Nachrichten - Brennpunkte jagen einander.
Angstforscher werden interviewt und um Rat gebeten.
Vom Krieg ist die Rede.
Talkshows überschlagen sich.
Trauern wir richtig? Oder über die Falschen?
Tut der Staat genug? Oder zuviel?
Können wir noch auf den Weihnachtsmarkt gehen?
Hat Merkel an allem Schuld? Oder die USA? (Israel hat ja sowieso immer Schuld.)
Ist "Je suis Paris" eine gute Geste? Oder doch nur dümmliches Herdenverhalten?
Ich verstehe, dass das Nachrichtenkarussel sich drehen muss.
Ich verstehe, dass Menschen über Paris, über Belgien, über ihre Ängste, ihre Gedanken reden wollen.
Ich verstehe die Spekulation um das "Wie geht es jetzt weiter?" und die Sorge über das "Wo?" und "Wann?" eines hochwahrscheinlichen nächsten Anschlags.
Ich verstehe die Ängste, die oft in irrationalem Hass münden.
Auf die Regierung, die nicht genug tut.
Auf die Flüchtlinge, unter denen "bestimmt" auch Terroristen sind.
Auf Muslime und den Islam.
Ich verstehe den Wunsch nach Diskussionen, danach, sich die Köpfe heißzureden - auch das eine Art Therapie, mit der eigenen Angst, dem Unbehagen fertigzuwerden.
Ich rede, also bin ich.
Aber ich höre auch das Lachen.
Es kommt von den Planern und Strategen des Schlächterregimes des IS, deren größtes Talent - neben Mord und Vergewaltigung - darin besteht, sich wie ein Krebsgeschwür in die Köpfe sowohl ihrer Anhänger als auch ihrer Opfer einzunisten.
Weshalb lachen sie?
Nun, es ist ihnen nicht nur gelungen - wie so manchen Sektenführern vor ihnen - ihre kruden Allmachtsfantasien auf eine schwache und leichtgläubige Anhängerschaft zu übertragen, die mit dem gemeinsamen Kampf für das große und gerechte Ziel gelockt und zu willigen Werkzeugen umfunktioniert wurden.
Nein, sie erleben auch einen Westen, in dem sich Fernsehen, Presse und Internet mit Themen der Angst und Unsicherheit gegenseitig zu übertreffen suchen. Sie erleben ein Europa, dessen Bürger sich mit bangem Herzen und auch einem Anteil Sensationsgeilheit auf die neuesten Spekulationen stürzen. Sie erleben ein Europa, in dem schon eine alte Reiseschreibmaschine am Straßenrand als mögliche Bombe für einen stundenlangen Polizeieinsatz sorgt.
Kurz: Sie lachen, denn sie beherrschen uns. Sie beherrschen unsere Nachrichten. Sie beherrschen unsere alltäglichen Gespräche. Sie beherrschen unsere Gedanken. Und, ja, sie beherrschen unsere Gefühle. Denn hat nicht auch der Friedlichste unter uns in den letzten Tagen die eine oder andere Fantasie gehabt, wie er oder sie mit einem dieser Schlächter verfahren möchte, wenn er ihm in die Finger fiele?
Ich weige mich, dabei mitzumachen.
Ich will nicht ins Wolkenkuckucksheim ziehen. Aber ich werde mein Leben, meine Gedanken, meine Ängste und meine Gefühle nicht von diesen Un-Menschen beherrschen lassen.
Ich werde mich informieren, aber mich nicht auf fruchtlose Diskussionen einlassen.
Ich werde um Spekulationen und Angstszenarien einen Bogen machen.
Ich werde mein Leben weiterleben. Aufmerksam und wachsam. Aber ohne Angst oder Panik. Und ich werde dem IS in meinem Kopf keinen Platz einräumen.
Ich nehme mir den immer noch hochaktuellen Leitsatz der Briten zum Vorbild:
"Keep calm, and carry on."