bist du unten durch.

Arme Greta.

Wird sie auf Dauer diesem Druck standhalten können?

Wie lange wird es dauern, bis jene, die sie gerade zur Ikone erheben, sich eine neue Gallionsfigur suchen, der sie huldigen können?

Wann werden jene genug haben, die sich gerade nicht zu schade sind, als gestandene, erwachsene Menschen eine 16jährige durch den Reißwolf zu ziehen?

Wie denke ich selbst über Greta Thunberg?

Zuerst einmal erfahre ich mich als sehr unaufgeregt, wenn ich an Greta denke.

Ich denke an die vielen Auszubildenden und Praktikanten - alle in Gretas Alter oder wenig älter - die ich in den letzten 25 Jahren beruflich jeweils für kurze Zeit begleitet habe.

Da gab es solche, die in den Schulen zu "Bulimie-Lernern" (danke an eine Freundin für diesen so passenden Begriff) wurden: Wissen reinstopfen und zur Prüfung wieder auskotzen, und weg ist es. Denen musste man erst einmal beibringen, dass das, was sie jetzt lernten, tatsächlich angewandt und umgesetzt werden musste.

Dann gab es jene, die sich nach bestandenem Abitur für den großen Zampano hielten und erwarteten, gleich in den Chefsessel gehoben zu werden. Die mussten ein wenig zurechtgestutzt werden, ehe man mit ihnen arbeiten konnte.

Es gab die Fleißigen, die Faulen, die Wissbegierigen, die Clowns, die Trödler...

So könnte ich lange weitermachen. Eines aber hatten alle gemeinsam: Sie waren unterwegs.

Unterwegs zu sich selbst.
Unterwegs ins Erwachsensein.
Und vor allem:
Unterwegs zu der Erkenntnis, wenig zu wissen und noch weniger zu verstehen, und dass sich daran auch nie etwas ändern wird.

Und dann denke ich an mich selbst. Auch wenn es schon einige Jahrzehnte zurückliegt: Ich kann mich noch recht gut erinnern, wie ich in dem Alter war.

Ich spare mir die Einzelheiten und fasse es mit dem heutigen Blick auf mein damaliges Ich einmal so zusammen:

Ich war ein selbstverliebter Großkotz, der davon überzeugt war, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben und der voller Mitleid und sehr erhaben auf die verblödeten Erwachsenen um sich herabschaute.

Kurz gesagt: Ich war ein Teenager. Und völlig normal.

Auch Greta Thunberg ist ein Teenager.

Von Gretas Aufruf zum freitäglichen Schuleschwänzen halte ich nichts, das ist der falsche Weg.

Und trotzdem möchte ich damit schließen, dass ich sage:

Wir sollten nicht alle durch Teenager ins Leben gerufene Bewegungen gleich in Bausch und Bogen verdammen.

Im März 2018 riefen Schüler in den USA zu einem "March for our lives" auf, als Reaktion auf ein neuerliches Schulmassaker, vor allem jedoch als Reaktion auf die ewig gleichen Lippenbekenntnisse der Politiker, die seit Jahrzehnten keinerlei Veränderungen nach sich ziehen. Überall in den USA zog es am 24. März tausende vor allem junge Menschen auf die Straßen, insgesamt demonstrierten Millionen. Die Bewegung der Jugendlichen arbeitet weiter. Ob sie Erfolg haben werden, eines Tages in ihrem Land etwas zum Positiven zu verändern? Wer weiß.

Die Parallelen sind jedenfalls klar zu sehen.

Vor allem eines ist wichtig: Diese jungen Menschen - hier wie dort - haben Angst um ihre Zukunft.

Das müssen wir ernst nehmen.


2 Kommentare:

  1. Ich würde Greta Thunberg gerne mal einladen. Ich würde sie fragen, wie es ihr geht, und ihr zuhören. Ich würde versuchen, ihre Weltsicht zu verstehen. Und ich würde ihr absolut recht geben damit, daß die Welt in keinem guten Zustand ist und das zum großen Teil von Menschen verschuldet ist.

    Ich würde ihr auch sagen, daß ich Schuleschwänzen als Politikum nicht für richtig halte (und daß ich es aus anderen Gründen sehr gut verstehen kann). Und daß ich glaube, der menschliche Anteil am Klimawandel ist ziemlich gering - daß ich aber ebenfalls annehme, alle uweltschützerischen Maßnahmen, die "für das Klima" ergriffen werden, sind auch dann sinnvoll, wenn sie auf das Klima gar keinen Einfluss haben. Saubere Luft und schonender Umgang mit Ressourcen ist ja nicht so schlimm.

    Dann würde ich wahrscheinlich darüber bloggen und hätte danach ein paar katholische Freunde weniger.

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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