Montag, 17. August 2020

Das andere Fieber

Eigentlich wollte ich diesem Beitrag den Titel 

"Gefährliches Fieber"

geben, aber er erschien mir zu reißerisch; zu sehr mit dem Anschein, auf billige Klicks ausgerichtet zu sein. 

Aber es ist ein gefährliches Fieber, das seit einer Weile in einem Teil unserer Gesellschaft umgeht - und ich spreche nicht von Corona.

Eine Freundin machte mich kürzlich auf die Facebook-Wall einer einst gemeinsamen Freundin aufmerksam. Ich hatte diese Wall länger nicht besucht. Als wir uns vor wenigen Monaten entzweit hatten, war es noch über so harmlose Dinge wie einen coronaleugnenden, VitaminC-Präparate anpreisenden Doktor, dem sie sprichwörtlich zu Füßen lag. Als ich jetzt ihre Wall noch einmal aufsuchte und den dort geteilten Posts zu ihren jeweiligen Quellen folgte, traf ich auf Themen wie

"Q Anon"-
#SaveOurChildren
"The Awakening"
"Stay awake"  (Ein Schuft, wer da an "Deutschland, erwache!" denkt)
Illuminaten
"Schlafschafe"
"Plandemie"
"kla.tv"-Links (dazu hier ein Artikel in der Zeit)
"RT deutsch"-Links (RT = ehem. Russia Today)

Es werden "Gedichte" geteilt, von denen ich hier nur den allerkleinsten Auszug geben möchte:

"Nur Fraktur ist jetzt die Sprache, die der Feind im Land versteht."

Auf einer Wall schrieb jemand:

"Kinnas mir ist Angst und Bange. Aber ich möchte auch nicht Kuschen das Widerstrebt mir. Diese Elende Bagage in Berlin. Keiner der die Stoppt. Sorry aber habe da eine Frage? Wenn wir einen Fridensvertrag brauchen wo wird er dort den beschriebenen?"

[Anm.: Die Forderung nach einem Friedensvertrag ist ein Reichsbürger"syndrom", denn in dieser Klientel besteht die Behauptung, da es keinen Friedensvertrag gäbe, könne es auch keine Bundesrepublik Deutschland geben.]

 Und so weiter... und so weiter... und so weiter...

Es geht für und gegen alles - gegen die "Musels", für die "Mohrenköpfe", gegen die Ausländer, für die Freiheit, gegen die "Volksverräter", für die "Querdenker", gegen die Juden, für das Versammlungsrecht, gegen die Regierung... 

Es ist ein wirres, fiebriges, sich gegenseitig aufputschendes Völklein, das sich auf diesen Walls und in den Kommentarspalten trifft. Ich werde dabei an einen Strudel erinnert: 

Das Blatt, das in den Sog eines Strudels gerät, zieht erst einmala am äußeren Rand recht gemächliche und große Kreise. Die Kreise werden enger und enger, das Blatt dreht sich schneller und schneller, bis es sich irgendwann in irrwitzigem Tempo um sich selbst dreht, um dann vom Sog des Strudels unter Wasser gezogen zu werden. 

Die Menschen, die ich auf diesen Seiten und ihren Kommentarspalten erlebt habe, scheinen in einen solchen Strudel geraten zu sein. Sie reden einander in ein Fieber der Angst, des Hasses und der Panik - ein Fieber, das immer weiter ansteigt: Sie müssen sich retten, sie müssen ihre Kinder retten, sie müssen alle Kinder retten, sie müssen die Schlafschafe aufwecken, den Staat retten, die Welt retten... 

Ich hatte manchmal das "Gefühl", auf das virtuelle Äquivalent eines Dampfkessels zu schauen, der beständig befeuert wird, der brodelt und zischt, und der sich Ventile an den irrwitzigsten Stellen sucht, weil niemand mehr da ist, der auf die Idee käme, einfach das Feuer zu löschen. 

Das macht mir wesentlich mehr Angst als Covid-19.

Montag, 3. August 2020

Mehr Infektionen durch mehr Tests - eine kleine Rechenstunde


Ich möchte einmal rasch eine kleine Rechenstunde für all jene geben, die fortwährend behaupten:
"Die 'angeblich' steigenden Infektionszahlen entstehen nur, weil mehr getestet wird."
Damit es auch die simplen Gemüter verstehen, will ich ein kleines Beispiel in sehr einfachen Zahlen anführen:

Stellen wir uns einen Ort vor, und nennen wir diesen Ort "Covidhausen".

Covidhausen hat 100.000 Einwohner.

Im Juli werden in Covidhausen 100 Einwohner auf das Coronavirus getestet.

Von diesen 100 Tests fallen 5 Tests positiv aus.

Ich rekapituliere:

100.000 Einwohner
100 Tests
5 positive Ergebnisse

Im August werden in Covidhausen die Testzahlen verzehnfacht:

Nun werden 1.000 Einwohner auf das Coronavirus getestet.

Wie müsste das Ergebnis verzehntfacher Testzahlen bei gleichbleibender Infektionsrate aussehen?

Klar:

100.000 Einwohner
1.000 Tests
50 positive Ergebnisse.

Die Wirklichkeit in Covidhausen sieht aber so aus:

100.000 Einwohner
1.000 Tests
200 positive Ergebnisse

Und das ist das Problem: Die Ratio stimmt nicht. Jedenfalls nicht, wenn man unbedingt glauben möchte, steigende Infektionszahlen lägen ausschließlich in steigenden Testzahlen begründet.