Du hast mich zum Weinen gebracht. Nicht nur ein bisschen, sondern fast die ganze spätere Weihnachtsmesse hindurch. Weil mich dein Bild und der Gedanke an dich nicht loslassen wollen.
Mein Zug war zu früh in Neuss eingetroffen, wegen des Feiertagfahrplans, und so saß ich in der Bahnhofshalle und wartete. Du hocktest in einer Ecke auf dem Boden, mit ein paar Tüten um dich herum. Du hast nicht gebettelt, sondern uns den Rücken zugewandt, so als wolltest du die Menschen nicht sehen, für die am Heiligabend die Neusser Bahnhofshalle nur eine Durchgangsstation war. Menschen, die ein Ziel hatten, ein Zuhause, die erwartet wurden.
Ich nahm dich nur kurz wahr und spielte dann weiter mit dem Handy, um die Wartezeit totzuschlagen. Man sieht so viele Bettler in den Bahnhöfen.
Aber du hast nicht gebettelt.
Irgendwann wurde es ruhiger in der Halle. Da hast du dich herumgedreht und eine kleine Kerze aus deiner Jackentasche genommen. Du hast sie angezündet und vor dich auf den Boden gestellt. Während du auf die Kerze schautest, liefen dir ganz still die Tränen über das Gesicht.
Ich ging zu dir hinüber und fragte dich, ob ich dir etwas geben dürfte. Du hattest ja nicht gebettelt. Es wird hoffentlich für zwei oder drei Mahlzeiten reichen. Während ich vor dir hockte, erzähltest du mir, dass du die Nacht hier verbringen würdest. Hier sei es warm und trocken, und es sei sicherer als in den Obdachlosenheimen, wo man dich schon mehrmals bestohlen hatte.
Alles, was ich dir geben konnte, war etwas Geld. Dann musste ich gehen.
Und immer noch sehe ich dich weinend und einsam am Boden vor deiner Kerze sitzen.
Weihnachten in der Bahnhofshalle.
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