"Was willst du? Zu Ostern nach Rom? Wahnsinn; wie kann man sich das antun?!"Das waren die Reaktionen auf meine Reisepläne, und sie kamen durchaus auch von Romkennern. Als ich einen von ihnen zaghaft nach seinen Erfahrungen fragte, kam es zurück:
Ich? Zu Ostern nach Rom? Aber nie im Leben!"Aaaah ja.
Nun, der Wahnsinn war gebucht und "musste" durchgezogen werden, und ich war gelassen genug, es einfach auf mich zukommen zu lassen. Auf ging's im strömenden Regen des Karfreitagmorgen zum Kölner Flughafen.
Ich war früh unterwegs, denn in der augenblicklichen Situation war gewarnt worden, die Security Checks am Flughafen könnten lange dauern und man solle zusätzliche Zeit mitbringen. So wurde ich denn auch bei der Gepäckaufgabe ermahnt, nur gleich zum Check zu gehen, denn dort sei die Hölle los. Na, das passt ja, wenn man nach Rom reist.
Am entsprechenden Gate aber die großen Augen: Plötzlich sprang die Abflugzeit von 13 Uhr auf 15 Uhr! Hoffentlich ein Irrtum? Doch dann machte auch mein Handy "Pling" und eine SMS benachrichtige mich über die... räusper... veränderte Flugzeit. Unser Flieger war nicht nur noch gar nicht da, er war tatsächlich noch nicht einmal in Süddeutschland abgeflogen. Eurowings verteilte Gutscheine für Snacks und Getränke in den umliegenden Restaurants, und ich lernte den Kölner Flughafen besser kennen, als man es sich wünschen würde.
Der herrliche Sonnenschein, mit dem uns Rom am frühen Abend noch begrüßte, entschädigte für die Wartezeiten. Was um aller Welt hatte mich nur geritten, Schal und Winterjacke nach Rom mitzunehmen? Nur gut, dass eine einfache Strickjacke im Koffer auf mich wartete.
Auf zum Hotel, Koffer ins Zimmer werfen, und ab dafür! Um 21:15 würde der Kreuzweg am Kolosseum beginnen, und das Hotel lag am anderen Ende der Stadt. Ganz schlau sein: Mit der U-Bahn und einmal Umsteigen gleich vor die Tore des Kolosseums fahren. Dumm gelaufen: Die U-Bahn-Station war aus Sicherheitsgründen gesperrt und wurde von den Zügen überhaupt nicht angefahren. Unsere U-Bahn fuhr ohne Halt weiter zur nächsten Haltestelle.
Inzwischen war es dunkel geworden. Wie jetzt den Weg zurück zum Kolosseum finden? Ah, da drüben, die Nonnen - wenn die nicht wussten, wo es lang ging, dann wusste es keiner. Ich also hinterher. Und landete dabei letztendlich trotz meiner Verspätung mit der Nase wirklich "an vorderster Front". Glück muss der Mensch haben, und die richtige Führung. ;-)
(Meine Mutter mochte "Pinguine" ja nicht, aber manche sind halt doch ganz schwer in Ordnung.)
Vorher wurden allerdings alle, die auf das Gelände um das Kolosseum wollten, drei Mal durchsucht! Immer ging es ein Stück weiter auf das Gelände, und schon stand man vor der nächsten Gruppe bewaffneter Polizisten. Wie jemand vor mir in der Reihe ganz richtig bemerkte: So stellen sie sicher, dass irgendwem in diesem Sicherheitsaufgebot das auffällt, was andere vielleicht vorher übersehen haben.
Was soll man zum Kreuzweg berichten? Schwierig. Das Innere muss sich jeder selbst denken.
Äußerlich fällt mir als erstes ein, dass es körperlich doch sehr anstrengend ist. Stundenlanges Stehen in einer riesigen Menschenmasse.
Dann erinnere ich mich, wie sehr mich die Ruhe beeindruckt hat, in der diese riesige Menschenmenge rund um das Kolosseum vor und während des Kreuzweges ausgeharrt hat.
Oh ja, und dann zu "Kirche", die ja aus allem Geld macht: Kerzen und Bücher (mit der Niederschrift des Kreuzweges) wurden an alle gratis ausgegeben.
Ja, ja, und der "Eventcharakter", mit dem bei solchen Gelegenheiten gerne um sich geworfen wird. Klar wird es bei einigen so gewesen sein. Aber von denen hat niemand bis zum Ende durchgehalten. Das waren die, die alle anderen dadurch nervten, dass sie sich irgendwann während des Kreuzweges ihren Weg durch die Menge bahnten, weil sie nun doch Besseres zu tun hatten. Viele waren es nicht.
Die beiden Mädels vor mir haben durchgehalten. Das muss man anerkennen, denn ganz offensichtlich waren sie von der herrlichen Ahnungslosigkeit, mit der deutsche Schüler(-innen) heute im Relioginsunterricht (so vorhanden) belassen werden. Bei der vierten Station sagte die Eine zu ihrer Freundin
"Du, guck doch mal, wie viel da noch kommt!",worauf diese nach einigem Blättern hinten im verteilten Buch auf die Seite mit dem lateinischen XIV wies und beide sich sehr entgeistert anschauten.
Aber das machte nichts. Die Nacht hatte etwas besonderes, und Angst kam angesichts all der Menschen (auch in der U-Bahn) nicht auf. Im Hotel dann noch eine Weile im Garten gesessen, um den Abend zu verarbeiten.
War ich todmüde? Ja.
Hätte ich den Abend / die Nacht missen wollen. Nein.
Samstag dann ein ausgiebiger Stadtbummel. In Rom kann man den in folgender, sich wiederholender Reihenfolge am schönsten gestalten:
Eine Kirche - ein Laden - ein Cappuccino.
Auf meinem allerersten Spaziergang durch Rom, am allerersten Tag meines allerersten Aufenthaltes vor zwei Jahren, war ich ziel- und (Stadt-)planlos durch die Straßen gegangen und hatte dabei einen winzigen Taschenladen mit eigener Produktion entdeckt, die sooooo ein hübsches Taschenmodell anboten. Ich habe sie nicht gekauft, die Tasche, damals, weil ich mir dachte, ich käme ja sicherlich noch einmal dort vorbei (damals war ich ja eine ganze Woche in Rom). Ich habe den Laden seitdem nie wiedergefunden. Und nun bog ich vom Pantheon kommend in dieses winzige Gässchen ab - und da war er. Und sie war auch noch da, meine Tasche. Die jetzt wirklich meine Tasche ist. Sage mir keiner was vom Fasten - schließlich habe ich die Tasche ja nicht gegessen.
Ach so, wer etwas zum Wetter in Rom wissen möchte: Ich habe einen leichten Sonnenbrand im Nacken. Das sollte genügen.
In der Osternacht die Zeitumstellung, und dann gleich wieder in den Ostermorgen. Mein Mitgefühl allen Priestern.
Den Segen "Urbi et orbi" habe ich auf besondere Weise miterleben (und empfangen) dürfen, nämlich auf der Terrasse des Hotels, das meinem angeschlossen ist. Von dort aus kann man tatsächlich auf Sankt Peter hinunterblicken.
Ja, der Ausblick war phänomenal. Die Fotos, die ich von dort gemacht habe, sind es auch. Und das anschließende Mittagessen, auf der Terrasse serviert, war es ebenfalls.
Klingt es verrückt, wenn ich sage, dass ich mir trotzdem lieber die Beine unten auf dem Petersplatz in den Bauch gestanden hätte? Ja, wahrscheinlich. Aber das Erlebnis wäre ehrlicher gewesen, weil man es unter echten Menschen erfahren hätte.
Auf der Terasse hatten sich die Gäste des Hotels eingefunden, vorwiegend aus Deutschland und den USA stammend, und abscheulichere Snobs waren mir noch selten in dieser Anzahl auf so kleinem Raum begegnet - und damit meine ich durchaus vor allem die Deutschen. Schnell hatten sich kleine Gruppen gebildet, die damit begannen, sich ihre Reiseziele der letzten 20 Jahre an den Kopf zu werfen, aber Italien, ach, das sei natürlich immer noch DAS Reiseziel, wenn nur die Italiener nicht wären, ja, der Dreck überall, und ein bisschen deutsche Organisation wäre doch gelegentlich ganz schön, hö, hö, hö, und klauen eh alle, mir haben sie schon 3x die Brieftasche, was, öfter nicht, da haben Sie aber Glück gehabt, die Kinder, die Kinder klauen am schlimmsten, ist aber all das Pack aus dem Osten, das sich hier breitmacht, können die Italos ja nichts dafür.
Man schwärmte vom Reisen, von Konzerten, von Kultur und Mode, alles natürlich immer mit Preisschild versehen. Man war so mit sich beschäftigt, dass die Messe (die ja laut über den Petersplatz zu hören war) niemanden interessierte, und der anschließende Segen, naja, das war eben so was, das man mal zur Kenntnis nahm. Hauptsache, man hatte ein Foto von sich, mit Papst und Petersdom im Hintergrund.
Papst und Petersdom im Hintergrund, verschwindend klein hinter der eigenen Größe - was für ein passendes, aussagekräftiges Bild das ist, wird mir erst klar, während ich dies aufschreibe.
Schluss damit - das waren Begegnungen und Gespräche, auf die man verzichten kann. Eigentlich so sehr aus dem Lehrbuch des "versnobten, blasierten, welt-abgehobenen Altreichen", dass man es fast für Satire hätte halten können.
Wie gesagt, der Ausblick war genial. Die Fotos sind es auch. Und das Essen war fantastisch. Einerseits also ein einmaliges Erlebnis. Und trotzdem hätte ich rückblickend (auch Sonntag vor Ort schon) lieber unten in der Menge gestanden.
Nun, der Mensch lebt und lernt. Gelegentlich sogar ich.
Auf meinem Osterspaziergang durch Rom fielen mir immer wieder die vielen geöffneten Geschäfte auf. Sicher, von den Andenkenläden war das zu erwarten gewesen - auch in Kevelaer ist der Sonntag der beste Tag in der Woche, was die Einnahmen angeht. Aber ich meine normale Läden - Kleidergeschäfte, Schuhläden, Lebensmittel, usw. Über den Daumen gepeilt würde ich sagen, dass 50-60% aller Geschäfte der römischen Innenstadt geöffnet hatten. Das hatte ich nicht erwartet.
Und da glauben wir, hier in Deutschland den Untergang des christlichen Abendlandes zu erleben. Ein Römer würde sich an einem Ostersonntag in Deutschland jedenfalls sehr wundern: Er könnte weder Schuhe noch Kleider noch Bücher kaufen, und Lebensmittel nur an Bahnhöfen und Flughäfen.
Ja, ja, ja, ich weiß: Wenn ich jetzt sage, wie sehr mir die Angestellten dieser Geschäfte leid tun, die nicht einmal am Ostersonntag einen Feier-Tag haben dürfen, werden mir einige wieder ein "Naja, dann ergeht es ihnen nicht besser als Ärzten, Krankenpflegern, Feuerwehrleuten blah blah blah" an den Kopf werfen. Langsam, Leute: Feuer müssen auch an Feiertagen gelöscht werden, das ist richtig, und ein Krankenhaus oder Pflegeheim will auch am Ostersonntag betrieben sein - aber bisher habe ich nicht gehört, dass der Umstand, 24h am Stück keine Schuhe kaufen zu können, schon Leute umgebracht hätte.
Oh, einen klugen Tipp habe ich erhalten: Wer unsicher ist, wie sich das Wetter entwickelt, der beobachte die Straßenverkäufer. Sobald sie von Selfiestäben auf Regenschirme umsteigen, ist innerhalb einer halben Stunde fest mit Regen zu rechnen.
Unsicher oder ängstlich habe ich mich in diesen römischen Tagen kein einziges Mal gefühlt. Polizei mit Maschinengewehren an strategischen Plätzen gab es in den letzten beiden Jahren immer schon, und sie wirkten effizient-gelassen wie immer. Nervös konnte eine da eher die angespannte Wachsamkeit zurück am Kölner Flughafen machen. Da fragte man sich dann "Sind die immer so, oder ist etwas "im Busch"?
Ja, und schon war man wieder zu Hause, und dankbar für Schal und Winterjacke.
Schön war's.