Sonntag, 21. August 2016

Wenn Worte fehlen - und man trotzdem schreibt

Es gibt Dinge, von denen man hört und liest, die sich einem aber nicht wirklich erschließen.

Ebenso gibt es Dinge, die man selber erlebt und die man weitergeben möchte, aber man fürchtet, dass Worte nie reichen werden.

Macht es also Sinn, es trotzdem zu versuchen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich das hier seit gut drei Wochen aufschreiben möchte und es jetzt auch tun werde.

Kann heute noch jemand etwas mit dem Namen Jean-Marie Vianney anfangen? Oder dem "Pfarrer von Ars" (einer Stadt in Frankreich)?

Ich hatte vor Jahren von ihm gehört, und als ich später auf einem Büchermarkt eine alte Biographie ausgrub, nahm ich sie mit. Für 50 Cent.

Die Biographie war interessant. Ein ungewöhnlicher Heiliger. Aber das sind sie ja alle irgendwie, diese Heiligen.

Seine Art, die Eucharistie zu feiern, soll außergewöhnlich gewesen sein. Sie soll den Menschen das Heilige in besonderer Weise vergegenwärtigt haben.

Aber wie soll man sich das vorstellen? Oder: Wie soll das möglich sein? Die gleichen Worte, die gleichen Gesten, überall, zu jeder Zeit. Was soll ein Pfarrer von Ars da so viel besser gemacht haben als andere Priester, damals wie heute?

Und überhaupt. Eucharistie, Wandlung, Kommunion.... ist es nicht ohnehin unglaublich, was wir da glauben sollen? Ein Stück Oblate und ein bisschen Wein - der Priester sagt sein Sprüchlein - und Gott ist in diesen beiden Dingen real anwesend, bereit, sich an uns zu verschenken? 


Damit hat so mancher Kathole ein Problem, ist es für den Verstand doch arg un-fassbar. Falls er noch halbwegs regelmäßiger Kirchgänger ist, kennt er "seine" Messfeier. Er weiß, was "da oben" am Altar geschieht. Er hat es schon sehr feierlich erlebt, zu besonderen Gelegenheiten, oder all(sonn)täglich sachlich, manchmal vielleicht ein wenig in Eile, wenn noch eine weitere Hl. Messe in einer anderen Gemeinde wartete, und manchmal sehr gesammelt. 

Aber dass sie ihn je zu Tränen gerührt hätte, unseren Katholen? Wohl eher nicht. 

Am 26. Juni erlangte ein anderer franzöischer Priester - wenn auch traurige - "Berühmtheit": Jacques Hamel wurde in einem kleinen Ort Nordfrankreichs in einer Kirche von islamistischen Terroristen ermordet, als er gerade die Messe feierte.

Zwei Tage später verschlug es mich in eine kleine Klosterkirche hier in Deutschland. Ich hatte noch Urlaub und wusste: Dort gibt es jeden Mittag eine Messe. Übrigens eine stets gut besuchte Messe, auch wenn man kaum glauben mag, dass es so etwas hierzulande noch gibt. 

Geleitet wurde die Messe an jenem Tag von einem Priester, der für seine sehr weitschweifigen Predigten bekannt ist. Man nimmt es hin, weil man die Begeisterung dahinter spüren kann, doch man denkt sich auch manchmal "Ach je, weniger wäre mehr.".

Als wir uns nach der Lesung des Evangeliums hinsetzten, rechnete also jeder mit der üblichen viel zu langen Predigt. 

Stattdessen schloss der Priester sehr langsam das Evangeliar, ließ seine Hände schweigend fast eine Minute darauf ruhen, um dann nur zu sagen:
"Dem ist nichts hinzuzufügen."
Dann zelebrierte er die Messe. Und hier komme ich an den Teil meiner Geschichte, wo Worte zum Problem werden, weil sie nicht ausreichen. Wie kann man einen liebevollen Respekt und eine respektvolle Liebe schildern, die bis ins Mark treffen und erschüttern, obwohl sie sich doch in hundertfach gesehenen Gesten und gehörten Worten ausdrücken? Wie die Ehrfurcht erklären, die sich in der Haltung des Priesters ausdrückt und die auf alle Anwesenden überspringt? Wie das fast minutenlange Erhöhen der Hostie schildern, das von so viel Liebe und Staunen erfüllt ist? 

Kein Mensch, kein Buch, keine noch so gelehrte Erklärung könnten die Größe dessen auch nur annähernd so begreifbar machen, was Eucharistie wirklich bedeutet, wie es dieser einfache Priester in einer kleinen Klosterkirche an diesem völlig alltäglichen Wochentag vermochte, als er nichts anderes tat, als die Eucharistie so zu feiern, wie sie gefeiert werden sollte: In inniger, verbundener, anbetender Liebe.

Jetzt verstehe ich, wieso ein Pfarrer von Ars zu einem solchen "Magneten" werden konnte. Wer einmal eine solche Messfeier erlebt hat, findet sich nur noch schwer mit dem mechanischem Mittelmaß ab.

Donnerstag, 11. August 2016

Deutschlands immer noch willige Helfer. Oder: Weg mit Israel!

Reißerischer Titel? Ja, vielleicht. Und es wird auch solche geben, die sagen "Meine Güte, wozu die Aufregung?".

Aber ich habe mich heute aufgeregt, und zwar über diesen Artikel in der FAZ:
"Israel fehlt auf Kempinski-Liste"

Ihr glaubt, ich werde jetzt in flammender Rede zum Boykott eines Hotels aufrufen? Falsch. Denn tatsächlich sehe ich das Kempinski in Berlin nur als eine Art Platzhalter für das eigentliche Problem. Oder besser: die eigentliche Schande.

Auf Anweisung der Direktion...

Da bemerkt ein Hotelgast, dass die Vorwahl Israels auf der Telefonliste in seinem Zimmer fehlt. Gut, das allein ist keine Nachricht wert. Diese Listen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Doch auf Nachfrage erhält er (sicher hinter vorgehaltener Hand) die Auskunft, man habe die Vorwahl Israels auf Anweisung der Direktion von der Liste gestrichen, da dies von der arabischen Kundschaft verlangt worden sei.

Glaube ich das? Ja. Und zwar trotz des Versuchs eines Dementi von Hotelseite im
Spiegel

...und ein Dementi

Dort heißt es u.a. zu der Aussage, Israel sei auf Verlangen arabischer Kunden von der Liste gestrichen worden:
"Das klingt ungeheuerlich. Auch deshalb, weil der Kempinski-Gründer Berthold selbst jüdischen Glaubens war, das Unternehmen wurde in der Nazizeit arisiert."
Äh.. ja. Das ist jetzt der Gegenbeweis?

Man könne die Aussage des Mitarbeiters nicht bestätigen. Aha. Oder auch: Naja.

Trotzdem: Wir haben eine Aussage, und wir haben ein Dementi. Warum glaube ich der Aussage?

Antwort: Weil der Schuh passt.

Leider.

Der Schuh passt

Er passt in ein Deutschland, in dem es linkerseits zum guten Ton gehört, gegen den "Judenstaat" zu hetzen, der alle braven Palästinenser fälschlich zu Terroristen stempelt und seine Nachbarstaaten knechtet. (Manchmal möchten man diesen Leuten ja mal einen simplen Größenvergleich auf der Weltkarte anraten, aber naja... lassen wir das.)

Er passt in ein Deutschland, in dem eine latente Verächtlichkeit gegen alles Jüdische immer vorhanden war und in den letzten Jahren eher zu- als abnimmt.

Falls das schwer zu glauben ist: Hier drei spontane Beispiele - nicht vom Hörensagen, sondern aus eigenem Erleben:

Drei Beispiele

Vor einigen Jahren meinte eine damalige Kollegin im Gespräch über die Judenverfolgung der Nazizeit (ich weiß nicht mehr, wie wir darauf kamen):
Ja, das sei natürlich schlimm gewesen, aber irgendwie seien sie ja doch auch selber Schuld gewesen. Denn immerhin werde dieses Volk seit Jahrhunderten immer wieder verfolgt - also müsse es dafür ja wohl auch einen Grund geben. (Wer es nicht verstanden hat: Soll heißen "Selber Schuld!")

Dann gab es da die Bekannte, die davon erzählte, wie sie auf den Namen für ihre gerade geborene Tochter Sabine gekommen waren, und dass kurz auch Sarah in der engeren Auswahl gewesen sei, aber das wäre ihr dann doch zu jüdisch gewesen.

Und als drittes Beispiel: Gerade heute die Aussage über ein südamerikanisches Land, Geschäfte seien dort besonders schwierig. Viele Juden da.

Diese drei Geschichten sind keine Ausnahmen, sondern Beispiele. Beispiele für Dinge, die man so und ähnlich immer wieder und überall zu hören bekommt.

Die alten Vorurteile

Die alten Vorurteile sind immer noch da. Manchmal frage ich mich sogar in Bezug auf all jene, die bei der Erwähnung des Holocaust sofort in Rufe ausbrechen wie "Wir wollen davon nichts mehr hören!" und "Was haben wir damit heute noch zu tun?":
Wann wird es soweit sein, dass sie die (heutigen) Juden als Schuldige dafür ausmachen, dass sie, die Deutschen, sich heute noch in der Verantwortung sehen müss(t)en? Weil schon allein die Existenz eines "Judenstaates", in dem regelmäßig der Shoah gedacht wird, ein elender Mühlstein am Hals der eigenen Selbstgerechtigkeit ist?

Ist es da ein schwerer Schritt für einen Deutschen, bzw. für die Direktion eines deutschen Hotels, Israel mal eben von der Landkarte... äh... nein, soweit sind wir ja (noch) nicht - aber immerhin doch von der Länderliste der Telefonvorwahlen zu streichen? Weil es eine Grupper reicher arabischer Gäste so verlangt?

Nein. Obwohl man es nicht glauben möchte. Man möchte sich wünschen, dass eine Geschichte wie die unsere einer solchen Forderung nur eines entgegenhalten könnte:
"NEIN!"
Doch die Araber konnten sich damals wie heute auf "ihre" Deutschen verlassen, wenn es gegen "den Juden" ging/geht. Jemand, der jahrelang beruflich auch in arabischen Ländern unterwegs war, erzählte mir vor Jahren einmal, wie oft er dort als Deutscher begrüßt wurde mit den Worten "Deutscher? Hitler! Guter Mann! Die Juden!", und es folgten ein nach oben gereckter Daumen und ein breites Grinsen.

Die Schande

Sei es, weil die Geldbörse wichtiger ist als der eigene Anstand.
Sei es, weil einfaches Nichtstun und Wegsehen sicherer ist.
Sei es, weil schlicht nicht sein kann, was nicht sein darf.
Sei es, weil "man" insgeheim denkt: "Selber Schuld."

Egal, was die Gründe sein mögen:

Eine Schande bleibt eine Schande bleibt eine Schande.