Sonntag, 29. Oktober 2017

Früher war mehr Lametta. Nicht.

Der 24. Oktober ist vorbei, und überrascht haben wir an diesem Tag festgestellt: In zwei Monaten ist Heiligabend. Reden wir also darüber.

Vorzugsweise über frühere Weihnachten. Als alles besser war. Als die Familie gemütlich beisammen saß und sich die Christbaumkerzen in seligen Kinderaugen spiegelten...

Ach so, ja, stimmt, das Bild stammt aus der Cola-Werbung und aus alten Hollywoodfilmen.

Aber wie war das wirklich, im eigenen "früher"? Ich habe heute mal zurückgedacht.

Die "selige Kleinkinderzeit", als der ganze Vorbereitungsstress noch auf den Erwachsenen lastete, während man selbst ganz unbeschwert den Heiligabend genießen konnte:

Nach schneller Bescherung zu Hause mit gestressten Eltern ab ins Auto und auf zum Haus der Oma, wo sich der Rest der damals großen Familie zum "richtigen" Heiligabend traf, noch mal Bescherung und dann das große und recht steife Festessen, während der Vater und andere Männer noch vor dem Dessert mehrfach heimlich auf die Uhr schauten, weil sie wussten, dass sie diverse  Familienmitglieder noch würden nach Hause fahren müssen.

Als einzig besondere Erinnerung an all diese Heiligabende fällt mir interessanterweise die alte Porzellanspieluhr meiner Oma ein, die nur an Heiligabend hervorgeholt und auf der Anrichte aufgebaut wurde, wo sie - wenn wir Kinder sie unter strenger Aufsicht hatten aufziehen dürfen - "Alle Jahre wieder" spielte.

Eigentlich - und un-eigentlich auch - wurde es danach nie besser. Anders, ja. Besser, nein. Da gab es das Hin- und Herfahren zu verschiedenen Verwandten an Heiligabend und den Feiertagen, etwas, zu dem nicht jeder in der Familie Lust hatte und so entsprechend genervter und schlechter Stimmung war. Nicht jeder hatte Freude am Einkauf von Geschenken in der Zeit vor Heiligabend - entsprechend "gestresst" von der lästigen Pflicht war der- oder diejenige an Heiligabend. Essen kochen, Baum schmücken, Geschenke einpacken, die Zimmer schmücken, den Tisch decken, Verwandte besuchen, Verwandte zu sich holen - naja, wer kennt das nicht?

Ein Weihnachten, von dem ich heute rückblickend sagen würde "Das war so richtig schön und gelungen; wäre es doch heute wieder so wie damals!" war tatsächlich nicht darunter.

Später kamen noch einige Weihnachtsfeste hinzu, die überschattet waren von schwerer Krankheit und Todesfällen, aber das ist natürlich eine ganz andere Geschichte.

Sitze ich hier und tue mir gerade so recht von Herzen selber leid?

Nein. Eher nehme ich erstaunt zur Kenntnis, dass alles, was ich oben zusamengefasst habe, Erfahrungen sein dürften, die - zumindest, wenn sie einmal ehrlich mit sich und ihrem persönlichen "früher" sind - sehr viele Menschen so oder ähnlich gemacht haben.

Warum sonst schießen "Alle Jahre wieder" kurz vor der Adventszeit die Rat-und-Hilfe-Angebote wie Pilze aus dem Boden. "Endlich stressfreie Weihnachten!" wird darin versprochen, oder "10 Tipps, wie Sie dem Weihnachtsstress entgehen!", oder auch das Versprechen "Dieses Jahr wird alles anders!".

Letztlich laufen all die Ratgeber auf die eine Sache hinaus:

Jene, die sie befolgen, versprechen sich davon, dass Weihnachten wieder so wird, wie es nie war.

Da werden Geschenke schon im Oktober gekauft, oder aber man versichert sich "Dieses Jahr schenken wir uns nichts!". Fleisch wird Wochen vor Weihnachten vorbestellt und Lebensmittel eingelagert, oder man reserviert gleich einen Tisch für die ganze Familie im Restaurant. Kein Plätzchenbacken, schließlich sind die Kinder schon groß, und gekaufte Plätzchen schmecken auch gut. Und so weiter, und so weiter.

Und so vergeht wieder ein Weihnachten, und einige haben es tatsächlich geschafft, den Vorbereitungsstress ganz oder teilweise für sich hinauszunehmen. Doch am 2. Weihnachtstag sitzen die meisten von ihnen da und ertappen sich auch in diesem Jahr wieder bei dem Gedanken:
"Gut, dass es vorbei ist."
Warum ist das so? Ich glaube, ich weiß es.

Fragen wir uns erst mal kurz: Was ist Weihnachten?

Weihnachten ist
- Plätzchen backen
- Geschenke machen
- Lebkuchen und Spekulatius essen
- Glühwein trinken
- "Jingle Bells" und "Last Christmas" im Radio hören
- "In Familie machen"
- Duftkerzen anzünden
- auf Schnee hoffen
- Weihnachtsbaum schmücken
- "Drei Nüsse für Aschenblödel" gucken

Falsch!

Alles, was ich oben aufgezählt habe, ist - zumindest hierzulande - WeihnachtsTRADITION. Eine Tradition, gegen die überhaupt nichts einzuwenden ist und die ich jedem Menschen (auch mir) von Herzen gönne.

Aber feiern wir denn eine Tradition? WENN das so ist, müssen wir alles, was ich oben benenne, umtaufen in "Winterfest" oder "Sonnwendfeier". So manch einer hätte damit heute leider gar kein Problem. Er oder sie mag sich hier bestätigt fühlen und darf mit dem Lesen aufhören.

Für den Rest, der sich auch heute noch nach jedem Weihnachtsfest fragt "War das alles?", möchte ich weiterschreiben. Und ich möchte fragen:
"Haben wir nicht vergessen, den einzig wahrhaft wichtigen Gast zu unserem Heiligabend einzuladen?"
Sagen wir es nur so dahin, vielleicht auf die Frage in der Fußgängerzone in der Adventszeit: "An Weihnachten feiern wir, dass Jesus geboren wurde" - oder GLAUBEN wir auch daran?
"Gott ist Mensch geworden und hat unter uns gelebt."
Wow! Was für ein Satz. Was für eine Nachricht. Was für ein - Glaube!

Glauben wir daran? Können wir an Heiligabend mit einem von Freude erfüllten "Halleluja!" auf Jesu Geburt anstoßen? 

Wenn ja, wird unser Heiligabend nie wieder mit dem schalen Gefühl des "War das alles?" enden.

Wenn nein, wird es bei den sinnentleerten Traditionen bleiben.

Sonntag, 22. Oktober 2017

#metoo - erklärt für Zweifler und Ablehner

Der Hashtag "metoo" (= "ich auch") verbreitet sich derzeit im Internet. Es sind Frauen, die ihn posten. Sie sagen damit: "Ja, auch mir ist das schon passiert."

Mit "das" sind sexuelle Übergriffe gemeint. Und zwar jeder Art.

Nun gibt es - frei nach dem Bibelzitat "Es gibt nichts neues unter der Sonne" - natürlich sofort jene Gegenstimmen, die rufen "Ihr könnt doch nicht solch 'harmlose' Dinge wie eine Hand auf dem Hintern in der vollbesetzten U-Bahn mit einer Vergewaltigung in einen Topf werfen!".

Doch, können wir.

Weil:

Erstens ist beides ein sexueller Übergriff, der die Frau zur verfügbaren "Ware" degradiert.

Zweitens sehe ich den Grabscher durchaus als späteren potentiellen Vergewaltiger. Denn es steckt hinter beiden Taten die gleiche Einstellung.

Aber zurück zu unserem Hastag-Phänomen:

Wozu soll das gut sein? Wird sich am Denken und Handeln der Täter etwas ändern? Daran glaube ich nicht. Ich sehe ja die Reaktionen im Netz, so es denn seitens der Männer überhaupt welche gibt. Sie reichen von Unverständnis bis hin zu klarer Ablehnung.

Doch jetzt dringt eine Tatsäche ins öffentliche Bewusstsein:

Sexuelle Übergriffigkeit ist keine Ausnahme oder Randerscheinung. Sie ist auch nichts, weswegen frau sich fragen müsste "Habe ich etwas falsch gemacht?". Es ist nicht etwa so, dass sie jede Frau treffen KÖNNTE, sondern Tatsache ist, dass jede Frau davon betroffen IST!

Eine Bekannte schrieb, bei ihr hätte es "nur" dazu geführt, dass sie seit ihrer Teenagerzeit keine Schwimmbäder mehr besucht hat.

"Nur"? Eine selbstauferlegte Beschneidung der persönlichen Freiheit, um männlicher Übergriffigkeit zu entgehen, ist keine Lappalie!

Auch die Nonnentracht ist übrigens keineswegs - wie man doch meinen möchte - ein Hindernis für diese gewisse Spezies "Mann".

Warum aber schweigen die meisten Frauen (zumindest bis heute) über all diese Vorkommnisse?

Manche aus Scham (siehe oben: "Habe ich etwas falsch gemacht?"). Oder sie wollen nicht als "verklemmt" dastehen: "Soooo schlimm war es ja vielleicht gar nicht." Oder es ist im Bekannten-/Freundes-/Familienkreis passiert: "Ich will niemanden bloßstellen; das gibt nur Streit und führt zu nichts."

Und natürlich aus Resignation: "Das passiert doch dauernd, und ändern wird sich eh nichts." Und damit haben sie - man muss es klar sagen - sogar leider Recht.

Außerdem haben wir natürlich jene Stimmen, die sagen "Och, was für ein Hype - da sorgen nun zugegeben schlimme Einzelfälle à la Weinstein und Trump dafür, dass die gesamte Spezies Mann an den Pranger gestellt werden soll..."

Ja, ja, die bösen Weinsteins und Trumps... Exklusive Mitglieder im "Club der Einzelfälle e.V.".

Falsch!

So exklusiv, wie manche sich das gerne zurechtdenken würden, ist dieser Club nicht: Jeder notgeil-grapschende Straßenköter ist Mitglied. Der einzige Unterschied: Ihm fehlt die Macht eines Trump oder Weinstein, um seine Frauenverachtung so auszuleben, wie diese "feinen" Exemplare es tun.

Die vielen Anständigen unter den Männern müssen sich jedoch dringend eines stärker bewusst machen:

Schon ihre Mütter waren Opfer sexueller Übergriffe.
Ebenso ihre Ehefrauen, Schwestern, Cousinen, Nichten etc. 

Und wenn sie Töchter haben, so wird auch diesen eines Tages der erste sexuelle Übergriff bevorstehen.

Und es gibt nichts, was sie dagegen tun können.

Außer, bei sich selber und der eigenen Einstellung anzufangen.

Das Schweigen der Anständigen muss aufhören. Und ein Umdenken muss stattfinden in der Bewertung der vermeintlich harmloseren Formen der sexuellen Nötigung.

Samstag, 21. Oktober 2017

Das Frauenbild des Herrn K.


Manchmal gehört auf einen groben Klotz ein grober Keil. Das wissen wir alle, und so haben wir alle schon reagiert. Und das war dann meist auch richtig so.

Manchmal jedoch sagt einem der Instinkt: Hier ist es angeraten, sich nicht mit in die Tiefe reißen zu lassen, sondern sachlich-gelassen zu bleiben.

Da unser Herr K. seine Ansichten öffentlich und damit für jeden einsehbar bei Facebook postet, stelle ich hier den Stein des Anstoßes per Screenshot zur Verfügung:



Man muss sich das einmal in aller Ruhe auf der Zunge zergehen lassen:

Die schwedische Außenministerin schrieb über ein Treffen mit einigen EU-Staats- und Regierungschefs:
«Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Schenkel. Mein Tischnachbar begann, mich zu betatschen. Das war völlig irreal»
Unser Herr K. (und einige seiner Kommentatoren waren durchaus seiner Meinung) fühlt sich anlässlich dieser Veröffentlichung bemüßigt, aus der Außenministerin eine "Tusse" zu machen und ihre Klage über das Verhalten ihres Tischnachbarn in eine Klage darüber umzumünzen, dass es bei der Hand auf dem Oberschenkel blieb. "Verständlicherweise", fügt unser Herr K. hier noch ein - um damit wohl auszudrücken, die Dame habe von ihrem Alter und/oder Aussehen her dem Tischnachbarn keine ausreichenden Anreize für weitere Aktionen geboten und reagiere mit ihrer Klage nun ihren Frust ob dieser Zurückweisung ab.

Man müsste lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre.

Doch lassen wir Herrn K. sich selbst erklären:


Einerseits juckt es mir in den Fingern, diese Epistel des Grauens Punkt für Punkt auseinanderzunehmen, doch gleichzeitig ist mir klar, dass dieser prachtvollen Charakterdarstellung nichts mehr hinzugefügt werden muss.

Außerdem verdanke ich Herrn K. heute Abend einen unerwarteten Genuss: Ich habe mich so über ihn geärgert, dass ich versehentlich statt des 2015er Merlot einen 1986er Gran Reserva entkorkt habe, den ich eigentlich für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt hatte. Sei's drum - das edle Tröpfchen macht auch einen ganz normalen Samstagabend zu einer besonderen Gelegenheit.

Die Herr K.s dieser Welt werden wir nicht mehr ändern und auch nicht zum Umdenken bringen. Es lohnt daher nicht, ihnen Aufregung zu schenken.

Doch was sage ich nun den anderen Männern? Landen wir wieder bei der "Nein heißt Nein, nicht Ja, und auch nicht Vielleicht"-Debatte? Dort waren wir schon so oft, und geführt hat es zu nichts.

Ich versuche es einmal anders:

Liebe Männer, ihr glaubt, wir hätten heute - zumindest hier im "Abendland" - die Gleichberechtigung erreicht, und alle Klagen, die heute noch von Frauen kämen, seien hauptsächlich "Jammern auf hohem Niveau". Auf dem Papier - dem der Gesetzestexte nämlich - ist das richtig.

Aber all die schönen Gesetze und Reden nützen nichts, wenn sich in den Köpfen gewisser "Herren" nichts verändert.

Diese "Herren" erniedrigen Frauen mit Worten und/oder Taten. Ganz bewusst. Immer wieder. Jeden Tag. Überall.

So lange jede Frau jederzeit von einer solchen Erniedrigung betroffen sein kann, so lange besteht echte Gleich-Wertigkeit zwischen Mann und Frau leider auch weiterhin nur auf dem Papier.

Und das ist traurig. Auch und vor allem für die - echten - Männer.

Sonntag, 15. Oktober 2017

Vergiftete Komplimente



Einen Tag später...
Ja, da muss nun ein Update her.

Seit ich ihn gestern geteilt habe, wurde zu dem Beitrag auf meiner Facebook-Wall viel und teils emotional diskutiert. Ich danke allen Beteiligten, egal, ob sie meiner Meinung sind, oder meine Ansichten zum Kuckuck wünschen.


Allerdings möchte ich als Folge der Diskussionen einige Dinge klären bzw. noch einmal ausführen oder betonen.


Ganz wichtig, und von einigen offenbar missverstanden: Mein Beitrag ist keine Antwort auf Frau Cheblis Posting, sondern auf die Reaktionen, die ihr Posting hervorgerufen hat.


Ich fand es daher auch sehr traurig, dass teilweise eher über Frau Cheblis sicherlich überzogene („Unter Schock“ – so ihre Worte) und auch wenig souveräne Reaktion auf die ihr zuteil gewordene Behandlung diskutiert wurde, als über die eigentlichen Verursacher des Mini-Eklats.



Selbst Schuld, wenn sie sich getroffen fühlt. Selbst Schuld, wenn sie nicht mit Komplimenten umgehen kann. Selbst Schuld, wenn sie mit ihren jungen Jahren noch nicht die Nonchalance einer erfahreneren 50jährigen besitzt.


Und dann haben wir noch jene, die weiterhin fragen:

„Ist das wirklich so schlimm? Hätte er das wirklich nicht sagen dürfen? War es nicht doch nur ein nettes und harmloses Kompliment?“


Stimmt! Ihr habt Recht!


Doch, ganz im Ernst: Es ist nicht schlimm, und ja, er hätte das zur ihr sagen dürfen, und ja, es wäre ein nettes und harmloses Kompliment gewesen…

…WENN er es NACH der offiziellen Veranstaltung gemacht hätte, bei einem zwanglosen Gespräch unter vier Augen, als augenzwinkernde Erklärung und Entschuldigung, weshalb er sie zuerst nicht als die erwartete Staatssekretärin erkannt habe.

Von einem Menschen, der schon seit einigen Jahren auf der politischen Bühne tätig ist, erwarte ich, dies zu wissen. Handelt er nicht nach diesem Wissen, unterstelle ich Vorsatz.


Heute habe ich eine interessante und doch auch traurige Diskussion rund ums Thema "Vergiftete Komplimente" erlebt.

Doch gehen wir ein wenig ins Detail:

Jemand postete einen Facebook-Beitrag von Sawsan Chebli. Die Dame war mir, ich gebe es zu, bis dahin völlig unbekannt - sie ist, wie ich inzwischen "ergooglet" habe, eine deutsche Politikerin, die als Kind mit ihrer Familie aus Palästina als Flüchtling nach Deutschland gelangte.

Folgendes hat Frau Chebli geschrieben:
"Unter Schock - Sexismus
Vorfall: Ich sollte heute Morgen eine Rede halten. Vier Männer sitzen auf dem Podium. Ich setze mich auf den reservierten Platz in die erste Reihe. Vorsitzender vom Podium aus: „Die Staatssekretärin ist nicht da. Ich würde sagen, wir fangen mit den Reden dennoch an.“ Ich antworte ihm aus der ersten Reihe: „Die Staatssekretärin ist da und sitzt vor Ihnen. Er antwortet: „Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“ Ich war so geschockt und bin es immer noch. Ich bin jedenfalls ans Pult: „Sehr geehrter Herr Botschafter a.D., es ist schön, am Morgen mit so vielen Komplimenten behäuft zu werden.“ Im Saal herrschte Totenstille. Dann habe ich meine Rede abwechselnd in deutscher und englischer Sprache frei gehalten. Es war ein internationales Forum.
Klar, ich erlebe immer wieder Sexismus. Aber so etwas wie heute habe auch ich noch nicht erlebt."
Ob man politisch mit Frau Chebli einer Meinung ist, ist irrevelant. Ebenfalls irrelevant ist, ob man nun gleich "unter Schock" stehen muss, angesichts einer Begebenheit, wie sie Frauen in wechselnder Form leider auch heute noch durchs tägliche Leben begleitet.

"ne Klatsche haben..."

Schockierend fand ich dagegen schon den Kommentar, mit dem Frau Cheblis Beitrag geteilt wurde:
"Nur weil man eine Rede abwechselnd in deutscher und englischer Sprache halten kann, bedeutet nicht, dass man nicht trotzdem ne Klatsche haben kann ..."
 Aha. Eine Frau, die ein Kopliment als sexistisch einstuft, muss natürlich "ne Klatsche haben".

Und es gab in der Folge einige - meist Männer - die mehr oder weniger gröhlend zustimmten.

Auf den ersten Blick könnte man das so sehen. Was ist denn schon dabei, wenn ein Mann einer Frau ein Kompliment über ihr Aussehen macht? Einer der Mitdiskutanten verstieg sich sogar zu der Annahme, wenn ich damit ein Problem hätte, wäre ich sicher auch beleidigt, wenn er mir an der Türe den Vortritt ließe.

Türen öffnen? Aber immer!

Mitnichten, guter Mann! Männer, die Türen für Frauen öffnen, sind mir hochsympatisch. Jedenfalls viel sympatischer als jene Exemplare ihres Geschlechts, die wieder und wieder genau das Gegenteil versuchen. Denn nichts anderes war der oben von Frau Chebli geschilderte Vorfall: Eine Tür, die ihr klatschend vor der Nase zugeschlagen werden sollte.

Nein, meine Herren, es geht nicht darum, dass ihr keine Komplimente machen dürft. Ich finde es zwar süß, wie ihr euch im Verlauf der Diskussion teils fast schon weinend in die Opferecke stellen wolltet - man wisse als Mann ja ohnehin kaum noch, was man sagen dürfe, ohne gleich als sexistisch verdammt zu werden - aber da möchte ich dann doch mit einem schulterzuckenden
"Na, dann heult doch!"
antworten.

Kommt schon, Jungs, stellt euch nicht dumm! Es ist ein verdammt großer Unterschied, wann, wo, zu wem, und bei welcher Gelegenheit ein und dasselbe Kompliment gemacht wird!
"Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“
Ein großartiges Kompliment beim Kennenlernen auf der Sylvesterparty.

Ein vielleicht so gerade noch passendes Kompliment bei der ersten Begegnung mit der Ehefrau eines Kollegen (abhängig von der Eifersucht des Ehemannes).

Ein witziges Kompliment vom Grundschüler zum ersten Arbeitstag der neuen Lehrerin.

Ein absolut unangebrachter Kommentar, was sowohl Anlass als auch Ort der hier geschilderten Begebenheit betrifft.

Ein Vergleich

Wie ich eben schon in der Diskussion schrieb (und damit die gesammelte Empörung auf mich zog):
"Man stelle sich einmal vor, die Staatssekretärin wäre ein Staatssekretär gewesen, und die Vorsitzende hätte ihn mit den Worten begrüßt "Ich hätte keinen so jungen Mann erwartet, und noch dazu einen mit einem so knackigen Hintern."
Gut, man versuchte natürlich, diese Einrede abzuschmettern, indem man anführte, der "knackige Hintern" sei ja nun auch etwas gaaaanz anderes. Dass beides - jedes auf seine Art - in der vorgenannten Situation gleich unangebracht gewesen wäre, wollte man nicht einsehen. Sei's drum - schauen wir uns den Satz also einmal wirklich 1:1 an:

Die Vorsitzende begrüßt den Staatssekretär mit den Worten
"Ich habe keinen so jungen Mann erwartet. Und dann sind Sie auch noch so schön."
Kein Problem? Ehrlich jetzt?

Den ersten Satz mag man sich ja "gefallen" lassen (übrigens auch in Hinsicht auf Frau Chebli): Warum sollte mann/frau nicht unter dem Titel "Staatssekretär" einen wesentlich älteren Menschen erwartet haben und nun überrascht reagieren?

Altherren-Athmosphäre

Teil 2 jedoch ist ein vergiftetes Kompliment, und es ist ein Gift, das seit Jahrzehnten immer wieder gegen Frauen eingesetzt wird, die sich eine gewisse Position - beruflich oder, wie hier, in der Politik - erarbeitet haben.

Es ist das Gift der "Reduzierung" innerhalb einer Umgebung, die ein anderer Bekannter so trefflich mit
"Altherren-Athmosphäre"
beschrieben hat.

Da sitzen ein paar Männer und reduzieren mit einem innerlichen "Hö-hö-hö!" eine Frau, ihren Intellekt, ihr Wissen, ihre Arbeit, ihre Kompetenz, ihre berufliche Stellung, ihre ganze Persönlichkeit, auf eine Sache: Ihr Aussehen.

Und man weiß nicht, was schlimmer ist:

Dass diese Herren wahrscheinlich auch noch erwarten, dass das so herab-komplimentierte Weibchen mit einem errötenden Knicks artig dankt...

...oder dass ihr Verhalten im Jahr 2017 noch derart viele - auch weibliche - Claqueure findet.