Ja, es hat etwas gedauert, mit der Fortsetzung zu meiner
Verteidigung Hornsteins, aber schließlich ist "Blogger" ja auch nur mein Nebenberuf. Aber es "muss" sein, denn einerseits habe ich im ersten Teil nur Hornstein selbst gegen ein meiner Ansicht nach schlechtes "Contra" verteidigt, nicht etwa
Hornsteins Beitrag an sich, und andererseits möchte ich mich mit seinen Thesen zur Flüchtlingskrise näher beschäftigen. Eine erste Meinung ist schnell gebildet, aber sein Beitrag lohnt es, sich etwas intensiver damit auseinanderzusetzen.
Er titelt mit:
"Der Christ und die Frage der Flüchtlinge: Wer ihnen Tür und
Tor öffnen will und sich dabei auf die Bibel beruft, sollte in der
Heiligen Schrift nochmals genauer hinschauen"
Ganz allgemein hat er da meine Zustimmung. Ich bin generell kein Freund davon, Antworten mit (Bibel-)Zitaten geben zu wollen. Es ist damit ein wenig wie mit dem Spruch
"Trau' keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast"
nur dass es hier heißen müsste
"Trau' keinem (Bibel-)Zitat, das du nicht selber aus dem Zusammenhang gerissen hast."
Naja, schauen wir mal...
Tür auf? Tür zu?
Mir missfällt seine "Anklage", das "Tür auf" werde hauptsächlich von Menschen gefordert, "die allesamt ihre Türen zuverlässig absperren, wenn sie ihr Haus verlassen". Solche Menschen gibt es sicher. Aber "hauptsächlich"? Das bezweifle ich. Es ähnelt mir zu sehr den hämischen Repliken aus gewissen Lagern, es möge doch bitte jeder Befürworter der Flüchtlingsaufnahme erst mal selber einen Flüchtling zu sich ins Haus nehmen. Erstens weiß ich durch eine Freundin, die hier tatsächlich aktiv wurde, welche Knüppel ihr dabei von deutschen Behörden zwischen die Beine geworfen wurden und immer noch werden. Und zweitens ist es möglich, sich mangels ausreichenden Wohnraums auch anderweitig in der "Flüchtlingsfrage" zu engagieren.
Zwei Welten - unvereinbar?
Weiter stößt mir dieser Satz schwer auf, über die zwei Welten, aus denen die Flüchtlinge und wir stammen:
"...dass die einen sehr produktiv sind und zugleich in einer hochkomplexen,
ebenso „stressigen“ wie störungsanfälligen Welt leben, die anderen
ungleich einfacher und in keinster Weise gebaut für ein Leben in der
anderen Welt"
Das ist doch sehr herablassend, wie ich finde. Ja, viele dieser Menschen stammen aus einer Welt, die unserer so wenig gleicht, wie unsere heutige Welt jener an Bord eines Star-Trek-Raumschiffs des 24. Jahrhunderts. Aber haben sich Menschen nicht immer schon und immer wieder den größten Veränderungen ihrer Lebensumstände innerhalb weniger Jahre problemlos angepasst? Woher die Arroganz nehmen, den zu uns kommenden Flüchtlingen die hierzu nötige Intelligenz und das Lernvermögen abzusprechen?
Eine Einschränkung muss ich geben: Der Wille muss natürlich vorhanden sein! Ein Gast hat sich an die Regeln und Gebräuche der Gastgeber zu halten, nicht umgekehrt.
"Wer ist unser Nächster?"
Hornstein meint, diese Frage müssten wir uns erneut stellen, denn wir, also unser Land und seine Zukunft, seien in tödlicher Gefahr aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen.
Nein, ich will hier nicht völlig widersprechen. Wenn wir nicht lernen, die oben angeführte Einschränkung als "Gastgeber" strikt und ohne Gefühlsduselei durchzusetzen, wenn wir nicht erbitten sondern verlangen, dass die "Gäste" sich an unsere Gesetze halten und sich zu integrieren suchen, und wenn wir, wo das nicht geschieht,nicht ohne Wenn und Aber den "Gast" vor die Türe setzen - ja, dann sehe auch ich unser Land in großer Gefahr.
Aber was hat das mit der Frage zu tun, wer unser Nächster ist?
Statt auf seine eigene Frage zu antworten, schiebt Hornstein sie auf und stellt fest, dass die Menschen nicht gleich sind, auch nicht vor Gott. Jedenfalls stünde es so nicht in der Bibel.
Vor Gott sind nicht alle gleich?
Nein, ich werde das nicht ins Lächerliche ziehen. Hornstein hat sich ernsthaft mit dieser These auseinandergesetzt. Und er hat ja Recht: Die Menschen sind vor Gott nicht gleich - allerdings ist die Ungleichheit vor Gott eine ganz andere. Es ist die Ungleichheit z.B. des "Wie ist der Mensch?", des "Wie handelt er, wie lebt er, wie handelt er an seinem Nächsten?". Allerdings kommt Hornstein hier letztendlich zu einem für mich falschen Schluss: Die Botschaft sei "Du bist nicht der andere!" und die Lösung "Lebe du dein Leben..." und übertragen auf die Flüchtlinge "Du bist kein Deutscher. Also nicht: Werde Deutscher, dann geht es Dir gut." Dies liest er aus Bibelstellen wie den Geschichten um Adam und Eva, Kain und Abel, Josef und seine Brüder, Jakob und Esau oder dem Turmbau zu Babel.
Falsch. Er übersieht den Hauptaspekt all dieser Geschichten: Hier wollen Menschen entweder ihre Ungleichheit zum anderen, gefühlt oder real besser gestellten Mitmenschen, durch Gewalt am anderen "ausgleichen", oder sie wollen werden wie Gott selbst. Daraus folgert aber keinesfalls die Botschaft, dass der Mensch nicht seine Lebensumstände verbessern wollen darf. Der gesunde Ehrgeiz, ein besseres Leben zu wollen, bleibt davon völlig unberührt.
Hornstein vergleicht am Ende dieser Schlussfolgerung Deutschland mit dem Paradies, das ja ein Garten gewesen sei, der geschützt wird von einem Gebäude: Der Mauer. Ohne Mauer wächst keine Rose, schreibt Hornstein.
Hier mag sich jeder Leser seinen eigenen Teil denken - ich lasse es unkommentiert stehen.
Und noch einmal der Nächste
Hornstein führt uns jetzt jedenfalls wieder zurück zu der Frage, wer denn nun unser Nächster sei - oder besser, wie wir ihm helfen können/dürfen, und wie eben nicht.
Er führt das Beispiel Mutter Teresas an, die zwar Sterbende von den Straßenrändern aufgelesen und aufgenommen, die aber nie auf die Idee gekommen wäre, diese Menschen nun alle nach Europa zu bringen.
Nun ja. Das ist richtig, ja. Aber was bedeutet es für unsere Frage? Eigentlich: Nichts. Der Ausdruck vom Vergleich von Äpfeln und Birnen drängt sich mir auf.
Dann kommen wir natürlich zum Gleichnis schlechthin, wenn es um die Frage nach unserem Nächsten geht, und wie wir ihn zu behandeln haben: Der barmherzige Samariter.
Vieles von dem, was Hornstein nun schreibt, ist völlig richtig. Ja, die Geschichte zeigt uns, dass jeder von uns in die Situation kommen kann, helfen zu "müssen". Dass wir beten sollen, in einer solchen Lage nicht zu versagen.
Wieder aber ist es der Schluss, den Hornstein zieht, der mir ein wenig die Haare zu Berge stehen lässt.
Der Samariter habe dem Verletzten in jeder Weise geholfen, aber er habe ihn eben nicht letztendlich aufgefordert "Kommt nach Samarien, dort wird für euch alle gesorgt."
Warum hätte er das aber tun sollen? Der Mann war unter die Räuber geraten, vermutlich, während er, wie der Samariter auch, auf Reisen war. Er war - jedenfalls steht nichts davon in der Bibel - nicht aus seinem Heimatland geflohen, weil er dort verfolgt oder verjagt wurde. Es wird auch nichts davon gesagt, dass in seinem Land etwa eine Hungersnot herrschte und er deshalb fortging. Wenn dieser Mann, der Verletzte, gesundgepflegt wäre, würde er in sein Land und vielleicht - sehr wahrscheinlich sogar - zu seiner Familie zurückkehren und ein glückliches Leben führen können.
Helfen - immer und überall?
Hornstein sieht heute eine generelle Botschaft, immer und überall helfen zu müssen, sozusagen ein "immer dran"-sein. "Immer in Bereitschaft", nennt er es, und folgert, dass, wenn wir dieser Richtung folgten, wir kein eigenes Leben mehr führen dürften, denn "immer ist zu helfen".
Das zeigt mir, dass Hornstein die Geschichte um den barmherzigen Samariter spektakulär missverstanden hat: Nicht wir entscheiden, wer unser Nächster ist, sonder unser Nächster ist immer der, der unsere Hilfe braucht und dem wir aufgrund unserer eigenen Situation helfen können. Wir sollen und können unser Leben leben, aber wir dürfen gleichzeitig die Augen nicht verschließen, wenn wirklich - im übertragenen Sinne - unser Nächster an unsere Tür klopft und unsere Hilfe gefordert ist.
Der normale, einfache Mensch - denn wir sind nun einmal nicht alle Heilige wie eine Mutter Teresa - ist nicht verpflichtet, immer und überall und bis zur tödlichen Erschöpfung durch die Straßen zu laufen, um den Nächsten zu suchen, der seine Hilfe braucht. Er kann darauf vertrauen, dass Gott ihm immer wieder den einen oder anderen Nächsten direkt vor die Türe stellt, als Aufgabe: "Hilf! Hier! Jetzt!"
DANN darf er nicht versagen, so wie jene, die vor dem Samariter vorüberzogen und nicht sehen wollten.
Hornsteins weiteres Beispiel zur Heilung eines Lahmen muss ich nicht kommentieren, da es im Grunde nur eine Wiederholung der These ist, auf die ich oben bereits geantwortet habe.
Eine Zustimmung
Ich hatte schon in meinem ersten Beitrag geschrieben, dass es durchaus auch Aussagen Hornsteins gibt, denen ich zustimmen kann. Hier kommt eine solche Aussage, wo ich völlig seiner Meinung bin:
"Aber
niemals verlängert er [Gott, Anm.] die Samaritersituation ins Unendliche. Wir sollen
den Flüchtling schützen, wenn er Schutz braucht. Und wir sollen ihn gut
behandeln. Wir sollen ihm auch helfen, wenn er in Not gerät. Aber wir
haben keine Verpflichtung, einen Fremden in unser Haus aufzunehmen und
ihn dort auf ewig wohnen zu lassen. Es ist unser Haus."
Wir kommen so langsam zum Ende von Hornsteins Beitrag. Und damit zu einer Stelle, die mir mindestens so suspekt ist, wie das eingangs erwähnte (Bibel)Zitieren zur Untermauerung eigener Thesen:
"Was hätte Jesus gesagt....?"
Wie schrecklich! Und wie doppelt schrecklich, einen solchen Satzbeginn in einer sachlichen Auseinandersetzung mit einem so ernsten Thema zu lesen!
"Den
Reichen sagt er, sie sollten ihr Leben nicht auf den Reichtum bauen.
Und arm und reich sollen auf Gott hoffen, von dem sie alles erwarten
dürfen."
Nun ja. Ich habe mir fest vorgenommen, in diesem Beitrag jede Art von Polemik zu vermeiden, und ich werde durchhalten, so schwer es mir gerade auch fällt. Ich muss es also unkommentiert lassen - nachdem ich 10 Minuten vergeblich nach einer unpolemischen Replik gesucht habe. Möge der Leser sich seinen Teil denken.
Die Heimat verteidigen...
Nun jedoch kommt Hornsteins Satz, der mir von allen am sauersten aufstößt:
"Was uns das Recht
gibt, unsere Heimat zu verteidigen, ja was es zu einer heiligen Pflicht
macht, das zu tun, ist nicht das Geld. Es ist die Liebe zum Land und das
Wissen, dass es ein Schatz ist, der uns nur anvertraut ist."
Es ist die Zeit der Fußball-EM, während ich dies schreibe. Die "Jugend" der "Grünen" hat sich gerade erst über das Schwenken der Deutschlandflagge unter den Fußballfans echauffiert. Und ich habe darauf geantwortet, wenn das der Nachwuchs der "Grünen" sei, wüsste ich also jetzt schon, dass ich diese Partei auch in Zukunft nicht würde wählen können.
Hornstein aber beschreibt nicht eine Liebe zum Heimatland, die sich in einem harmlosen Fahnenschwenken während eines Fußballspiels äußert. Er spricht von einer "heiligen Pflicht", "unsere Heimat zu verteidigen", einem "Schatz", der "uns nur anvertraut ist". Das ist - und hier MUSS eine klare Aussage her - von einer Ungeheuerlichkeit, die bitter ist, wenn sie in einem mir ansonsten sehr ans Herz gewachsenen Magazin abgedruckt wird.
Nur in einem hat er Recht: Ja, unser Land ist ein Schatz, der uns nur anvertraut ist. Er gehört uns nicht.
Der rechte Umgang mit dem Schatz
Das große Aber zu Hornstein muss lauten: Dieser Schatz wurde uns nicht anvertraut mit der Aussage "genießt ihn und lasst es euch wohl ergehen". Ein anvertrauter Schatz ist im Gegenteil eine Aufgabe. Die Aufgabe, seine Stärken, seine Ressourcen, und seinen Reichtum verantwortungsvoll zum Nutzen und zur Hilfe aller einzusetzen.
"Verantwortungsvoll" ist dabei auch ein Stichwort. Natürlich ist es nicht Aufgabe eines Landes, sich so weit aufzureiben und aufzugeben, dass eben dieser Nutzen und diese Hilfe eines Tages nicht mehr möglich sind. Weil alle Ressourcen ausgenutzt und aufgebraucht wurden. Weil das Rechtssystem - auch ein Grund, weshalb man zu uns flieht - von Kräften, denen kein Einhalt geboten wurde, ausgehöhlt und abgeschafft wurde.
Aber dem entgegenzuwirken, ist keine heilige Pflicht, unsere Heimat vor "den anderen" zu schützen. Sondern es ist die schlichte und vernünftige Sachlichkeit, mit der ein Staat zu agieren hat, um weiterhin Schutz und Hilfe gewährleisten zu können. Nicht nur für uns, sondern eben auch für "die anderen", die derzeit zu uns kommen.
Kein Deutschland mehr?
Das traue ich unserem deutschen Staat zu. Trotz aller Probleme. Und trotz aller Fehler, die durchaus gemacht wurden und noch immer werden. Auch in der Politik, auch in der Regierung sitzen Menschen. Und da mache ich mir auch nicht die Sorgen Hornsteins, dass
"Wenn sich aber die afrikanische Platte
über die europäische schiebt, dann gibt es Deutschland und dann gibt es
Europa nicht mehr.
Letztlich folgert Hornstein, dass die Grenzen zugehen müssen, damit wir weiterhin helfen und weltoffen bleiben können. Helfen - das heißt für ihn, helfen in den armen Ländern.
Sicher, auch in den Ländern selbst muss geholfen werden, die Verhältnisse zu verbessern, so dass es den Flüchtlingen möglich ist, dorthin zurückzukehren, und um überhaupt den jetzt noch dort verbleibenden Menschen den Grund zu "nehmen", ihr Land verlassen zu müssen. Doch was nützt es den Menschen, die JETZT vor Tod und Verfolgung fliehen, wenn wir sie auf eine gute und friedliche Zukunft in 5-10 Jahren vertrösten?
Wir haben uns im Kreis gedreht - allerdings im positiven Sinne, denn wir sind wieder bei der schon getroffenen Feststellung gelandet:
JETZT helfen. Hier. In Deutschland. Und zwar allen, es sei denn, sie sind gekommen sind, unseren Rechtsstaat zu unterlaufen oder unsere Sozialsysteme auszunutzen.
JETZT helfen. In den betroffenen Ländern. Nicht nur von Deutschland aus. Hier werden sich hoffentlich - die Hoffnung ist ja christlich - bald auch andere Staaten mehr in die Pflicht genommen sehen. Die betroffenen Länder wieder zu friedlichen und lebenswerten Orten machen.
DANN die Flüchtlinge zurückschicken. Als Gäste, die nun wieder nach Hause gehen können und müssen.
Ist das gutmenschlich gedacht? Blauäugig? Möglich.
Es ist im Vertrauen geschrieben. In dem Vertrauen, dass am Ende alles gut wird. In der Sicherheit, dass Hornstein irrt. Und aus dem Glauben heraus.
Abschließend einen rheinischen Freund zitierend:
"Isso."