Sonntag, 10. Januar 2016

Köln - die falschen Fragen, und ein anderer Terror

Ja, so hatte ich diesen Beitrag begonnen, ehe mich eine Grippe kurzfristig aus dem Verkehr gezogen hat. Und nun höre ich heute: Oha, es hat sie ja doch jemand gestellt, die Fragen, die mich seit Tagen umtreiben.

Aber kurz zur Vorgeschichte:
Welche Fragen waren es denn, die in den letzten Tagen immer wieder gestellt wurden? Es waren die "Warums":
Warum...
... haben die Medien so spät berichtet?
... hat die Polizei nicht stärker durchgegriffen?
... sprachen die ersten Polizeiberichte von einer ruhigen Silvesternacht?
... kamen die Fakten über die Herkunft der Verbrecher erst tröpfchenweise ans Licht?
Es fehlte die "Wies":
Wie ...
... konnten sich Verbrecher zu hunderten an neuralgischen Orten versammeln?
... war kam dies zeitgleich in -zig deutschen Städten und auch in unseren Nachbarländern zustande?
Es war fast, als hätte man sich - wieder einmal - darauf geeignet, lieber nicht mehr wissen zu wollen, aus Angst, man könnte Dinge erfahren, die man so genau eigentlich gar nicht wissen wollte.

Heute höre ich jedoch im Radio, dass sich Bundesjustizminister Heiko Maas diesen Fragen nun offenbar stellt (stellen muss?):
"Wenn sich eine solche Horde trifft, um Straftaten zu begehen, scheint das in irgendeiner Form geplant worden zu sein", sagte Maas der "Bild am Sonntag". "Niemand kann mir erzählen, dass das nicht abgestimmt oder vorbereitet wurde."
Auch einen Zusammenhang zwischen den Attacken auf Frauen in mehreren deutschen Städten schließt Maas nicht aus. Alle Verbindungen müssten sehr sorgfältig geprüft werden, sagte der Minister der Zeitung. "Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein bestimmtes Datum und zu erwartende Menschenmengen herausgesucht wurden. Das hätte dann noch einmal eine andere Dimension."
Schriftquelle R.P.
Dies würde auch den Zettel "erklären", den man bei zwei Verhafteten (und inzwischen wieder freigelassenen) "Verdächtigen" sicherstellte, und auf dem sich die Übersetzungen sexueller Beleidigungen und Drohungen ins Deutsche befanden.

Wenn es so ist (und ich habe wenig Zweifel daran), dass es sich um eine konzertierte Aktion einer oder mehrerer Gruppen handelt, dann haben wir es hier mit einer anderen Art von Terror zu tun - und zwar einem Terror, der mir fast effektiver zu sein scheint als Selbstmordattentäter und Schüsse auf Cafés.

Wieso das?

Nun, wie sahen bisher die Reaktionen auf einen Terroranschlag aus? Sie bestanden aus einem trotzigen "Jetzt erst recht!" der gesamten Bevölkerung, die sich nicht einschüchtern lassen wollte. Man wird weiter in Cafés und Restaurants gehen, in Urlaub fliegen, Konzerte besuchen.

Aber nun ist "nur" die Hälfte der Bevölkerung betroffen, die weibliche Hälfte. Für jede Frau, ganz gleich, ob sie ähnliches schon selbst erlebt hat oder nicht, ist das, was den Frauen in Köln und anderswo angetan wurde, eine alptraumhafte Vorstellung. Widerlich, abscheulich. Hier geht es nicht um die Bedrohung des Lebens, sondern - darf ich sagen: schlimmer? - um die Wegnahme der Würde. Hier wird ein Mensch, eine Frau, in aller Öffentlichkeit, teils unter unter den Augen der Polizei, die sicher helfen wollte, es aber oft nicht konnte, zu einem Stück Fleisch degradiert, das man beleidigen, betatschen und sogar vergewaltigen darf - einfach, weil sie eine Frau ist. Ohne Rechte. Ohne Würde.

Mit diesen Verbrechen der Silvesternacht wurde zum ersten Mal erreicht, was zahllose Terrorakte der Vergangenheit nicht vermochten: Es macht sich unter einer Hälfte der Bevölkerung ein Gefühl der Verunsicherung und der Angst breit, das diese dazu bringen könnte, sich nun die eigene Freiheit zu beschneiden. Schon jetzt gibt es viele Stimmen (unter den Frauen), die sagen "Karneval? Ja, wollt' ich eigentlich, aber jetzt trau' ich mich nicht mehr." oder "Bahnhöfe? Konzerte? Großveranstaltungen? - nein, lieber nicht.".

Was ist das Fazit der Silvesternacht? Es gibt mehrere:

Die Medien werden in den nächsten Tagen weiter berichten, und die diversen Talkshows das Thema bis zur Ermüdung durchkauen. Letztendlich werden sie zur nächsten Kuh übergehen, die durchs Dorf getrieben werden will.

Der Staat wird seine Ohnmacht mit markigen Reden und Versprechungen schönreden. Glauben wird es kaum jemand. Vor den nächsten Wahlen darf man Angst haben.

Die rechte Keule wird weiterhin ein guter Maulkorb sein.

Die echten Flüchtlinge - also jene, die aus wirklicher Gefahr zu uns kommen, und mit dem ehrlichen Willen, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden - werden zu leiden haben unter der sich jetzt breitmachenden allgemeinen Ablehnung.

Und die Angst der Frauen wird bleiben. 

1 Kommentar:

  1. Zunächst wünsche ich Dir, liebe Heike,und Deiner Firma, dass Du auskuriert bald wieder ganz auf dem Damm bist. Dein Ehrenamt, die Blogerei, musste jedenfalls nicht unter dem bösen Grippevirus leiden. Möge Dein Engagement so ansteckend sein, wie der "Virus" der nicht nur in Köln ausgebrochen, zur Pandemie zu werden droht! Er übersteigt wirklich jegliche Vorstellungskraft! Sex in Verbindung mit Gewalt ist immer steigerungsfähig. Aber das, nein das, wer hätte das für möglich gehalten...?

    Nein, Heike, es ist nicht nur "die Hälfte, die weibliche Hälfte der Bevölkerung" betroffen, sondern auch die Kinder die Väter, die Partner, die Familien, die Großeltern...und alle die, die beruflich tangiert sind. Jeder möchte sich - wie Du und ich - am liebsten Augen, Ohren und Mund zuhalten, wie die berühmten 3 Affen. Man kann es jetzt aber nicht mehr....!!!!

    Und darin sehe ich das Gute. "Wer nicht hören will, muss fühlen!" lautet ein zweifelhafter pädagogischer Grundsatz. Schweigen und Lügen "um die Bevölkerung nicht zu verunsichern" führt nicht selten in die Katastrophe. "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint." Das belegen verharmlosende Berichterstattung und Kriminalstatistiken der letzten Jahre (Jahrzehnte?) überdeutlich. Vieles von dem, was jetzt alles noch enthüllt werden wird, ist keine Sensationslust und keine Panikmache.

    Schon jetzt gibt es viele Stimmen (unter den Frauen), die sagen "Karneval? Ja, wollt' ich eigentlich, aber jetzt trau' ich mich nicht mehr." oder "Bahnhöfe? Konzerte? Großveranstaltungen? - nein, lieber nicht.". Diese Beispiele, die Du aufgeführt hast, Heike sehe ich an als not-wendiges Innehalten angesichts der brutalen Wirklichkeit.

    Same Procedure… Neu ist die Flucht vor der Pilatusfrage "Was ist Wahrheit?" nicht.
    Auch Jesus wurde verurteilt, um die „Bevölkerung nicht zu verunsichern“ und gekreuzigt durch einen, der sich „die Hände in Unschuld gewaschen“ hat.....

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