Sonntag, 25. Juni 2017

Lübecker Climate Märtyrer?

"Climate Märtyrer"? So jedenfalls zieht anscheinend ein unbenanntes deutsches Bistum die Verbindung zu den vier Lübecker Märtyrern, derer wir heute gedenken.

Nee, Leute, das ist nicht zum Lachen. Mir sitzt die Wut gerade sehr viel näher.

Aber beginnen wir mit dem wirklich Wichtigen, und das sind jene vier Männer, die bekanntwurden als die "LÜBECKER MÄRTYRER":

Johannes Prassek, kath. Priester an der Herz Jesu Kirche in Lübeck, geb. 1911 in Hamburg-Barmbek, hingerichtet am 10. November 1943 durch das Naziregime im Gefängnis Hamburg-Hostenglacis.

Hermann Lange, kath. Priester an der Herz Jesu Kirche in Lübeck, geb. 1912 in Leer/Ostfriesland, hingerichtet am 10. November 1943 durch das Naziregime im Gefängnis Hamburg-Hostenglacis.

Eduard Müller, kath. Priester an der Herz Jesu Kirche in Lübeck, geb. 1911 in Neumünster, hingerichtet am 10. November 1943 durch das Naziregime im Gefängnis Hamburg-Hostenglacis.

Karl Friedrich Stellbrink, evangelischer Pastor an der Lübecker Lutherkirche, geb. 1894 in Münster, hingerichtet am 10. November 1943 durch das Naziregime im Gefängnis Hamburg-Hostenglacis.

Sie alle hatten sich in ihren Predigten und auch außerhalb ihrer Kirchen gegen das Naziregime gestellt.

Von Kaplan Prassek sind die Worte überliefert
"Aber irgendjemand muss doch die Wahrheit sagen!"
als ihn Gemeindemitglieder nach einer wohl sehr offenen Sonntagspredigt warnen wollen, dass er sich in Gefahr begäbe und vorsichtig sein solle.

Sie alle sollten ihre "Offenheit" mit Verhaftung, Folter, Gefängnis und letztlich dem Leben bezahlen.

An sie zu erinnern, gerade heute, am Tage ihrer Seligsprechung (der drei kath. Geistlichen), ist gut und  wünschenswert.

Es ist das "Wie", das aufstößt:

Da stellt unser unbenanntes Bistum ein Bild online, mit einer in den Himmel gereckten Hand, die ein Schild hält mit der Aufschrift "Climate Justice Now" (= Klimagerechtigkeit jetzt). Noch zwei weitere Schilder sind ausschnittweise zu sehen, auf einem erkennt man die Worte "Save our planet". Eine Demo, ganz klar. Und alles, was dem Bistum als Text zu den vier Märtyrern einfällt, ist die Feststellung, sie seien aufgrund ihrer Haltung gegen das Naziregime ermordet worden,  heute aber habe jeder das Recht auf freie Meinungsäußerung, und es folgt die abschließende Frage an uns, die Leser, in welchem Bereich wir stärker Stellung beziehen sollten.

"Thema verfehlt. Setzen - sechs!"
möchte man rufen.

Man sage mir bitte, wie viel Märtyrertum der heutige Teilnehmer einer "Climate Justice Now"-Demo zu erwarten hat? Ungefähr ebenso viel wie der Teilnehmer einer Demo "Ehe für alle" oder  "Mein Bauch gehört mir".

Wenn es bei solchen Demos überhaupt Märtyrer gibt, dann sind es unsere Polizisten, die sich von Menschen, die angeblich für Frieden und Toleranz demonstrieren, teils bis hin zur Invalidität niederknüppeln lassen müssen. Und was erhalten sie, wenn sie sich diesem Mob zu unser aller Verteidigung entgegenstellen? Eine miese Bezahlung und eine noch miesere Rente - so sie diese denn erleben.

Um aber zu unserem unbenannten Bistum zurückzukehren:

Es hätte interessanterweise nur eine winzige Veränderung gebraucht, und man hätte stattdessen den Beitrag kommentieren können mit
"Treffer! Passt!"
Man stelle sich vor, die Hände hielten keine Plakate innerhalb des akzeptierten Meinungssystems der Tolerantissima hoch, sondern es handele sich um Plakate einer "Pro Life"-Demo, wie sie jährlich in Berlin stattfindet, unter dem Titel "Marsch für das Leben".

Sicher, auch dieser Vergleich würde noch ein wenig hinkend daherkommen, denn auch die Teilnehmer einer solchen Demo setzen sich - noch - nicht der Verfolgung des Staatsapparates aus. Sieht man sich jedoch einmal an, welch hasserfüllte und gewaltbereite linke *räusper* Bürgerwehr ihnen auf solchen Demos entgegentritt, dann braucht es durchaus eine Menge Mut, hier Stellung zu beziehen.

Oder wie jemand hierzu heute so richtig sagte:
"Das eigentliche Ärgernis ist doch das "Ausweichen" der mutigen "Widerständler" in die schmerzfreie und folgenlose Bekundung gesellschaftlicher Mehrheitsmeinungen. Wirklich erschreckend ist, dass dies kaum noch jemandem auffällt."
 Ich habe für heute fertig.

Freitag, 16. Juni 2017

Fronleichnam und die Radfahrer

Fronleichnamsprozession - gehen da eigentlich noch Leute mit? Ich meine nicht die in den paar deutschen Großstädten, wo man bequem in der Anonymität verschwinden kann, sondern jene Prozessionen in kleineren und mittelgroßen Städten, wenn man sich der Peinlichkeit aussetzen muss, von Freunden oder Kollegen dabei erkannt zu werden, wie man hinter einem Priester durch die Straßen läuft, der unter einem Baldachin eine Oblate vor sich her trägt.

Kannste eigentlich ja nicht mehr bringen, oder? Oder nicht? Oder doch?

Also, bei uns in der City (nicht die große City mit dem schnieken neuen Einkaufscenter, das die restliche Innenstadt aussterben lässt, sondern die kleinere City gleich nebenan, die früher mal eigenständige Stadt war), haben wir das gestern gemacht.

Da saßen wir auf unseren Bänken mitten auf der - abgesperrten - Straße vor dem Theater in der heißen Sonne, Alte und Junge (ja, gar nicht mal so wenige Junge, auch wenn die Alten überwogen), Eltern mit Kindern, die noch einmal stolz die Kleider und Anzüge ihrer Erstkommunion trugen, und außer Deutsch hörte man hier und da auch Polnisch und Spanisch.

Und vor uns wurde mit Pfarrer und Pater, Messdienern und Chor, eine Messe gefeiert.

Obwohl wir eine ansehnlich große Gruppe waren, erinnerte sich der Pfarrer doch auch an seine Jugendzeit als Messdiener, und an den damals rappelvoll gefüllten Marktplatz und die Prozession, die von dort zur Kirche führte. Heute hätten wir den Marktplatz nicht mehr gefüllt, und der Gang zur Kirche war, wie er es nannte, doch eher ein Prozessiönchen.

Also warum tut man sich das überhaupt noch an? Auch dazu hatte er etwas zu sagen.

Einerseits ginge es - wie er anhand eines vorangestellten Zitats von Charles Péguy erklärte - um das Gewohnheitstier Mensch und die Nichtakzeptierbarkeit einer "Gewöhnung" an die Eucharistie.

Ja, ich denke, das kann auch und vor allem jene treffen, die tatsächlich noch regelmäßig in die Messe gehen: Ein Empfang der Kommunion ohne ein Bewusstsein dafür, dass es hier wirklich Gott selber ist, der sich uns schenkt - ein Empfang der Kommunion quasi so ganz nebenbei, eben mal so mitgenommen, zwischen allgemeinem Händeschütteln, dem "kleinen Senfkorn" und einem genervten Blick auf den Schrägsänger nebenan.

Sich noch einmal bewusst machen, dass Gott unser Kumpan ist!

Wie, was? Kumpanei mit Gott? Ja, auf diese Übersetzung hätte ich selber kommen können:

Cum [lateinisch] = mit
panis = Brot

Der Kumpan ist also derjenige, der mit mir das Brot bricht.

Wow!

Als zweiten Grund nannte er uns den Terror und die Gewalt, die inzwischen auch in unsere Straßen eingedrungen sind, mit LKW und Messern, und die Hass und Angst säen wollen.

Dem können wir ein Zeichen entgegensetzen, indem wir stattdessen Gott auf die Straße und damit in die Welt tragen - und das an Fronleichnam ganz wörtlich.

Während wir dort saßen, kamen zweimal Radfahrer daher. Man muss sich das vorstellen: Sie fuhren auf dem nicht abgesperrten Radweg zwischen uns und der etwas erhöht gefeierten hl. Messe längs. Sie schauten weder rechts noch links, sie trugen Sonnenbrillen, Kappen, und Ohrstöpsel. Sie nahmen nichts von dem wahr, was gerade rechts und links von ihnen geschah, denn ansonsten hätten sie ja mindestens einen verwunderten Blick zur Seite geworfen. Stur geradeausblickend sausten sie an uns vorbei.

Es kam noch bizarrer: Ein Mann joggte vorüber. Auch er mit Kappe, Sonnenbrille und in seinem Fall überdimensionierten weißen "in"-Kopfhörern. Rechts von ihm die Messfeier. Links von ihm ca. 200 Menschen, auf Bänken sitzend, oder stehend. Er nahm nichts wahr. Schaute nicht links, schaute nicht rechts, hörte nichts, und fort war er.

Und ich denke mir, dass dies eine sehr gute Parabel ist für das tatsächliche Problem unserer Zeit:

Es sind nicht die Menschen, die Gott nicht wahrnehmen wollen, und auch nicht jene, die Gott rundheraus ablehnen. Beide hat es immer gegeben.

Unser Problem sind die vielen Menschen, die Gott nicht wahrnehmen KÖNNEN. Weil sie nicht mehr links und rechts von sich schauen können. Wie mit Scheuklappen gehen, nein rennen! sie durch ihr Leben, lassen sich vereinnahmen von der Schnellstraße vor sich, immer auf der Überholspur, immer unterwegs, angetrieben und getrieben, immer beschäftigt, unter Strom, in Bewegung - alles andere ist die Verliererstraße, wissen sie.

Wirklich?

Und dann?

Wenn die Straße zuende ist?

Was ist dann?

Montag, 5. Juni 2017

Der Sonntagseinkauf und die lustige Doppelmoral

Die Sau des "Lieschen und Otto Müller müssen auch sonntags bei Aldi geizkaufen können!" wird ja in schöner Regelmäßigkeit durch die Dörfer gehetzt. Naja, wers braucht. Bei den heutigen Öffnungszeiten an den 6 Werktagen schwer verständlich.

Ja, ja, ich weiß, jetzt geht gleich wieder das große Jammern und Protestieren los - die armen Familien, die nur sonntags Zeit haben, mal gemeinsam und in Ruhe einkaufen zu gehen... die Schichtarbeiter... die... Mensch, dann heult doch! Wenn euch für den Sonntag nichts besseres einfällt, als euch durch die Läden zu schieben, dann ist euch eh nicht zu helfen. Mein Mitleid habt ihr, also macht euch nicht nass.

Lustig finde ich aber folgende Argumentation:

Da weist jemand in der Debatte auf die vielen Verkäufer (ja, und auch die -innen) hin, die bei einer generellen Sonntagsöffnung nun tatsächlich keine Zeit mehr mit ihrer Familie verbringen könnten - denn sie hätten zwar an einem anderen Tag frei, aber was nütze das, solange Ehepartner und Kinder nun mal weiter ihren freien Tag am Sonntag hätten.

Als Antwort kam ein
"Die wussten aber doch, worauf sie sich bei ihrer Berufswahl einließen!"
Lassen wir jetzt mal die hier lässig unter den Tisch geschleuderte Tatsache weg, dass ein Verkäuferx in Deutschland bei der Berufswahl eben NICHT davon ausgehen musste, eines Tages mit ständiger Sonntagsarbeit konfrontiert zu werden, dann haben wir hier das genaue Pendant zu einer ganz anderen Situation:

Jemand äußert sein/ihr Mitleid mit den armen Pfarrern der katholischen Kirche, die aufgrund des Zölibats zur Ehelosigkeit verdammt sind.

Und darauf erhält er/sie zur Antwort:
"Die wussten aber doch, worauf sie sich bei ihrer Berufswahl einließen!"
Die Ironie an der Geschichte ist: 

Es sind nun genau jene, die eben noch unserer Verkäuferin mitleidslos und auf den eigenen Vorteil bedacht ihre Berufswahl als "selber Schuld" vorgehalten hatten, die nun empört aufschreien und losfaseln von "Kirche muss aus ihren Bahnen brechen!", "überholte Traditionen", "das konnte doch keiner ahnen, "dem Zeitgeist folgen" usw. usw. usw.

Es ist eine Doppelmoral der Tolerantissima, die einfach nur zum Lachen ist.

Sonntag, 4. Juni 2017

Lachen und Mitleid als Antwort auf das Böse

Das ist ein seltsamer Titel für einen Blogbeitrag, ich weiß. Und er ist gar nicht so leicht zu erklären. Ich will es trotzdem versuchen.

Ein erneuter Terroranschlag am gestrigen Abend. Wieder Tote, wieder Schwerverletzte, wieder viele traumatisierte Menschen.

Und trotzdem habe ich heute gelacht. Nicht über die Geschehnisse in London, das ist klar. Aber über viele andere kleine Dinge, die mir heute begegnet sind, die ich gesehen, gelesen und gehört habe.

Das hat nichts mit dem so oft beschworenen "Wir machen weiter wie bisher" zu tun, oder wie die Briten sagen würden: "Keep calm, and carry on."

Es ist auch nicht das bekannte Pfeifen im Walde, um die eigene Angst zu übertönen.

Der Mensch lacht aus Freude am Leben.

Ja, ich weiß: Das Böse lacht auch. Aber es ist ein Lachen der Häme, der Schadenfreude, und vielleicht sogar darüber, gerade "erfolgreich" Unschuldige getötet zu haben. Und damit ist es in Wirklichkeit nur eine Perversion des wahren - menschlichen - Lachens.

Denn dieses Lachen wird geboren aus unserer Lebensfreude, und die wiederum stammt aus der Hoffnung, die uns sagt, dass das Böse nicht das letzte Wort haben wird.

Mit dieser Freude und Hoffnung aber können wir dem Bösen ins Gesicht lachen. Gegen unser Lachen ist es eine armselige, stinkende Kloake furzende Widerwärtigkeit.

Und das Mitleid?

Menschen, die sich dieser Widerwärtigkeit verschrieben haben, verdienen mein Mitleid. Ich hasse ihre Taten, lieber Himmel, ja: Ich hasse das Leid, den Tod und die Verfolgung, die sie über die Menschen bringen. Aber sie selber? Warum sollte ich diese leeren Hüllen hassen? Warum sollte ich Menschen hassen, die ohne Liebe sind, ohne Freude, ohne Hoffnung - nur angefüllt mit stinkendem Hass und einem Irrglauben an die eigene "Gerechtigkeit"? Da ist nichts übrig, das ich hassen könnte.

Wer nur noch Hass in sich trägt, ist schon tot.

Wir anderen aber, wir werden lachen. Heute. Morgen. Immer.

Wie steht es mit euch? Heute schon gelacht?