Sonntag, 17. September 2023

Das "Karen"-Prinzip


 Gestern bei REWE vor mir an der Kasse sagte die eine junge Frau zur anderen:

"Gleich steht bestimmt wieder so ne Karen beim Hund und beschwert sich bei mir, dass der in der Sonne warten musste." Das wäre nicht das erste Mal, fügte sie auf erstaunte Rückfrage der Freundin an.

Was ist das "Karen"-Prinzip? 

Das "Karen"-Prinzip stammt aus den USA und sollte ursprünglich einmal das weibliche Äquivalent des "weißen, alten Mannes" sein: Die gutbetuchte, weiße, ältere Frau aus den Vororten, die sich aufgrund von Hautfarbe und Herkunft berechtigt fühlt, gegenüber nicht-Weißen gewisse Vorrechte in Anspruch nehmen zu dürfen. Warum ausgerechnet "Karen"? Angeblich ist (war?) der Vorname in diesen Kreisen verbreitet.

Das Prinzip wird ausgeweitet

Mir fällt allderdings schon länger auf (bis gestern allerdings nur im englischsprachigen Raum), dass dieses Prinzip immer weiter ausgeweitet wird: In gestellten und echten Filmchen wird die (gerne ältere) weiße Frau gezeigt, die ein Recht einfordert, ein Unrecht anprangert oder eine Beschwerde nötigenfalls auch durchaus mit Nachdruck vorbringt. Und immer endet es damit, dass aus dem "Off" der Ruf "Bye bye, Karen!" oder "Shut up, Karen!" erschallt, was allgemein mit Gelächter ringsum quittiert wird. 

Zur Klarstellung: In solchen Fällen spielen unterschiedliche Hautfarben oder ethnische Hintergründe fast oder gar keine Rolle mehr. Es geht mehr und mehr nur noch GEGEN die Frau, die einen Missstand anprangert und/oder eine Beschwerde führt, die sich benachteiligt oder übervorteilt sieht und dies zum Ausdruck bringt. 

Eine neue Stufe - nun auch in Deutschland

Dass nun also auch in Deutschland eine Frau, die sich um den Hund einer Fremden sorgt, zur "Karen" wird, das ist eine neue Stufe. 

Was die junge Frau angeht: Ich habe im Hinausgehen mitbekommen, wie sie ihren Hund vor dem REWE ableinte, wo er in der prallen Sonne auf sie hatte warten müssen. Und ich habe mir das Gelände vor dem Geschäft angesehen: Es hätte durchaus Plätze im Schatten für das arme Tier gegeben. Hätte ich diese Szene eher wahrgenommen - ich wäre, zumindest in den Augen der Hundebesitzerin - durchaus selber zur "Karen" geworden. 

Was passiert da? 

In meinen Augen ist es eine weitere Form der  "Cancel-Culture":

Mische dich ein, tadele ein Fehlverhalten, benenne ein Unrecht - und du wirst zur "Karen"!

Besser, du hältst Augen und Mund geschlossen, so wie die Frau auf meinem Foto oben...