Freitag, 15. Januar 2016

Vernichtende Worte

Nachdem ich am späten gestrigen Abend diesen Beitrag online gestellt hatte, ging ich zu Bett. Aber ich lag noch lange wach.

Ich dachte über die Vernichtungskraft böswilliger Worte nach, die auf den Wellen der Empörungskultur reitend rasante Verbreitung finden, unterstützt von Medien, die ihre Pflicht zu eingehender Recherche vergessen und mit dieser Trägheit den Zerstörungsfeldzug der Schandmäuler unterstützen.

Und ich dachte an einen spanischen Bischof, von dem ich bis gestern noch nie im Leben gehört hatte und dem nun mein ganzes Mitleid galt, da ihn die Medien seit Tagen verächtlich machen und er in den diversen Kommentarspalten auf das übelste beschimpft wird.

Ein Bischof hält zu einem katholischen Hochfest eine Predigt. Und weil es das Fest der Heiligen Familie ist, macht er die Familie zu ihrem zentralen Thema. Er spricht auch ein Problem an, das derzeit sein Heimatland, Spanien, sehr beschäftigt: Gewalt bis hin zu Mord an Frauen, durch ihre eigenen Ehemänner. Es sei gut, sagt er, dass die Frauen heute offen über diese Gewalt sprechen können, ebenso wie es gut sei, dass es Gesetze und Schutzmaßnahmen gäbe, um ihnen beizustehen. Er fürchte aber, dass dies alles zu kurz greift - das Innere der Männer müsse sich ändern, denn als Auslöser für die Gewalt gegen ihre Frauen beschreibt der Bischof ein "Machotum", das die Frau nicht als gleichwertigen Menschen akzeptiert und es nicht erträgt, wenn sie die Trennung wünscht und diese auch durchsetzt. Eine wahre Ehe, so der Bischof, beruhe jedoch auf gegenseitiger Liebe, Respekt und Vertrauen.

Diese Worte wurden in diversen Medien zu "Zitaten" umgemünzt, in denen der Bischof "sagt", Frauen müssten ihren nur Männern gehorchen, dann setze es auch keine Schläge.

Dumm gelaufen? Ein Übersetzungs- bzw. Interpretationsfehler, der in Zeiten einer rasanten Verbreitung durch das Internet eine Eigendynamik erhielt, die nicht mehr aufzuhalten war?

Wohl eher nicht.

Was hier geschah - und immer noch geschieht - zeigt uns im Gegenteil, wie leicht und schnell heutzutage ein Mensch "unmöglich" gemacht werden kann.

Ein aus dem Kontext gerissener Satz, hämisch zitiert und mit einigen Lügen ausgeschmückt, wird unter das Volk geworfen. Und das Volk reagiert wie gewünscht: Es schluckt die Geschichte wie der Frosch die Fliege.

Dem Internet nicht vertrauen zu können, ist das eine. Viele von uns haben das inzwischen begriffen.  Eine ganz andere Brisanz erhält ein solcher Vorgang jedoch, wenn er auch von professionellen Medien aufgegriffen wird, die ihn ebenfalls unhinterfragt verbreiten. Wenn eine solche Verleumdungskampagne - denn etwas anderes ist es ja nicht - von Zeitungen wie der "Welt" und sogar von kirchlichen Medien 1:1 übernommen wird, ohne dass wenigstens hier einmal die Frage aufkäme "Hat eigentlich mal jemand überprüft, ob diese Story WAHR ist?", dann ist das schon sehr starker Tobak.

Wie mächtig ist das Wort.

Es mag ja gut sein, sich dessen zu erinnern und das Gewicht auch der eigenen Worte nicht zu unterschätzen.

Doch was nützt das, wenn meine Worte verdreht und ihnen Lügen hinzugefügt werden, und mir die daraus entstehenden "Fakten" anschließend um die Ohren fliegen?

Verleumderische Worte sind eine furchtbare Waffe, denn eine Gegenwehr ist fast unmöglich.

Stoppen können wir solche Kampagnen nur, wenn wir uns nicht zu ihren Werkzeugen machen lassen.

Ich weiß, das ist nicht einfach. So manche Empörung und/oder Häme verbreitende Nachricht scheint ja geradezu um Verbreitung zu betteln. Wir sollten nur eines nicht vergessen:

Wenn man Scheiße in den Ventilator wirft, ist die Verbreitung zwar optimal, aber man selber steht anschließend auch nicht gut da.

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