Heute hatte ich ein eigenes, kleines Schlüsselerlebnis:
Ich stand im Bio-Supermarkt an der Fleischtheke, gleich nebenan die Käsetheke. Nun trifft man ja gerade im Bioladen gerne auf Vegetarier und Veganer, und die Dame neben mir gehörte ganz sicher zur ersten Kategorie. Käse, ja, das war wohl noch in Ordnung, so als "tierisches Erzeugnis", aber dass sie mir dabei zusehen musste, wie ich Hähnchenschenkel auswählte, und Rinderschinken - die Empörung war ihr anzusehen. Als ich mich davon nicht beirren ließ und auch noch - oh Graus! - ein Stück Fleischkäse auswiegen ließ, erntete ich einen Blick... sagen wir mal so: Wenn Blicke wirklich töten könnten, würde ich diesen Blogbeitrag jetzt nicht mehr schreiben.
Man stelle sich das einmal bildhaft vor: Ein Vegetarier empört sich und fasst es geradezu als persönliche Beleidigung auf, dabei zusehen zu müssen, wie an einer Fleischtheke Fleisch! gekauft wird.
Wieder zu Hause machte ich es mir erst einmal gemütlich und schaute mich online auf diversen Nachrichtenmedien und - natürlich - auf Facebook, was es denn so Neues gäbe. Und mir ging auf:
Wir sind ein Volk von Dauer-Empörten und Dauer-Beleidigten geworden.
Massenhaft schwappen die Empörungswellen durch die Medien, geilen sich an jeder noch so kleinen Nachricht auf, oft sogar, ohne sie auch nur auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Da wird gezetert und beleidigt und verdammt und gehasst im Sekundentakt.
Nebenbei übt man sich fleißig im Beleidigtsein. Ein harmloser Scherz, ein geteilter Spruch, ein Like an der falschen Stelle, ein falsches Wort - und schon werden sich Leute finden, die sich beleidigt fühlen. Wie? Irgendwie. Im Zweifelsfalle ist man halt beleidigt, weil ein anderer sich beleidigt fühlen könnte.
Und das Beleidigtsein mündet nicht selten - ihr ahnt es - in weiterer Empörung.
Und bevor sich nun Leute empören, ich würde wieder mal auf das Internet und die sozialen Medien einschlagen:
Tue ich gar nicht.
Was ich gerade geschildert habe, funktioniert im realen Leben ebenso gut. Um das zu erfahren, genügt es, mit offenen Augen - und vor allem Ohren - durch die Stadt zu gehen, den Leuten in Cafés und in den Läden und in der Bahn zuzuhören, oder eben einfach nur an einer Fleischtheke im Biomarkt zu stehen.
Ein Vorschlag:
Wie wäre es stattdessen mit mehr Gelassenheit?
Erst denken, ehe ich mich empöre?
Erst prüfen, ehe ich mich aufrege?
Erst an die eigene Nase fassen, ehe ich die Beleidigte spiele?
Oder wenigstens soviel:
Vor der Empörung drei mal tief durchatmen und langsam bis 10 zählen.
Und jetzt: Un-empört euch!!!
Und vielleicht noch der käseliebenden Vegetarierin sagen: Milch kann nur produziert werden, wenn auch Fleisch produziert wird. Oder soll man die Bullkälber alle zu Pflugochsen ausbilden?
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