Montag, 15. Dezember 2014

Blogger-Adventskalender - mein Türchen zum 15. Dezember

Was schreibt man in einem Blogger-Adventskalender zum 15. Dezember? Die sarkastische Variante ist eine Versuchung: "Leute! Nur noch wenige Tage, um die Läden auf der Geschenkejagd zu stürmen! Der Weihnachtsbraten muss bestellt und die Plätzchen müssen gebacken werden!" Adventszeit = Stresszeit.

Aber noch während mir solch stets gleiches Lamentier durch den Kopf geht, zündet ein Advent aus der Kinderzeit seine geheimnisvoll flackernden Erinnerungskerzen an... Kommt mal mit...

Es beginnt...

Advent - der begann in Omas altem Haus im Nachbarort. Dann stiegen wir eines Abends im Dunklen die Treppe zum 2. Stock hoch, zum einzigen Fenster, von dem der Weihnachtsstern zu sehen war. "Guck! Jetzt kommt bald das Christkind!"

Die perfekten Plätzchen...

Das große Backen begann: Der alte Fleischwolf wurde per Schraubstock am Tisch befestigt, und es wurde Spritzgebäck in rauhen Mengen hergestellt, Blechkiste nach Blechkiste füllte sich, die Mutter dann im Haus versteckte. ( Eine fanden wir mal im Jahr drauf zu Ostern wieder!) Immer wurde das erste Blech zu hell und der Rest zu dunkel. Immer versicherten wir ihr, gerade die Dunklen seien die leckersten. Geglaubt hat sie es nie, auch wenn es stimmte. Aber EINMAL hätte sie wohl gerne die perfekten Plätzchen gebacken. Perfekt wurden sie nie. Lecker immer.

Kalender, Kalender...

Advent ohne Adventskalender - unmöglich. Es war die einfache Version, mit dem Stück Schokolade, das nach jener Mischung aus Pappkarton und Plastik schmeckte, wie es sich für anständige Adventskalenderschokolade eben gehört, und einem Bildchen darunter. Jeden Tag haben wir vor dem Öffnen geraten, meine Schwester und ich, welches Bild wohl heute unter der Schokolade stecken würde: Eine Kerze? Ein Lebkuchenmann? Ein Stern? Sollte jemand tatsächlich richtig raten, bekam er beide Schokoladenstücke. In einem Jahr hatte ich eine Glückssträhne. Die währte so lange, bis meine Schwester entdeckte, dass ich auf der Rückseite eine schmale Öffnung gefunden hatte: Wenn da nun ein kleiner Kinderfinger die Pappe ein wenig anhob.... Sie hat danach gefühlt eine Woche nicht mit mir gesprochen. Ich habe nie behauptet, ein besonders nettes Kind gewesen zu sein.

Nikolaus...

Nikolaus gabs den ersten Teller voll "Lecker" für meine Schwester und mich - und die ersten Anlagen für späteres Verhandlungsgeschick wurden gelegt:
"Hast du deine Datteln noch?"
"Ja, was gibste?"
"Ein Blätterkrokant?"
"Zwei!"
"Ich hab doch nur noch zwei, und du magst doch gar keine Datteln!"
"Willste oder nich?"
Nein, man schenkte einander nichts. Immerhin war noch nicht Weihnachten. Und außerdem habe ich nie behauptet... naja, siehe oben.

Englische Weihnachten...

Dazwischen dann die ganz andere - weil englische - Weihnachtsfeier für alle Kinder der Familien britischer "Streitkräfte" und anderer Angestellter im britischen Hauptquartier unserer Stadt. Englische Weihnachtsfeier. Wer da mitten herausgerissen wurde aus der besinnlichen deutschen Adventszeit, der hatte das Gefühl, in einer Mischung aus Karneval, Silvester und einem komplett aus dem Ruder gelaufenen Kindergeburtstag gelandet zu sein. Man war sprachlos. Naja, eine Weile wenigstens. Aber es wurden teils lebenslange Freundschaften geschlossen: Mit Cadbury Dairy Milk Chocolate, Rowntree's Fruit Pastilles und Walkers Shortbread Fingers stehe ich bis heute in liebevoller Verbindung.

Wunschzettel...

Dann wurde es ernst: Der Wunschzettel musste geschrieben werden. Bescheiden musste er sein. Sonst brächte das Christkind gar nichts. Ja, das Christkind, das konnte leicht reden; ihm gehörte ja schon alles. So viele Wünsche. Blöde Bescheidenheit. Ist noch Papier übrig?

Anschließend wurde der Wunschzettel auf die Fensterbank gelegt; das Fenster hatte man natürlich einen Spaltweit geöffnet, damit das Christkind auch hereinfliegen und den Zettel mitnehmen konnte. Alle paar Minuten wurde ins Zimmer gerannt - der verflixte Zettel lag immer noch da! "Ich möchte das Christkind diesmal aber sooooo gerne mal sehen!!!" Natürlich wurde mir erklärt, dass es zu so neugierigen Kindern überhaupt nicht käme. Und irgendwann, seltsamerweise meist, nachdem wir alle beim Essen gesessen hatten, war er dann fort, der Wunschzettel, und zurück blieb ein goldener Schokotaler.

"Der Baum steht schief..."

Der Tannenbaum wurde kurz vor Heiligabend gekauft und in den Keller gebracht, dort, wo auch die "Aufgesetzten" lagerten, die "Papa" regelmäßig abschmecken musste.  Am 24. wurde der Baum von ihm in aller Ruhe und sehr exakt in den Christbaumständer eingepasst und zum Schmücken hoch ins Wohnzimmer getragen. Ich höre Mutter an Heiligabend immer noch meinem Vater ein "Der Baum steht schief!" zuzischen, während Vater mit schuldbewusst geröteter Nase danebenstand. Der "Aufgesetzte" stand jedes Jahr im Keller. Der Baum stand jedes Jahr schief. Und die Mutter zischte. Auch jedes Jahr.

Und nun...?

Ja, das war er, mein kleiner Ausflug in meine Adventserinnerungen. Und nun? Das große Lamento à la "Früher war mehr Lametta!"? Oder was sollte das alles? Sagen wir mal so:

Dass der Wunschzettel nicht vom Christkind geholt wurde, war recht bald klar, und die Einsicht, dass der Weihnachtsstern von einer Kornmühle stammte, stellte sich nur wenig später ein. Den Nikolaus, den mochte ich damals eh nicht; der Kerl wusste zuviel. Und dass die Adventszeit für die Erwachsenen vielfach Stress bedeutete, ja, das war auch eines Tages offensichtlich. Was ist also geblieben, abgesehen von einigen Kindheitserinnerungen?

Ein Gefühl für das Geheimnisvolle ist geblieben, ebenso wie die Gabe des Wartenkönnens und das Verständnis, wie wundervoll schon allein die Vor-Freude sein kann.

Wir meinen oft, und das nicht erst heute, dass es doch das Schönste sei, wenn alles sofort seine Erfüllung findet. Und vergessen dabei, wie erfüllend schon die Wartezeit sein kann:

Ein Treffen mit einem alten Freund.
Ein Besuch von lieben Menschen, die ich lange nicht gesehen habe.
Ein Fest, zu dem ich eingeladen bin.

Wie schön, wenn ich bis dahin jeweils noch eine Wartezeit habe! Ich kann mich darauf vorbereiten und so dafür sorgen, dass es ein wirklich besonderes Ereignis wird. Ich kann mich darauf einstimmen, durch meine Vorfreude, durch mein Nachdenken darüber, was ich mir denn von dem besonderen Tag erhoffe und wie ich meinen Teil beitragen kann, dass diese Hoffnung auch wahr wird. Und - nicht zuletzt - ich kann mich jeden Tag darüber freuen, dass das besondere Ereignis wieder ein Stück nähergerückt ist.

Das ist Advent.

Warten. Den Weg bereiten. Und vor allem: Freude!

"Freut euch!", ruft Paulus.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen freudvollen Advent!

PS: Das nächste Türchen öffnet sich morgen hier: "Totaliter Aliter"

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