Donnerstag, 14. Januar 2016

Freigeister? ....oder Lügengeister?


Es geistert eine Geschichte durch die Online-Medien:

Ein spanischer Erzbischof habe gepredigt, Frauen seien selbst Schuld an häuslicher Gewalt:
"Nach Ansicht des Erzbischofs von Toledo, Braulio Rodriguez Plaza, sind Frauen selbst schuld, wenn sie von ihren Männern körperlich misshandelt werden. Häusliche Gewalt habe ihren Ursprung darin, dass Frauen ihren Männern nicht gehorchten oder gar um eine Scheidung bäten."
Die QUELLE nennt sich "hpd" ("humanistischer Pressedienst") und behauptet von sich selbst:
"Der hpd ist heute mit mehreren Millionen Seitenaufrufen im Jahr das wichtigste Online-Medium der freigeistig-humanistischen Szene im deutschsprachigen Raum."
Die Autorin ist - ich habe es nicht überprüft, will es aber einfach mal glauben - "studierte Philosophin, Theologin und Germanistin".

Nun ja. Ich bin ein netter, wohlmeinender und gutgläubiger Mensch. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Dame sich in ihrer Interpretation von fehlenden Spanischkenntnissen leiten ließ, gepaart mit dem Wunsch, ihr präexistentes Bild von Vertretern der katholischen Kirche bestätigt zu sehen.

Wobei ich - mea culpa - zugeben muss, dass auch ich erst einmal vor Empörung schnaubte, ob des von ihr verfassten Berichtes über diese unglaublichen Worte eines Erzbischofs. Bis... ja, bis ein Freund den spanischen Originaltext der Predigt ausgrub:

hier klicken


So, was haben wir hier also?

Die Rahmenbedingung: Es handelt sich um eine Predigt gehalten am Festtag der Heiligen Familie, also am 27. Dezember 2015.

Er spricht über die Bedeutung der Familie als Kern der Gesellschaft. Über die Geschichte im Evangelium, die davon berichtet, wie das Kind Jesus auf der Rückkehr von der Pilgerreise nach Jerusalem verlorenging. Dass eben auch Jesus in eine Familie hineingeboren war, und dass es auch heute noch die Aufgabe einer christlichen Familie sei, Jesus bei sich aufzunehmen, in der Person der Kinder, des Ehemanns, der Ehefrau, der Großeltern....

Ich stelle diesen Teil seiner Predigt sehr zusammengefasst dar, und nur, um den Kontext aufzuzeigen in dem sie gehalten wurde.

Und nun werde ich mir die Mühe machen, den Teil der Predigt zu übersetzen, welcher jene Sätze enthält, die den Sturm auslösten. Lesen wir sie also einmal im Zusammenhang:

Wenn auch gute Gesetze existieren oder von unseren Parlamenten verabschiedet werden, so ist der Mensch im Wesen doch Innerlichkeit, und wenig kann getan werden, wenn er sich nicht aus dem Inneren ändert. Jesus sagte: [Anm. ich: hier zitiert der Bischof das Markusevangelium, das ich der Einfachheit halber jetzt mal als der Einheitsübersetzung abkopiere]
"
Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. [...] Seht ihr nicht ein, dass das, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann?  [...]Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft."
(Mk 7, 14-15, 20-22)
Können positive Gesetze ein solches Herz wirklich ändern? Ehrlich gesagt, ich glaube das nicht; allenfalls wird es einige von ihren mörderischen Vorhaben abhalten. 

Den meisten Ehefrauen, die getötet werden, geschieht so durch die Hand ihrer Ehemänner, die ihre Ehefrauen nicht akzeptieren, oder die ihre Frauen ablehnen, weil die Ehemänner ihre Willenskraft nicht akzeptieren. Oder sie sterben durch die Hand ihres Expartners, oder auch durch den, der mit ihnen zusammenlebte; oft hat die sexistische Reaktion ihren Ursprung darin, dass die Frauen die Trennung wünschten. Es ist großartig, dass diese gefährdeten Frauen sich melden können und es die Möglichkeit gibt, die Verbrechen mit neuen Alarmmechanismen zu verhindern. Aber das wahre Problem wurzelt darin, dass in diesen Partnerschaften keine wahre Ehe bestand. 

Und er führt aus, dass er damit keineswegs nur die kirchliche Ehe sondern auch die Zivilehe meint. Er spricht von Vertrauen, Respekt und Liebe, dem gegenseitigen Dank für das, was man füreinander tut, und auch von dem gegenseitigen "Vergib mir" unter Eheleuten, dem schwierigen Wort, das aber verhindern kann, dass kleine Brüche zu tiefen Gräben werden.

Und er spricht davon, dass auch heute noch viele Familien eine gute Ehe leben, mit all ihren Schwierigkeiten, den guten und schlechten Zeiten....

Die ganze Predigt ist eine einzige Hymne an die Familie, und an die Ehe. Einer Ehe, die auf Gegenseitigkeit beruht, was Liebe, Vertrauen, Respekt (!), Dank etc. betrifft. In dem Einschub, den ich möglichst wörtlich zu übersetzen versucht habe, zeigt er das Gegenteil auf: Männer, die ihre Frauen nicht als gleichwertig akzeptieren können. Männer, die in einem Machotum gefangen sind und nicht akzeptieren - ja, vielleicht nicht einmal verstehen können - dass "ihre" Frau es wagen kann, sich von ihnen zu trennen, oder ihnen auch nur zu widersprechen. Der Bischof legt dar, wie dieses Rollenverständnis tickt - aber weder entschuldigt er es, noch legt er den Frauen nahe, sich dem anzupassen.

Diese Worte legten - und legen - ihm andere in den Mund.

Übel.

4 Kommentare:

  1. Das Schlimme ist: Die Informationen werden von der kna (katholische Nacrichtenagentur) verbreitet. In der "WeLT" ist auch ein entsprechender Artikel online.

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  2. Danke für die Klarstellung!Ich lerne daraus, dass es immer mehr notwendig wird, die Quellen von Posts zu prüfen.

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  3. Bei manchen ist der Geist halt auch einzig frei vom Gefängnis des Gehirnes. ;)

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  4. Ich habe die entsprechenden Passagen im WIKIPEDIA-Artikel https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Braulio_Rodr%C3%ADguez_Plaza&stable=0&shownotice=1&fromsection=Kontroversen korrigiert. Die letzten 4 Ergänzungen sind noch nicht gesichtet.

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